Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Valentiner, Wilhelm Reinhold: Schicksale eines Bildes
DOI Artikel:
Kunstausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0147

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
beginnen die Wangen einzusinken. Hier umzog noch
eine volle Rundung das freilich schon unkindliche,
sorgenvolle Gesicht, in dem der nahende Kampf
der Seele mit körperlichem Elend ahnungsvoll an-
gedeutet ist.

Da die Versteigerung von dem bedeutendsten
Auktionshaus in NewYork, der Association American Art,
veranstaltet war und in einem der grössten Säle im Plaza
Hotel stattfand, musste ich fürchten, dass derRembrandt
nicht von mir allein erkannt worden war. Freilich war
zum Glück für mich das Bild in der süsslichen Manier
der Reynoldsschule, die manche Entstellung Rembrandt-
scher Bilder auf dem Gewissen hatte, übermalt worden.
Die dünnflüssige gerissene Farbe in dem künstlich ge-
glätteten Gesicht Hess eher an eine englische Fälschung
des achtzehnten Jahrhunderts denken. Von Restau-
rierungen bei Hauser in Berlin war mir jedoch bekannt,
wie leicht die spätere Schicht von der festeren des
siebzehnten Jahrhunderts losgelöst werden konnte.
Überdies war an den Händen, in den Locken und im
Gewand die Malweise Rembrandts noch untrüglich zu
erkennen.

Vor der Versteigerung schrieb ich an einen
Privatsammler und bekannten Juristen, der das ein-
flussreichste Mitglied der Ankaufskommission der
Gemäldegalerie war: ich würde einen Rembrandt, den
ich entdeckt zu haben glaubte, gern für mich erwerben,
zweifelte aber, ob es meine Mittel erlaubten; für den
Fall, dass das Bild nicht völlig unerkannt geblieben sei,
würde es mich freuen, wenn er das Gemälde für sich
erwerben würde. Mit der vornehmen Gesinnung, die
den gebildeten Amerikaner in Geldsachen auszeichnet,
erwiderte er mir, ich solle das Bild für mich nehmen,
wenn es für weniger als 3000 Dollars verkauft würde;
er werde mir das Geld vorstrecken. Ginge es höher,
so solle ich für ihn bis 10000 Dollars bieten. — Das
Bild brachte nur y 2 5: Dollars.

Ein Pariser Händler schickte mir am nächsten

Morgen seinen Restaurierer, der das Bild an einigen
Stellen von der Übermalung befreite. Die meisterlichen
Pinselstriche Rembrandts kamen herrlich zum Vor-
schein. Nun war kein Zweifel mehr; ich war im Besitz
eines Rembrandt.

Das Bild wanderte nach Berlin, wo Bode sich für
die Echtheit erklärte und später, nachdem es von
Hauser restauriert war, den Verkauf für mich ver-
mittelte. Hofstede de Groot, der treffliche Kenner
holländischer Quellen, stellte fest, dass mein Bild noch
unter Rembrandts Namen in einer der grössten hol-
ländischen Sammlungen in der ersten Hälfte des acht-
zehnten Jahrhunderts, bei Gerard Hoet im Haag, dann,
seit 1765 etwa im Besitz des Ratsherrn Winkler in
Leipzig war. Dort muss es auch Goethe gesehen haben,
als er als Student in dieser angesehenen Galerie zwei
kleine Landschaften Tieles radierte. Allerdings hatte
Goethe damals wie auch später nur wenig für Rembrandt
übrig: fiel ihm doch, als er von Leipzig aus die Dres-
dener Galerie besuchte, unter den Holländern niemand
mehr auf als der unbedeutende Kleinmaler Swanevelt.
Ein Schüler desselben Öser, bei dem auch Goethe stu-
dierte, Christoph Friedrich Wiegand, aber bildete auf
einem Aquarell, auf welchen einige Hauptwerke der
Sammlung Winkler wiedergegeben sind, auch das Titus-
bild Rembrandts ab. (Die Kenntnis von diesem Aqua-
rell im Stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig und
die photographische Aufnahme verdanke ich Herrn
Bibliothekar Göller in Mannheim*.) Wie die Abbildung
zeigt, war das Gemälde damals noch in den oberen
Ecken im Kreisbogen abgeschlossen. Vermutlich wurde
es von dem Engländer, der das Bild übermalte, oben
abgeschnitten, als er den Rahmen erneuerte und ihm
eine passende Grösse nicht zur Hand war.

* Prof. Graul hat zuerst in einer Sitzung der Freunde des
Kunstgewerbemuseums in Leipzig am 15. Dezember 1916 dar-
auf aufmerksam gemacht, dass in dem Aquarell Wiegand's eine
Darstellung des Titusbildes bei Dr. Lanz erhalten sei.

UNSTAUSSTELLÜNGEN

BERLIN
In der Galerie Ferdinand Moeller
waren graphische Arbeiten — vor-
nehmlich Radietungen - und auch
einige Bilder von Felix Meseck aus-
gestellt. Die Ausstellung bestätigt die Empfindungen
der Achtung, die Meseck sich in einigen Ausstellungen
der Freien Sezession schon zu erregen gewusst hat. Er
ist ein aufs Wesentliche gerichteter Geist; etwas
schwerblütig und vergrübelt, etwas prinzipienhaft,
aber auch ein sehr ernster Künstler und ein reinlich er-
zogenes Talent. Er berührt sich mit einigen andern be-

gabten Malern seiner Generation insofern, als er von
Corinth beeinflusst worden ist und zur Formromantik
Daumiers bewundernd hinüberblickt, als er zugleich
aber auch zur Strenge Hans von Marees' und Hodlers
hinneigt. Angestrengt sucht ein malerisch beobachten-
des Auge sich dem die Fläche deutlich gliedernden
Rhythmus zu unterwerfen. Dieses Streben ist so deut-
lich, dass die Verteilung der Körper zuweilen an ge-
wisse Darstellungen rhythmischer Gymnastik von
Jacques Dalcroze erinnert. Von Natur ist der Phantasie
Mesecks etwas Erregtes eigen, ein Zug von faustischer
Unrast; er zwingt seine Phantasie aber zu einer gewissen

136
 
Annotationen