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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Schäfer, Emil: Kriegsentschädigung in Kunstwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0049

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„Die Königin des Meers, Britannia nahm
Den letzten armen Raub dem blut'gen Land!
Sie, die als Helferin gesegnet kam,
Zerschlug dies Denkmal mit Harpyienhand,
Das allen Grimm der Zeit und Feinden überstand!"
Die Franzosen aber werden wir ersuchen, aus alten
Katalogen des „Muse'e Napoleon" festzustellen, wie-
viel Gemälde belgischer Herkunft vom Jahre 1794
bis nach der Schlacht bei Waterloo im Louvre
hingen, Gemälde, die nicht Eigentum des Staates
waren, den Frankreich bekriegte, sondern aus
Kirchen und Rathäusern zusammengetragen, from-
men Brüderschaften entzogen wurden. Die deutschen
Barbaren werden zivilisierter handeln. Nur Bilder,
die Staats- oder Stadteigentum sind, dürfen über
unsere Grenzen gebracht werden, Gemälde und
Skulpturen, die aus dem Empfinden des Belgiers
von heute geboren sind, sollen uns nicht gehören,
und von den Kunstwerken, die auf belgischem
Boden entstanden, begehren wir nur ^solche, zu
denen nicht bloss von Brügge und Antwerpen,
sondern auch von Berlin und München aus Wege
führen. Selbstverständlich hingegen ist, dass wir
uns alle Bilder deutschen und die besten Werke
fremdländischen Ursprungs holen; es sind ihrer
ohnehin nicht allzu viele, denn bei dem fabelhaften
Reichtum der heimatlichen Kunst haben belgische
Museumsleiter niemals die Schöpfungen fremder
Nationen planmässig zu erwerben gesucht.

Besonders vor unseren deutschen Bildern emp-
findet man, dass kein zielbewusster Sammlerwille,
sondern nur das Ungefähr des Zufalls sie den
Galerien von Brüssel und Antwerpen einverleibte.
Nimmt man das Brüsseler Porträt des Doktor
Scheuring von Cranach aus, so ist kein einziges
von ihnen, was die Snobs vor dem Kriege mit
England „first class" hiessen; aber mögen sie, —
die Bilder nämlich, — auch nicht alle Baedeker-
sternfähig sein, für unser neu zu errichtendes Mu-
seum deutscher Kunst bedeuten sie sämtlich einen
nicht zu unterschätzenden Gewinn. Geringer noch
an Zahl sind jene Gemälde, die auf dem Boden des
alten Frankreich entstanden; aber manches beach-
tenswerte Stück ist unter ihnen und es wäre ein
übel angebrachter Chauvinismus, wollten wir etwa
der prachtvollen Madonna des Jehan Fouquet oder
dem Bildnis Franz II. von Clouet, den Zierden der
Antwerpener Galerie, einen Platz in deutschen
Museen weigern. Die Malerei des holländischen
Nachbarstaates ist in den Galerien Belgiens gut,
aber durchaus nicht besser vertreten als bei uns.

Das kleine Porträt des Willem van Heythuysen von
Frans Hals, in dem so viel lachende Grösse steckt,
die von glitzernder Luft erfüllte Flachlandschaft
des Philipp Koninck, — kommen diese Bilder aus
Brüssel, aus Antwerpen der Fischerjunge des Frans
Hals und Rembrandts Porträt eines Bürgermeisters
nach Deutschland, so brauchen wir den Belgiern
ihren übrigen staatlichen Besitz an holländischen
Gemälden nicht zu missgönnen, und nehmen wir
uns Goyas unvergessbar grausige Inquisitions-Szene
aus dem Brüsseler Museum, so verbleibt auch kein
spanisches Bild von Bedeutung in dem Lande,
das einst als „schimmerndster Edelstein der hi-
spanischen Königskrone" gepriesen wurde. Der
Reichtum belgischer Museen an italienischen Bil-
dern ist ebenfalls nicht überwältigend, aber sie
haben doch ein paar zu Venedig entstandene Ge-
mälde, die manche Lücke in unseren Galerien aus-
füllen könnten. Von Antonello da Messina, zum
Beispiel, dem Dolmetsch nordischer Art im Süden,
besitzt das Berliner Museum nur drei, überdies
nicht sonderlich charakteristische Porträts; wie sehr
käme uns da seine von feierlichem Goldbraun über-
flutete Kreuzigung Christi der Antwerpener Galerie
zupass! In der Münchener Pinakothek hängt kein
einziges Werk Carlo Crivellis: da wären ihr gewiss
dessen Madonna mit dem Kinde und die Tafel mit
dem heiligen Franziskus aus dem Brüsseler Museum
hoch willkommen, zumal beide Bilder, zwar nur
Teile eines längst auseinander genommenen Poly-
ptychons, aber doch ungemein kennzeichnend für
die altertümelnd-eckige, gotisch-graziöse Art ihres
Schöpfers sind. Umsonst spähen wir in deutschen
Galerien nach einem Jugendwerke Tizians, — nun
blinktdieHoffnungindemAntwerpenCcreremonien-
bild „Papst Alexander VI. empfiehlt dem heiligen
Petrus den Admiral Jacopo Pesaro" ein, vielleicht
sogar das Hauptwerkseiner frühen,noch so wenig
gekannten Schaffensperiode zu erlangen. Dann ist aus
Brüssel noch Tintorettos von wildem Temperament
durchflammtes „Martyrium des heiligen Marcus"
zu holen, eine Skizze „nur", die mancher jedoch
dem ausgeführten grossen Gemälde der Akademie
Venedigs vorziehen dürfte. Die beiden Bilder, die
jetzt in Brüssel den Ruhm des Paolo Veronese ver-
künden, werden all' denen besonders teuer sein,
die sich gern vom Schauer des Historischen um-
wittern lassen. Denn auf die „Madonna mit den
Heiligen Theresa und Catharina" fiel schon zu Ver-
sailles das „Sonnenauge" Ludwigs XIV. und das
Gemälde „Juno verstreut ihre Schätze über die

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