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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 1
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Scheffler, Karl; Ahlers-Hestermann, Friedrich; Eberlein, Kurt Karl: Hans Thoma: zu seinem achtzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0015

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HANS THOMA, BERNAUER BAUERNHAUS. 1858

der von seiner Zeit und Umwelt erzogene Mensch
unterliegt, die Welt der Erscheinungen von einem
bestimmten Punkt aus und mit Empfindungen, die
sich für eine ganz bestimmte Auffassung zwangs-
läufig haben entscheiden müssen, optisch aufzu-
nehmen; es ist der Instinkt dafür, dass nur der ein-
seitige Strom der Kräfte schöpferisch ist. Der Satz
Goethes, dass man in dem einen, was man recht
thut, alles thue, oder, weniger paradox gesprochen,
dass man in dem einen, was man recht thut, das
Gleichnis von allem sähe, was recht gethan wird,
lässt sich dahin umkehren, dass der Mensch, der
sich nicht entscheidet und vieles zugleich will,
eigentlich nichts ordentlich macht. Es ist gesagt
worden, der Impressionismus sei eine Welt-
anschauung. Damit ist gemeint, dass der Impres-
sionist einen festen Punkt wählen musste, von dem
aus er die ganze Welt der Erscheinungen anschauen
und werten konnte; und es ist damit gemeint, dass
der gewählte Punkt der war, auf den der moderne
Mensch von allen Kräften der Zeit mit innerer
Notwendigkeit hingewiesen worden ist. Es durfte

von einer Weltanschauung des Impressionismus ge-
sprochen werden, weil diese Weltanschauung nicht
willkürlich war, sondern schlechterdings ein
Schicksal.

Nimmt man das Wort nun weit genug, wendet
man es nicht ausschliesslich an auf eine verhältnis-
mässig kleine Malergruppe in Deutschland und
Frankreich, bezeichnet man damit überhaupt den
neuen, den schöpferischen Geist der Kunst im letz-
ten halben Jahrhundert, so erscheint Hans Thoma
keineswegs ausgeschlossen. Im Gegenteil, auch er
ist im wesentlichen ein Vertreter dieses Geistes,
dieser Weltanschauung. Wenn er es nicht ganz
und gar ist, wenn es oft scheinen konnte, als sei
er davon ausgeschlossen, oder als wolle er sich ab-
sichtsvoll davon ausschliessen, so giebt es dafür zwei
Ursachen. Zum ersten ist in Thomas Kunst ein
Element, das mit Weltanschauung oft verwechselt
wird, das ihr in Wahrheit aber nicht selten ent-
gegengesetzt ist. Es wird am besten mit dem Wort
Gesinnung bezeichnet. Gesinnung unterscheidet
sich von Weltanschauung vor allem dadurch, dass

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