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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Wie unsere Kinder den Krieg sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0255

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DIE SCHLACHT BEI LAGARDE. ZEICHNUNG EINES SCHULERS DER OBER-TERTIA
FICHTE-GYMNASIUM, BERLIN

angeregt durch den Feldpostbrief eines Lehrers an die
Klasse, eine Verproviantierung gezeichnet, mit einer
deutlich ulkigen Note. Da ist die oft erwähnte
„Goulaschkanone" als Silhouette oder der Aufmarsch
der Deutschen und Russen an der Grenze, naiv wie ein
Fibelbild und alles hübsch nebeneinander: der General,
die Kanone, der Wodki, die Grenze und die Eisenbahn.
Die Begabung äussert sich an ganz verschiedenen
Punkten. In diesem Blatt „An der russischen Grenze"
ist sie in einigen der grossen Soldatengestalten, die
überraschend sicher aus dem Kopf gezeichnet sind. In
der „Verproviantierung" ist sie vor allem in der aus-
drucksvollen Silhouette des getroffenen Russen auf der
Höhe und in der vorwärts
gezerrten Kuh; in der
„Schlacht bei Lagarde" ist
sie in der ausgezeichneten
Raumwirkung der Land-
schaft. Es geht in vielen
Zeichnungen dieser Art
blutrünstig genug zu, aber
immer auch recht friedlich.
Es ist überall eine gewisse

Bleisoldatengrausamkeit.
Sehr oft mit einer humori-
stischen Note. Bei einigen
Schülern spürt man, dass sie

SCHÜLERZEICHNUNG, FICHTE-GYMNASIUM, BERLIN

vieles gesehen haben, Kunstausstellungen oder Repro-
duktionen. Hier und da tritt eine überraschend „flotte"
Sicherheit hervor, ein gewisser Anspruch auf Künstler-
tum. Das ist dann etwas fatal. Erfreulich ist es, dass
gewisse technische Verfahren, wie der Linoleumschnitt,
geübt werden. Hier berührt sich der Zeichenunterricht
mit dem Handfertigkeitsunterricht, mit der Handwerks-
lehre. Alles Handwerkliche aber kann gar nicht zu früh
und zu eifrig gepflegt werden. Im Fichte-Gymnasium
sind einige gut gelungene Proben solcher Übungen aus
der Friedenszeit vorhanden, Tierdarstellungen, Blumen
und anderes mehr. Jetzt aber herrscht dort, und auch wohl
an anderen Schulen, wo solche Übungen getrieben

werden, allein das Kriegs-
motiv. Man erkennt auchvor
diesen Kinderzeichnungen
wieder, wie sehr die Deut-
schen ein Volk in Waffen
sind, wie die Knaben den
künftigen Kriegerberuf in
ihren Lebensinstinkt auf-
genommen haben und wie
der beste Teil ihrer Roman-
tik mit der Wehrpflicht
schon bedeutungsvoll und
ahnend spielt.

K. Seh.

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