die Schilderung des Lebens und der künstlerischen
Entwickelung von Schick hinausragt. Gelegentliche
knappe Exkurse erfassen in höchst geschickter Weise
das einzelne als Symptom der allgemeinen Bewegung
und führen von der gesonderten Leistung des trotzdem
im Mittelpunkte bleibenden Malers zu überlegenden
Beurteilungen der künstlerisch-literarischen Umwelt,
in der Schick heimisch war. Solche Bemühungen werden
durch die vortreffliche nicht zaghaft am biographischen
Schema entlangkletternde Disposition der Arbeit unter-
stützt. Aus dem keineswegs aufregenden Bericht des
Schickschen kurzen Lebenslaufes, der in Stuttgart
begann und endete, ergebnislose Studienjahre in Paris
und eine nicht zur völligen Unabhängigkeit sich durch-
ringende Thätigkeit in Rom einschliesst, erwächst eine
kritisch gelungene Darstellung seines Wirkens vor allem
in seinen Beziehungen zu jener unerfreulichen durch
die Herrschaft theoretischer Anweisungen des leben-
digen Gefühls beraubten Sondergruppierung des Klassi-
zismus, welche die älteren kunstgeschichtlichen Hand-
bücher anspruchsvoll an die Spitze der deutschen Kunst
des neunzehnten Jahrhunderts gestellt haben.
Eine Erwähnung des Schickschen Bildes „Christus
erblickt im Traume das Kreuz" findet sich in einem
Briefe Friederike Bruns an Matthisson, Liter. Nachlass
II, 38.
*
Hermann Burg, Der Bildhauer Franz Anton
Zauner und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte
des Klassizismus in Österreich. Herausgegeben vom
K. K. Ministerium für Kultus und Unterricht. Mit zehn
Tafeln und siebzig Abbildungen im Texte. Wien 1915.
Kunstverlag A. Schroll und Co.
Seit dem Erscheinen der Hildebrandtschen Disser-
tation über Friedrich Tieck, dessen Verbindung mit
Weimar allerdings schon an sich Gelegenheit zu reiz-
voller Behandlung eines sonst recht trockenen Stoffes
bot, ist keine akademische Arbeit erschienen, die sich
an Bedeutung, Sachlichkeit, Resultat und Diktion mit
ihr vergleichen lässt bis zu diesem, in jeder Beziehung
rückhaltlos anzuerkennenden Buch von Burg über den
Meister des Denkmals Josephs II. in Wien. Wie diese
Monographie vor uns liegt, überschreitet sie auch äusser-
lich die Form der gegenwärtig üblichen und meist
schon durch die Überschrift sich als belanglos erweisen-
den „drei Druckbogen". Ein stattlicher Band in Gross-
oktav, mit gutem Druck und vorzüglichen Abbildungen,
korrekt und bescheiden, ein wenig reaktionär, der
Dissertation Alfred Gotthold Mayers über die lombar-
dischen Denkmale in Oberitalien, die vor mehr als
zwanzig Jahren erschienen ist, in Format und Aus-
stattung gleichend. Ebenfalls korrekt und bescheiden,
mit dem ein wenig zusehr abweisenden Maass von
Zurückhaltung geschrieben, dessen sich die Wiener
Schule grundsätzlich gerne befleissigt, peinlich genau
in jenen Kapiteln, die biographischen und kritischen
Gesichtspunkten untergeordnet sind, umsichtig und
persönlich in den anderen Abschnitten, welche die
Stellung Zauners in der Kunst seiner Zeit betreffen,
ist die Arbeit selbst zu bezeichnen. Das Verdienst,
das sich Burg erworben hat, indem er „aus der fast
undurchdringlichen Finsternis, in der das Leben Zauners
und seiner Kunstgenossen begraben lag" diesen vorzüg-
lichen Bildhauer des österreichischen Klassizismus zu
einer kunsthistorischen Würdigung aufrief, beschränkt
nicht etwa das Interesse auf Osterreich allein — wir
werden hoffentlich die politischen Grenzen von heute
nicht auf jene gewiss „reichsdeutsche" Kunst vor mehr
als hundert Jahren ausdehnen, was gesagt werden
muss —, wird sich vielmehr bald allgemeine Beachtung
erwerben insbesondre durch die prägnanten Ausfüh-
rungen über den klassizistischen Stil im allgemeinen.
Mit energischer Überzeugung stellt Burg an ihre Spitze
die These: „Niemals hat ein ästhetisches System eine
Kunst hervorgerufen". Kunst also hier im einschränken-
den Sinne für das Vollendete der Thätigkeit, nicht für
die Thätigkeit an und für sich. Ob das nach der alten
historischen Methode eine völlig richtige Auffassung ist
— nach Wölfflinschen Lehren gewiss —, mag verschie-
dentlich bestritten werden, schon weil es feststeht, dass
bestimmte Künstler in ihren Werken die praktische
Erfüllung ästhetischer Theorien darstellen (vergleiche
auch Justi über den Einfluss der Winckelmannschen
Lehre auf Thorwaldsen). In ausschlaggebender ent-
wickelungsgeschichtlicher Beziehung, welche die Kunst-
prinzipien gleichsam genealogisch ableitet, kann aller-
dings eine Kunst nicht theoretisch hervorgerufen, es
kann nur von entscheidenden Einflüssen solcherTheorien
gesprochen werden. Dadurch wird das Verhältnis
Winckelmanns zum Klassizismus in seiner Bedeutung ab-
geschwächt, was schon Schelling und Friedrich Schlegel
getan hatten (vergleiche mein Nachwort zu der von mir
herausgegebenen Auswahl der Winckelmannschen klei-
nen Schriften zur Kunst Seite 274, 275, wo ich den
gleichen Standpunkt vertrete wie Burg). Burg erklärt den
Klassizismus mit sicherer Logik aus den Prinzipien der
Barockkunst, aus gegensätzlichen Wandlungen, die in
den durch die Kunstlehren gewiesenen antiken Vor-
bildern die Verkörperungen eines neuen Stilwillens
finden. Gewiss sind diese Ansichten ebensowenig neu
wie die Wege zu ihnen zu gelangen, aber sie sind selten
so klar und bestimmt, ohne Drehen und Winden, ohne
wenn und aber gesagt worden. Gerade das Kapitel
„vom neuen Stil" entspricht ganz besonders den hohen
Erwartungen, welche sein Verfasser durch seineBerufung
auf den ewigen Kreislauf der Dinge (in der Einleitung
seines Buches) erweckt hatte. Solchen imponierenden
Zug trägt das ganze die ausgereifte Arbeit langjähriger
Studien und Erfahrungen aufweisende Buch.
Goethes äussere Erscheinung. Literarische
und künstlerische Dokumente seiner Zeitgenossen
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Entwickelung von Schick hinausragt. Gelegentliche
knappe Exkurse erfassen in höchst geschickter Weise
das einzelne als Symptom der allgemeinen Bewegung
und führen von der gesonderten Leistung des trotzdem
im Mittelpunkte bleibenden Malers zu überlegenden
Beurteilungen der künstlerisch-literarischen Umwelt,
in der Schick heimisch war. Solche Bemühungen werden
durch die vortreffliche nicht zaghaft am biographischen
Schema entlangkletternde Disposition der Arbeit unter-
stützt. Aus dem keineswegs aufregenden Bericht des
Schickschen kurzen Lebenslaufes, der in Stuttgart
begann und endete, ergebnislose Studienjahre in Paris
und eine nicht zur völligen Unabhängigkeit sich durch-
ringende Thätigkeit in Rom einschliesst, erwächst eine
kritisch gelungene Darstellung seines Wirkens vor allem
in seinen Beziehungen zu jener unerfreulichen durch
die Herrschaft theoretischer Anweisungen des leben-
digen Gefühls beraubten Sondergruppierung des Klassi-
zismus, welche die älteren kunstgeschichtlichen Hand-
bücher anspruchsvoll an die Spitze der deutschen Kunst
des neunzehnten Jahrhunderts gestellt haben.
Eine Erwähnung des Schickschen Bildes „Christus
erblickt im Traume das Kreuz" findet sich in einem
Briefe Friederike Bruns an Matthisson, Liter. Nachlass
II, 38.
*
Hermann Burg, Der Bildhauer Franz Anton
Zauner und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte
des Klassizismus in Österreich. Herausgegeben vom
K. K. Ministerium für Kultus und Unterricht. Mit zehn
Tafeln und siebzig Abbildungen im Texte. Wien 1915.
Kunstverlag A. Schroll und Co.
Seit dem Erscheinen der Hildebrandtschen Disser-
tation über Friedrich Tieck, dessen Verbindung mit
Weimar allerdings schon an sich Gelegenheit zu reiz-
voller Behandlung eines sonst recht trockenen Stoffes
bot, ist keine akademische Arbeit erschienen, die sich
an Bedeutung, Sachlichkeit, Resultat und Diktion mit
ihr vergleichen lässt bis zu diesem, in jeder Beziehung
rückhaltlos anzuerkennenden Buch von Burg über den
Meister des Denkmals Josephs II. in Wien. Wie diese
Monographie vor uns liegt, überschreitet sie auch äusser-
lich die Form der gegenwärtig üblichen und meist
schon durch die Überschrift sich als belanglos erweisen-
den „drei Druckbogen". Ein stattlicher Band in Gross-
oktav, mit gutem Druck und vorzüglichen Abbildungen,
korrekt und bescheiden, ein wenig reaktionär, der
Dissertation Alfred Gotthold Mayers über die lombar-
dischen Denkmale in Oberitalien, die vor mehr als
zwanzig Jahren erschienen ist, in Format und Aus-
stattung gleichend. Ebenfalls korrekt und bescheiden,
mit dem ein wenig zusehr abweisenden Maass von
Zurückhaltung geschrieben, dessen sich die Wiener
Schule grundsätzlich gerne befleissigt, peinlich genau
in jenen Kapiteln, die biographischen und kritischen
Gesichtspunkten untergeordnet sind, umsichtig und
persönlich in den anderen Abschnitten, welche die
Stellung Zauners in der Kunst seiner Zeit betreffen,
ist die Arbeit selbst zu bezeichnen. Das Verdienst,
das sich Burg erworben hat, indem er „aus der fast
undurchdringlichen Finsternis, in der das Leben Zauners
und seiner Kunstgenossen begraben lag" diesen vorzüg-
lichen Bildhauer des österreichischen Klassizismus zu
einer kunsthistorischen Würdigung aufrief, beschränkt
nicht etwa das Interesse auf Osterreich allein — wir
werden hoffentlich die politischen Grenzen von heute
nicht auf jene gewiss „reichsdeutsche" Kunst vor mehr
als hundert Jahren ausdehnen, was gesagt werden
muss —, wird sich vielmehr bald allgemeine Beachtung
erwerben insbesondre durch die prägnanten Ausfüh-
rungen über den klassizistischen Stil im allgemeinen.
Mit energischer Überzeugung stellt Burg an ihre Spitze
die These: „Niemals hat ein ästhetisches System eine
Kunst hervorgerufen". Kunst also hier im einschränken-
den Sinne für das Vollendete der Thätigkeit, nicht für
die Thätigkeit an und für sich. Ob das nach der alten
historischen Methode eine völlig richtige Auffassung ist
— nach Wölfflinschen Lehren gewiss —, mag verschie-
dentlich bestritten werden, schon weil es feststeht, dass
bestimmte Künstler in ihren Werken die praktische
Erfüllung ästhetischer Theorien darstellen (vergleiche
auch Justi über den Einfluss der Winckelmannschen
Lehre auf Thorwaldsen). In ausschlaggebender ent-
wickelungsgeschichtlicher Beziehung, welche die Kunst-
prinzipien gleichsam genealogisch ableitet, kann aller-
dings eine Kunst nicht theoretisch hervorgerufen, es
kann nur von entscheidenden Einflüssen solcherTheorien
gesprochen werden. Dadurch wird das Verhältnis
Winckelmanns zum Klassizismus in seiner Bedeutung ab-
geschwächt, was schon Schelling und Friedrich Schlegel
getan hatten (vergleiche mein Nachwort zu der von mir
herausgegebenen Auswahl der Winckelmannschen klei-
nen Schriften zur Kunst Seite 274, 275, wo ich den
gleichen Standpunkt vertrete wie Burg). Burg erklärt den
Klassizismus mit sicherer Logik aus den Prinzipien der
Barockkunst, aus gegensätzlichen Wandlungen, die in
den durch die Kunstlehren gewiesenen antiken Vor-
bildern die Verkörperungen eines neuen Stilwillens
finden. Gewiss sind diese Ansichten ebensowenig neu
wie die Wege zu ihnen zu gelangen, aber sie sind selten
so klar und bestimmt, ohne Drehen und Winden, ohne
wenn und aber gesagt worden. Gerade das Kapitel
„vom neuen Stil" entspricht ganz besonders den hohen
Erwartungen, welche sein Verfasser durch seineBerufung
auf den ewigen Kreislauf der Dinge (in der Einleitung
seines Buches) erweckt hatte. Solchen imponierenden
Zug trägt das ganze die ausgereifte Arbeit langjähriger
Studien und Erfahrungen aufweisende Buch.
Goethes äussere Erscheinung. Literarische
und künstlerische Dokumente seiner Zeitgenossen
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