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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 11
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Mayer, August Liebmann: Notizen zu Rembrandts Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0527

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brandts, vom Jahre 1654. Äusserlich betrachtet
in beiden Fällen das gleiche Motiv; aber inner-
lich wie verschieden! Bei Rubens lediglich äussere
Aktivität, ein Betonen grösster Lebendigkeit, blü-
hendster Munterkeit, ein wahrhaft animalisches
Behagen. Auf das sprühende Leben dieser Finger
scheint das ganze Bild aufgebaut zu sein. Bei dem
„Six" dagegen eine geheimnisvolle, ganz wunder-
bare innere Beziehung zwischen Augen und Hän-
den, die Thätigkeit der Hände wirkt fast sym-
bolisch: ein sich Rüsten, sich Fertigmachen, in
ruhiger Überlegung zu einem sicheren klaren Ent-
schluss gelangen. Es giebt in der ganzen Malerei
wenig Händepaare, die einen so packenden, un-
vergesslichen Eindruck hervorrufen wie dieses des
Jan Six.

Ich könnte noch, als Beispiel für eine andere
Art von Rembrandts Kunst, das seelische Leben in
immer vollendeter Weise durch einfachste künst-
lerische Formverbesserungen wiederzugeben, die
Hände und Augen der Dame mit dem Fächer
im Buckinghampalast mit denen der Hendrickje
Stoffels am Fenster im Berliner Kaiser Friedrich-
Museum (um 1658/59) miteinander vergleichen,
doch sei die Ausführung dem Leser selbst über-
lassen. Ich möchte dagegen zum Schluss die sym-
bolische Bedeutung der Hände bei dem späten
Rembrandt noch etwas näher beleuchten, von der
eben bei dem Sixporträt schon kurz die Rede
war: Auffallend grosse Hände finden wir gerade
bei drei Werken, wo die symbolische Bedeutung
ganz klar zutage liegt: „Jakob ringt mit dem
Engel" im Berliner Kaiser Friedrich-Museum, bei

der „Judenbraut" und vor allem bei der „Rück-
kehr des verlorenen Sohnes" in der Petersburger
Eremitage. Welche Sprache könnte erschütternder,
ergreifender sein, als die der beiden Hände dieses
verzeihenden Vaters?

*
Dass alle die hier kurz erörterten Dinge nicht
etwa nur ein ästhetisches Interesse haben, son-
dern auch für die reine Bildkritik von grösster
Wichtigkeit sind, mag eine Anwendung dieser
Beobachtungen auf das viel diskutierte Gemälde
„Christus und die Ehebrecherin", das aus der
Sammlung Weber nach Amerika gelangt ist, be-
weisen. Das Bild, das von denen, die es für einen
Rembrandt halten, in die Zeit um 1650 gesetzt
wird, zeigt eine Flächenfüllung, die gar nicht mit
der bei Rembrandt üblichen zusammengeht und
sich auch nicht kurzweg mit seinem venezianischen
Vorbild erklären lässt. Vor allem aber ist die
herausgreifende Hand des Alten für die Zeit, in
der das Bild von Rembrandt gemalt sein müsste,
höchst befremdlich; man vergleiche einmal damit
die entsprechende Hand auf dem um 1650 ent-
standenen Gemälde mit der Geschichte von Josefs
Rock in der Petersburger Eremitage, die mehr ge-
senkt ist und viel flächiger wirkt. Man vergleiche
auch die ineinander gelegten Hände Christi mit
dem von uns weiter oben angeführten Beispiel,
um zu erkennen, wie überaus lahm die Hände
hier behandelt sind; und in der Behandlung der
Augen macht sich ganz verschiedene Auffassung
bemerkbar, Unstimmigkeiten und Unsicherheiten,
wie sie beiRembrandt selbst nie zu konstatieren sind.

REMBRANDT, ZEICHNUNG

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