drehen sich alle Spiele der Knaben um die Romantik
des Kampfes, um Streit und Sieg; jeder einzelne
Knabe will sich selbst empfinden lernen, will sich
zur Selbständigkeit und Selbstsicherheit empor-
wachsen fühlen. Was dem Mädchen die Puppe,
das ist dem Knaben die Waffe; wenn jenes die
Mutterschaft im Spiel schon ahnt, so nimmt dieser
den Kampf des Lebens im Spiel vorweg. Eben
jetzt sehen wir deutlich, wie dieses Kampfspiel un-
merklich in den Ernst übergeht. Es dringt in die
Schule, in die Turnstunde; von einem gewissen
Alter an versammeln sich die Knaben auf dem
Schulhof und machen, unter dem Kommando der
Lehrer, soldatische Exerzitien; die noch älteren Jahr-
gänge erhalten Soldatenmützen und ziehen regel-
mässig aufs Feld oder in den Wald zu Marschproben
und Felddienstübungen oder sie empfangen Instruk-
tionen , die sie auf den Kriegerberuf des Mannes
sehr ernsthaft vorbereiten. Es ist nun aber nicht so,
dass die seit einem Jahrhundert in Deutschland ge-
übte und zur Gewohnheit gewordene allgemeine
Wehrpflicht das Soldatenspiel hervorgerufen hat.
Sic hat es gefördert und ihm bestimmte Formen
gegeben; grundsätzlich aber lässt sich sagen, dass
umgekehrt dem Kriegerwesen des Mannes, dem
Soldatentum unseres ganzen Volkes in Waffen, jener
kämpferische Knabeninstinkt zugrunde liegt und
dass dieser Instinkt in der allgemeinen Wehrpflicht
der Deutschen nur seine höchste und konsequenteste
Ausbildung erfahren hat. Wenn das Leben im über-
setzten und oft auch im unmittelbaren Sinne ein
Kampfund jeder Mann in diesem Bezug ein Lebens-
kämpfer ist, und wenn der Instinkt hiefür dem
Manne eingeboren ist und sich im frühesten Kindes-
alter schon äussert, so legitimiert sich die allgemeine
Wehrpflicht nicht als staatlicher Zwang, wie unsere
Feinde glauben machen wollen, sondern vielmehr
als die kunstvolle Organisation eines allgemeinen
Urtriebes. Sie ist denn auch in der That das Grie-
chische in unserem Kriegerstaat, sie ist eine modern
gewordene antikische Staatsidee. Da diese Idee nun
auf die Spiele unserer Kleinen wieder zurückstrahlt,
so kommt es, dass sich auch über ihre Kriegsspiele
etwas wie ein Abglanz von jenem Griechentum
breitet, das jeder Deutsche mehr oder weniger sehn-
süchtig mit der Seele sucht. Es scheint, äusserJich
angesehen, recht grotesk, in den Spielen der blassen,
mageren Proletarierkinder Griechengeist zu suchen
und an die schöne Nacktheit der Antike, an Sparta
und Athen zu denken, wenn in den dunklen Strassen-
schächten der Grossstadt die kümmerlich gekleide-
ten und schlecht ernährten kleinen Gestalten mit
Helm, Gewehr, Säbel und Fahne singend oder im
Tumult eines Scheinkampfes daherkommen. Aber
selbst die Unnatur der Grossstadt vermag den Funken
des ewigen Menschentums, der mit jedem Kinde
neu geboren wird, nicht zu ersticken. Noch immer
lebt mit jeder Kinderzeit, in welcher Umwelt sie
sich auch entfalte, ein neues Heroentum auf; noch
immer ist es im Grunde die Romantik des Heldi-
schen, was den Knaben zum Kriegsspiel treibt, wie
die Romantik des Empfangens, Gebarens und Be-
hütens, die Romantik der Mutterschaft das Mädchen
zur Beschäftigung mit der Puppe und, in dieser wil-
den Kriegszeit, zur Nachahmung der Barmherzigen
Schwester anhält. Wenn Nietzsche einmal mit
seinem schönen Ernst mahnt: „lass den Helden in
dir nicht sterben!", so kann man beruhigend darauf
sagen, mit einem Hinweis auf die Jugend: der Held
kann gar nicht sterben in einem Volke, solange uns
gesunde Kinder geboren werden. Jeder Knabe ist
in seiner Phantasie ein heiliger Georg, ein Sieger
und ein Eroberer, wenn wir sorgen, dass er gesund
ist und bleibt. Nicht sentimental besorgt sollen wir
sein, sondern in jenem Sinne, den Montaigne meinte
als er schrieb: „Die natürliche Liebe macht die
weisesten Eltern zu zärtlich und weich, der Kinder
Fehler zu züchtigen oder sie hart, wie es sein muss,
und unter Gefahren aufziehen zu sehen. Sie ertragen
es nicht, wenn das Kind mit Staub bedeckt von
seinen Übungen zurückkehrt, wenn es heiss oder
zu kalt trinkt; sie können es nicht auf einem wider-
spenstigen Pferd... oder die Büchse abfeuern sehen."
Hart und unter Entbehrungen, kämpfend, soll der
Knabe aufwachsen, aber er soll in einem gut ge-
lüfteten Raum schlafen, ausreichend essen und in
der frischen Luft freier Natur sich tummeln. Das
zu ermöglichen wird eine der wichtigsten Aufgaben
des Staates nach dem Frieden sein. Gelingt es den
Deutschen, diesem Volk von Kriegern und Siegern,
die Nation in diesem Sinne spartanisch gesund zu
erhalten und die schon angekränkelten Teile wieder
gesund zu machen, so dass ein Zeichner der wahren
Erscheinung nach einigen Jahrzehnten nicht mehr
die Merkmale des Proletarischen in den kleinen
Kriegergestalten zu betonen braucht, dann wird der
heroische Geist der Knaben auch im Mannesalter nie
verschwinden und das ganze Volk dauernd von innen
heraus, in Krieg und Frieden, mit einer Helden-
haftigkeit erfüllen, wie sie sich jetzt mit pracht-
vollem Schwung in dem grössten Schlachtenspiel
der Weltgeschichte offenbart.
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des Kampfes, um Streit und Sieg; jeder einzelne
Knabe will sich selbst empfinden lernen, will sich
zur Selbständigkeit und Selbstsicherheit empor-
wachsen fühlen. Was dem Mädchen die Puppe,
das ist dem Knaben die Waffe; wenn jenes die
Mutterschaft im Spiel schon ahnt, so nimmt dieser
den Kampf des Lebens im Spiel vorweg. Eben
jetzt sehen wir deutlich, wie dieses Kampfspiel un-
merklich in den Ernst übergeht. Es dringt in die
Schule, in die Turnstunde; von einem gewissen
Alter an versammeln sich die Knaben auf dem
Schulhof und machen, unter dem Kommando der
Lehrer, soldatische Exerzitien; die noch älteren Jahr-
gänge erhalten Soldatenmützen und ziehen regel-
mässig aufs Feld oder in den Wald zu Marschproben
und Felddienstübungen oder sie empfangen Instruk-
tionen , die sie auf den Kriegerberuf des Mannes
sehr ernsthaft vorbereiten. Es ist nun aber nicht so,
dass die seit einem Jahrhundert in Deutschland ge-
übte und zur Gewohnheit gewordene allgemeine
Wehrpflicht das Soldatenspiel hervorgerufen hat.
Sic hat es gefördert und ihm bestimmte Formen
gegeben; grundsätzlich aber lässt sich sagen, dass
umgekehrt dem Kriegerwesen des Mannes, dem
Soldatentum unseres ganzen Volkes in Waffen, jener
kämpferische Knabeninstinkt zugrunde liegt und
dass dieser Instinkt in der allgemeinen Wehrpflicht
der Deutschen nur seine höchste und konsequenteste
Ausbildung erfahren hat. Wenn das Leben im über-
setzten und oft auch im unmittelbaren Sinne ein
Kampfund jeder Mann in diesem Bezug ein Lebens-
kämpfer ist, und wenn der Instinkt hiefür dem
Manne eingeboren ist und sich im frühesten Kindes-
alter schon äussert, so legitimiert sich die allgemeine
Wehrpflicht nicht als staatlicher Zwang, wie unsere
Feinde glauben machen wollen, sondern vielmehr
als die kunstvolle Organisation eines allgemeinen
Urtriebes. Sie ist denn auch in der That das Grie-
chische in unserem Kriegerstaat, sie ist eine modern
gewordene antikische Staatsidee. Da diese Idee nun
auf die Spiele unserer Kleinen wieder zurückstrahlt,
so kommt es, dass sich auch über ihre Kriegsspiele
etwas wie ein Abglanz von jenem Griechentum
breitet, das jeder Deutsche mehr oder weniger sehn-
süchtig mit der Seele sucht. Es scheint, äusserJich
angesehen, recht grotesk, in den Spielen der blassen,
mageren Proletarierkinder Griechengeist zu suchen
und an die schöne Nacktheit der Antike, an Sparta
und Athen zu denken, wenn in den dunklen Strassen-
schächten der Grossstadt die kümmerlich gekleide-
ten und schlecht ernährten kleinen Gestalten mit
Helm, Gewehr, Säbel und Fahne singend oder im
Tumult eines Scheinkampfes daherkommen. Aber
selbst die Unnatur der Grossstadt vermag den Funken
des ewigen Menschentums, der mit jedem Kinde
neu geboren wird, nicht zu ersticken. Noch immer
lebt mit jeder Kinderzeit, in welcher Umwelt sie
sich auch entfalte, ein neues Heroentum auf; noch
immer ist es im Grunde die Romantik des Heldi-
schen, was den Knaben zum Kriegsspiel treibt, wie
die Romantik des Empfangens, Gebarens und Be-
hütens, die Romantik der Mutterschaft das Mädchen
zur Beschäftigung mit der Puppe und, in dieser wil-
den Kriegszeit, zur Nachahmung der Barmherzigen
Schwester anhält. Wenn Nietzsche einmal mit
seinem schönen Ernst mahnt: „lass den Helden in
dir nicht sterben!", so kann man beruhigend darauf
sagen, mit einem Hinweis auf die Jugend: der Held
kann gar nicht sterben in einem Volke, solange uns
gesunde Kinder geboren werden. Jeder Knabe ist
in seiner Phantasie ein heiliger Georg, ein Sieger
und ein Eroberer, wenn wir sorgen, dass er gesund
ist und bleibt. Nicht sentimental besorgt sollen wir
sein, sondern in jenem Sinne, den Montaigne meinte
als er schrieb: „Die natürliche Liebe macht die
weisesten Eltern zu zärtlich und weich, der Kinder
Fehler zu züchtigen oder sie hart, wie es sein muss,
und unter Gefahren aufziehen zu sehen. Sie ertragen
es nicht, wenn das Kind mit Staub bedeckt von
seinen Übungen zurückkehrt, wenn es heiss oder
zu kalt trinkt; sie können es nicht auf einem wider-
spenstigen Pferd... oder die Büchse abfeuern sehen."
Hart und unter Entbehrungen, kämpfend, soll der
Knabe aufwachsen, aber er soll in einem gut ge-
lüfteten Raum schlafen, ausreichend essen und in
der frischen Luft freier Natur sich tummeln. Das
zu ermöglichen wird eine der wichtigsten Aufgaben
des Staates nach dem Frieden sein. Gelingt es den
Deutschen, diesem Volk von Kriegern und Siegern,
die Nation in diesem Sinne spartanisch gesund zu
erhalten und die schon angekränkelten Teile wieder
gesund zu machen, so dass ein Zeichner der wahren
Erscheinung nach einigen Jahrzehnten nicht mehr
die Merkmale des Proletarischen in den kleinen
Kriegergestalten zu betonen braucht, dann wird der
heroische Geist der Knaben auch im Mannesalter nie
verschwinden und das ganze Volk dauernd von innen
heraus, in Krieg und Frieden, mit einer Helden-
haftigkeit erfüllen, wie sie sich jetzt mit pracht-
vollem Schwung in dem grössten Schlachtenspiel
der Weltgeschichte offenbart.
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