Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0581
DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Schröder, Bruno: Griechische Gewandstatuen im alten Museum zu Berlin
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APHRODITE. MARMOR. FÜNFTES JAHRHUNDERT V. CHR.
VORDERANSICHT. ABB. 12.
APHRODITE.
MARMOR. FÜNFTES JAHRHUNDERT V. CHR.
RÜCKANSICHT. ABB. 13.
stärker betonten Zugfalten hin und her und lässt keine
leeren Stellen entstehen, wie sie noch bei der grossen
Aphrodite (Abb. 12 — 13) zu bemerken waren. Auch
sind leicht gehöhte Grate angedeutet, in denen man
früher die Liegefalten sah, die beim Zusammen-
legen und Aufbewahren des unbenutzten Stoffs
entstehen. Jetzt erklärt man sie als plastische Unter-
lage für das aufgemalte Muster. Der Künstler
will also stofflichen Charakter vortäuschen; darum
wird auch die Beobachtung, wie sich über dem
Boden der Rock staut und vorquillt, nicht unter-
drückt. Aber in diesem engen Anschluss an die
Natur, wieviel bewusste Kunst! Das scharfe Ober-
licht, in dem die Statue in der Rotunde des Museums
steht, unterstreicht die entscheidenden Linien durch
kräftige Schatten und macht es leicht, zu verfolgen,
wie Schultern, Ellenbogen, die rechte Hand, das
rechte Knie, die Füsse betont und durch Faltenzüge
miteinander verbunden sind; die senkrechten Steil-
falten an der linken Seite des Mädchens stehen im
absichtlichen Gegensatz zu der weichen Biegung des
Körpers und den rundlichen Faltenbögen, die auch
von der stramm gezogenen Falte zwischen der
rechten Hand und der linken Hüfte, sowie von
dem Mantelwulst über der Brust und von dem Saum
unter den Knien absichtlich hart durchschnitten
werden. Es fehlen auch nicht Spuren der Hand,
die am Modell einzelne Teile künstlich zurecht-
gelegt hat. Der Schatten hinter dem rechten Fuss
und der Knick über den Zehen des linken Fusses
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VORDERANSICHT. ABB. 12.
APHRODITE.
MARMOR. FÜNFTES JAHRHUNDERT V. CHR.
RÜCKANSICHT. ABB. 13.
stärker betonten Zugfalten hin und her und lässt keine
leeren Stellen entstehen, wie sie noch bei der grossen
Aphrodite (Abb. 12 — 13) zu bemerken waren. Auch
sind leicht gehöhte Grate angedeutet, in denen man
früher die Liegefalten sah, die beim Zusammen-
legen und Aufbewahren des unbenutzten Stoffs
entstehen. Jetzt erklärt man sie als plastische Unter-
lage für das aufgemalte Muster. Der Künstler
will also stofflichen Charakter vortäuschen; darum
wird auch die Beobachtung, wie sich über dem
Boden der Rock staut und vorquillt, nicht unter-
drückt. Aber in diesem engen Anschluss an die
Natur, wieviel bewusste Kunst! Das scharfe Ober-
licht, in dem die Statue in der Rotunde des Museums
steht, unterstreicht die entscheidenden Linien durch
kräftige Schatten und macht es leicht, zu verfolgen,
wie Schultern, Ellenbogen, die rechte Hand, das
rechte Knie, die Füsse betont und durch Faltenzüge
miteinander verbunden sind; die senkrechten Steil-
falten an der linken Seite des Mädchens stehen im
absichtlichen Gegensatz zu der weichen Biegung des
Körpers und den rundlichen Faltenbögen, die auch
von der stramm gezogenen Falte zwischen der
rechten Hand und der linken Hüfte, sowie von
dem Mantelwulst über der Brust und von dem Saum
unter den Knien absichtlich hart durchschnitten
werden. Es fehlen auch nicht Spuren der Hand,
die am Modell einzelne Teile künstlich zurecht-
gelegt hat. Der Schatten hinter dem rechten Fuss
und der Knick über den Zehen des linken Fusses
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