Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

DOI article:
Scheler, Max: Sachlicher Geist und Leben
DOI article:
Abbildungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0298

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
276

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT DIPL.-INC. OTTO FIRLE —BERLIN MUSIKZIMMER IM HAUS Dr. H.-HANNOVER

SACHLICHER GEIST UND LEBEN

Stellen wir an die Spitze des Geist-Begriffes
eine besondere Wissens-Funktion, eine Art
Wissen, die nur er geben kann, dann ist die Grund-
bestimmung eines »geistigen« Wesens: seine
existentielle Entbundenheit, Freiheit, Ablösbar-
keit — oder doch die seines Daseins-Zentrums —
vom Banne, vom Drucke, von der Abhängig-
keit vom Organischen, vom »Leben« und
von allem, was zum Leben gehört, also auch von
seiner eigenen triebhaften Intelligenz. Ein solches
»geistiges« Wesen ist nicht mehr trieb- und um-
weltgebunden, sondern »umweltfrei« und, wie wir
es nennen wollen: weltoffen. Ein solches Wesen
hat »Welt«. . Es vermag die ursprünglich auch
ihm gegebenen Widerstands- und Reaktions-Zen-
tren seiner Umwelt zu »Gegenständen« zu erhe-
ben, vermag das Sosein dieser »Gegenstände«
prinzipiell selbst zu erfassen, ohne die Beschränk-
ung, die diese Gegenstands-Welt oder ihre Ge-
gebenheit durch das vitale Triebsystem und die ihm
vorgelagerten Sinnes-Funktionen und Sinnes-Or-
gane erfährt. Geist ist daher Sachlichkeit, Be-
stimmbarkeit durch das Sosein von Sachen selbst.

So ist der Mensch das sich selbst und der Welt
überlegene Wesen. Als solches Wesen ist er
auch der Ironie und des Humors fähig, die stets eine
Erhebung über das eigene Dasein einschließen.

Der Mensch ist also das Lebewesen, das sich
zu seinem Leben, das heftig es durchschauert,
prinzipiell »asketisch« — die eigenen Trieb-Im-
pulse verdrängend — verhalten kann! . Mit
dem Tiere verglichen, das immer »Ja« sagt zum
Wirklichsein, auch da noch, wo es verabscheut
und flieht, ist der Mensch der »Nein-sagen-
Könner«, der »Asket des Lebens«, der ewige
Protestant gegen alle bloße Wirklichkeit. Er ist
zugleich im Verhältnis zum Tiere, dessen Dasein
das verkörperte Philisterium ist, der ewige
»Faust«: nie sich beruhigend mit der ihn
umringenden Wirklichkeit, immer begierig die
Schranken seines Jetzt-hier-Soseins in seiner
Umwelt zu durchbrechen, darunter auch seine
eigene jeweilige Selbst-Wirklichkeit. . Und nur
weil er das ist, kann der Mensch seine Wahrneh-
mungs-Welt durch ein ideelles Gedankenreich
»überbauen«, anderseits aber eben hierdurch sei-
 
Annotationen