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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Gedanken über Tradition
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0224

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202

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR Dr. HEINRICH STRAUMER-BERLIN BETTNISCHE IM SCHLAFZIMMER. HAUS SZ.

und die Wohnkultur der verschiedensten Nationen
kennen. Da erfuhr ich, wie die Leute von Welt
wohnten und es ergab sich das folgende Bild: der
Orientale kennt im Wesentlichen nur Architektur,
der Wohnraum spielt für ihn keine Rolle; Raum-
kunst und Wohnkultur kennt nur der Europäer,
der westliche Mensch und der Japaner. Die ange-
nehmsten, kultiviertesten Häuser waren immer
die, in denen nicht doktrinär ein Stil — sei es ein
alter oder ein moderner — verwirklicht war, in
denen nicht irgend ein formaler Kultus mit einem
theoretisch erklügelten Wohndogma betrieben
wurde: Häuser und Wohnungen, in welchen dem
wirklichen Leben verbundene Geister wohnten,
denen Ehrfurcht vor der Vergangenheit ebenso
selbstverständlich war, wie vorurteilslose Anerken-
nung alles Guten, das die Gegenwart zu geben hat.



Kahle Wände als Programm verkünden bedeu-
tet: Leere und Langeweile. In tropischen Ländern,
wo man ja auch keinen Wandschmuck kennt, geht's
wohl. Dort entschädigt eine überreiche Natur das
Auge. Wir armen, sieben kalte Monate ganz an
das Haus geketteten Hyperboräer brauchen
Bilder, brauchen — ich möchte sagen — »Fen-
ster«, deren jedes einen Ausblick in ein Anderes,

in ein »Jenseits« gewährt. Es ist auch nicht einzu-
sehen, daß der Mensch wirklich ein Kulturmensch
werden kann, ein lebensvoller Teilhaber an altem
und neuem Kulturgut, der sich allen bildlichen
Formen in seiner Wohnung asketisch verschließt.



Es hat immer Puritaner und Radikalisten auf
der Welt gegeben, — aber haben sie jemals Recht
bekommen, wie sie wollten? Die gesunde Vernunft,
die Tradition, der Sinn für freies Menschentum,
das Taktgefühl und die geheimen Bedürfnisse der
Seele schlafen nicht; sie sorgen dafür, daß alle ge-
planten Weltverbesserungen auf das mögliche
Maß zurückgeschraubt werden, sorgen dafür, daß
sich die allzu eifrigen Reformatoren bestenfalls
mit einer prozentualen Abfindung begnügenmüssen.



Tradition und Modernität schließen einander
nicht aus, sondern ergänzen und befruchten sich
unter normalen Verhältnissen. Was von alter Tra-
dition tot und unverständlich dasteht, wer will es
nicht gerne fallen lassen? Gesunde und gute, nur
zeitweilig nicht beachtete Traditionen mag man
getrost wieder ins Leben einführen, wenn nichts
Besseres an ihre Stelle zu setzen ist. Sie sind ein
wertvolles Regulativ. . . kuno graf von Hardenberg.
 
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