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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Kunstgespräche im Kriege, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0167

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Der Deutsche: „Aber wie sollte ich nicht.
Ich Hebe diese Künstler. Sie sind so gut wie die
alten Holländer."

Der Franzose: „Sie sind Maler?"

Der Deutsche: „Nein, ich bin im bürgerlichen
Beruf Jurist."

Der Franzose: „Ah, das bin ich auch. Und
auch ich liebe die Kunst. Meine Eltern besitzen
einige sehr gute Bilder; einen Bouguereau, einen
Rochegrosse, zum Beispiel. Und meine Mutter ist
von Carolus Duran porträtiert worden. Dieses sind
die neueren Meister unserer Malerei und Sie irren,
wenn sie jene — wie war es doch? — Renoir,
Sisley und Cezanne für die besten halten."

Der Deutsche: „Ich muss Sie beklagen. Denn
ich kenne Ihre Kunst offenbar besser als Sie selbst.
Die Maier, die Sie eben genannt haben, schätzt kein
Kenner mehr. Das Talent der Maler, deren Bilder
da drüben zerstört worden sind, gehört dagegen
der ganzen Welt. Wissen Sie denn nichts von Manct
und was er der Malerei bedeutet, nichts von Monet,
Pissarro und ihren Genossen?"

Der Franzose: „Sie sprechen, wie mir scheint,
von densogenannten Impressionisten. Über sie spottet
man aber in meinen Kreisen ein wenig."

Der Deutsche: „Nochimmer? Nun, während
Sie spotten, sind die Gegenstände Ihrer Ironie klas-
sische Meister geworden."

Der Franzose: „Aber dann müssten ihre
Werke doch in unseren Museen zu finden sein."

DerDeutsche: „Warum? Wenn Sie und Ihres-
gleichen es nicht fordern. Verlassen Sie sich aber
darauf, diese Maler werden eines Tages alle ins
Museum gelangen. Auf Ehrenplätze. Wenn Werke
von ihnen dann noch zu haben sind."

Der Franzose: „Woher aber kennen Sie die
Bilder so gut, wenn nicht einmal ich sie kenne?-'

Der Deutsche: „In den letzten zwanzig Jahren
gab es bei uns kaum eine Ausstellung modernerKunst,
wo Bilder Ihrer Meister nicht zusehen gewesen wären.
In den besten deutschen Galerien hängen Hauptwerke
der Impressionisten. Und unsere Sammler haben hohe
Preise für solche Bilder gezahlt."

Der Franzose: Diese Maler müssen doch aber
auch in Frankreich zu studieren sein?"

Der Deutsche: „Ja, — in den Kabinetten

einiger Kunsthändler, in den wenig bekannten Ga-
lerien von Privatsammlern."

Der Franzose: „Demnach wäre die moderne
französische Malerei mehr in Deutschland als in
Frankreich zu Hause?"

Der Deutsche: „Im gewissen Sinne ist es so.
Ich wünschte, Sie könnten einmal sehen, welch ein
gutes brüderliches Verhältnis in unsern öffentlichen
Galerien daheim zwischen modernen deutschen und
französischen Meistern herrscht."

Der Franzose: „Giebt es denn auch Meister
einer modernen deutschen Malerei?"

Der Deutsche: „Mein Herr Franzose, wissen
Sie, warum wir Sie notwendig früher oder später
schlagen müssen?"

Der Franzose: „Oh, nehmen Sie das nicht als
ausgemacht an. Sie werden sich irren. Aber sagen
Sie immerhin Ihren Gedanken."

Der Deutsche: „Weil wir euch gut kennen,
ihr aber von uns fast nichts wisst."

Der Franzose: „Ihr habt es eben nötig uns zu
kennen; wir brauchen von euch nichts zu wissen."

Der Deutsche: Dieser Krieg wird Sie eines
andern belehren. Wir essen unsere Feinde geistig
auf, möchte ich sagen. Wir ziehen aus Eurer Malerei
mehr Nutzen als ihr selbst es thut, wir kennen die
russische Literatur besser als das russische Volk, wir
entwickeln mit mehr Konsequenz als die Engländer
selbst die Ideen der bürgerlichen Baukunst in Eng-
land und wir mehren bei alledem täglich den eige-
nen geistigen Besitz, der, alles in allem, wohl grösser
ist als der eurige. Ohne eitel zu prahlen darf ich
sagen: wir verdauen die Geistesspeisen aus ganz
Europa, wir allein; darum wird sich aus unserm
Weltbürgertum, das uns bisher politisch hemmte,
nach diesem Krieg ein deutsches Europäertum
entwickeln, das uns zu Führern macht."

Der Franzose: „Wir waren schon Europäer
als ihr noch nicht einmal Deutsche wart."

Der Deutsche: „Ja, vor hundert Jahren. Jetzt
aber seid ihr nur noch Franzosen. Ihr lebt von der
Vergangenheit, wir von der Zukunft."

Der Franzose: „Die Zukunft! wie leicht kann
sie irre führen."

DerDeutsche: „Nichtden, dersienachseinem
eigenen Bilde gestaltet!"

ADOLF MENZEL, ZIERLEISTE

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