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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 2
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Eine Plastik von August Renoir
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Kunstausstellungen
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ein Meisterwerk entstanden ist. Ein echter Renoir,
trotz der Beteiligung einer fremden Hand! Das
ganze lebendige Griechentum Renoirs, all seine Melo-
dik der Form und seine fleischlich sinnliche Anmut ist
in dieser herrlichen Gestalt. Unverkennbar ist der
Stempel der Renoirschen Form. Auch um diese
Gestalt ist jene Atmosphäre von Ruhe, Glück, Sonne
und Daseinsfreude, in der alle die Frauen und
Kinder des Renoirschen Pinsels leben; auch hier
ist das Unmittelbarste leicht und genial in Verbindung

gebracht mit der grossen französisch - romanischen
Tradition.

WirDeutsche können uns freuen, dass dieses wichtige
Werk zeitgenössischer Plastik in der Schweiz aufbewahrt
wird, wo man Renoir so herzlich liebt und wo es kaum
eine bedeutende Bildersammlung ohne schöne Werke
des Meisters giebt, und dass es, als ein Muster weiser
Formbeherrschung, im Garten eines unserer feinsten
Kunstfreunde den deutschen Künstlern zugänglich sein
wird. K. Sch.

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UNSTAUSSTELLUNGEN

BERLIN

Die Ausstellung im Kronprinzen-
Palais

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Im August ist die Ausstellung der
Naiionalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais er-
öffnet worden. Sie ist für den Leiter der Nationalgalerie
ein entschiedener Erfolg geworden. Die Ausstellung ist
besser besucht als die Nationalgalerie an ihren besten
Tagen, und Sonntags sind die Räume sogarzeitweise über-
füllt. Wer ein politisches Interesse daran hat, mag von
dem Anteil sprechen, den das Volk, wie es sich nun 'zeige,
an der Kunst nimmt, wenn ihm nur die rechte Gelegen-
heit geboten werde; und der unbedingte Anwalt des
Expressionismus mag triumphierend auf den Massen-
besuch weisen und von dem Sieg einer lebendigen,
volkstümlichen Kunst im neuen Volksstaat sprechen.
Der ruhige Beobachter, der niemandem zur Liebe und
niemandem zum Leide spricht, kann diesen Optimismus
leider nicht teilen. Er sieht zu deutlich, dass der Strom
der Besucher nicht sowohl von edler Wissbegier ge-
leitet wird als vielmehr von eitler Neugier. Die aller-
meisten wollen, um es kurz auszudrücken, wissen wie
„Kronprinzens" gewohnt haben, sie wollen dieselben
Treppen benutzen wie weiland Kaiserliche Hoheiten
und wollen durch die Fenster der Gesellschaftsräume
einmal zum Zeughaus und zur Neuen Wache hinüber-
sehen. Ist das geschehen, so wenden sie sich auch den
Bildern zu und gemessen die Sensation, wie revolu-
tionäre Malereien diese Stätte — je nach dem Stand-
punkt des Betrachters — weihen oder entweihen. Es
stimmt diese Beobachtung überein mit der Mitteilung,
die ein hier lebender amerikanischer Zeitungskorrespon-
dent neulich seiner Zeitung gemacht hat, dass nämlich
in dem angeblich politisch so sehr erregten Berlin nicht
ein nach links oder rechts orientiertes Parteiblatt die
höchste Auflage hat, sondern noch immer ein sogenanntes
parteiloses oder doch politisch ziemlich indifferentes
Blatt. Man möchte daraufschwören,dasszweiDrittelder
Ausstellungsbesucher Abonnenten dieser Zeitung sind.

Was dem Chronisten festzustellen noch schwerer
wird, ist die Thatsche, dass die Ausstellung — einerlei
ob bewusst oder instinktiv — für diese willenlose
Menge gemacht worden ist. Es ist eine Aufklärungs-
ausstellung, sie ergreift nicht Partei für bestimmte
Künstler und Kunstwerke, sondern sie will „orientieren",
sie hält es mit allen Richtungen. Im Parterre sind neu
erworbene Bilder von Karl Albrecht, Willi ter Hell,
Steppes und Zwintscher — zum Beispiel — ausgestellt;
und im oberen Stock werden dem Publikum Kokoschka,
Nolde, Heckel, Kirchner, Pechstein, Feininger und
andere Linksradikale vorgesetzt. Die Lücken, die sich
ergaben, sind mit reichlichen Leihgaben gefüllt. Man
zählt 37 geliehene Bilder, wenn man das ganze Nolde-
kabinett nicht mitzählt. Curt Hermanns Privatsammlung
ist rein ausgeplündert worden, um dem Publikum Neo-
impressionisten zeigen zu können. Das ist für eine
Ausstellung der Nationalgalerie ein seltsames Ver-
fahren. Aber selbst wenn man es gelten lässt, wird
man mit der Frage nicht fertig: was soll eigentlich diese
Ausstellung? wozu dient sie? Nach allem, was man
früher hörte, musste man annehmen, im Kronprinzen-
Palais sollten fortan die Werke der neuesten Malerei
gezeigt werden, die dem Bestände der Nationalgalerie
noch nicht fest eingefügt werden können, weil ihre
Qualität noch zu sehr umstritten ist, die Werke einer
noch ringenden, noch kämpfenden und noch bekämpften
Kunst; man dachte an eine Galerie der Jüngsten, an
eine Art von Fegefeuer für die Nationalgalerie, an
wechselnde Ausstellungen zum Teil erworbener, zum
Teil nur in Aussicht genommener Werke, die der Nation
noch Objekte tendenzvoller Debatten sind. Eine solche
Einrichtung hätte man sich gern gefallen lassen, obwohl
eine Notwendigkeit dafür in einer Stadt, wo der Kunst-
handel so viel Gelegenheit giebt, das Neueste kennen
zu lernen, nicht eben besteht. Statt dessen wird uns
lehrhaft eine Übersicht geboten. Im Erdgeschoss Ver-
treter der Glaspalastkunst, im ersten Stock Trübner,
Thoma und Liebermann, Corinth, Slevogt und die besten
Franzosenbilder der Nationalgalerie, und im oberen

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