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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 6
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Klimsch, Reinhold: Ein Feldpostbrief aus dem Osten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0288

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RErNHOLD KUMSCH. IM UNTERSTAND

wir nicht mehr schiessen konnten (siehe Karte). Wir
hätten sonst unseren eigenen Schützengraben entlang
schiessen müssen: ausserdem war eine Umzingelung
zu befürchten, da wir eine ganz andere Front halten.
Wir sprangen also zurück und stellten uns in dem
Wäldchen rechts von der Strasse vor dem Dorfe auf
(h). Als wir das Feuer eröffneten, bogen die Russen
plötzlich links ab in unsern verlassenen Schützengraben
c, aus dem heraus sie das Feuer erwiderten. Jetzt
kam der Moment wo es galt. „Seitengewehr pflanzt
auf! Sprung auf Marsch, Marsch!"

Der dritte Zug (20 Mann) stürmte allein mit dem
Bajonett, da der Rest der Kompanie aus Graben a zur
Unterstützung noch nicht angekommen war. Kaum
waren wir aber jo bis 40 Meter vorgestürmt, als auch
schon die Russen mit hocherhobenen Händen aus dem
Schützengraben herausstiegen. Wir hörten auf zu laufen
und freuten uns schon, die gefangen zu haben, als
sie plötzlich wieder in den Graben hineinsprangen
und auf uns Ahnungslose ein mörderliches Feuer er-
öffneten. Neben mir stürzten gleich zwei Kameraden,
einer tot, einer schwer verwundet zu Boden. Einen
Augenblick stutzten wir noch und einige warfen sich
platt auf den Boden, dann gings aber mit Hurrah drauf
und einen habe' ich aufgespiesst. Jetzt begannen die
Russen zu fliehen, 10 etwa gaben sich gefangen, jo

nahm das L. I. R. bei der Verfolgung gefangen, das
etwas zu spät auf dem Schauplatz erschien. Leider
konnten wirkein richtiges Verfolgungsfeuer mehr geben,
denn es war mittlerweile dunkel geworden. Von den
Russen waren mindestens jo Mann gefallen, während
wir nur sechs Mann verloren. In der Nacht verschanzten
wir uns in dem Wäldchen b und sahen, dass auch die
Russen 700 Meter von uns einen doppelten Schützen-
graben (e und f) angelegt hatten. So lagen wir uns
acht Tage und Nächte lang gegenüber und jedesmal,
wenn auf der einen oder anderen Seite sich einer
blicken Hess, wurde gefeuert. Über unsere Köpfe weg
beschoss sich die Artillerie. Unsere Feldküche musste
eineinhalb Kilometer hinter der Front im Walde stehen,
so dass wir Verbindungsgräben graben mussten, in
denen das Essen in Eimern, Brot und Post heran-
geschafft werden konnte........Nach sieben Tagen

zogen wir bei Nacht stillschweigend aus der Stellung
ab, denn Hindenburgs Plan hatte sich dahin geändert,
dass er die Mitte zurückziehen (die Russen sollten uns
folgen) und die beiden Flügel herumklappen lassen
wollte. Wir ziehen jetzt kreuz und quer: eben liegen
wir schon wieder im Schützengraben, den zweiten
Tag, rechts von uns starkes Artilleriefeuer. Gestern
auf Patrouille haben wir (drei Mann) fünf freche
Russen erschossen die sich zu weit vorgewagt hatten.

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