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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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NEUE BUCHER

Buddhistische Plastik in Japan. Ein Textband
und ein Tafelband mit 245 Aufnahmen nach 1 1 y Kunst-
werken. Wien, Kunstverlag Anton Schroll & Co. 1919.

Band XI der „Forschungen des Kunsthistorischen
Instituts (Lehrkanzel Strzygowski) der Wiener Uni-
versität."

Wir sind sehr arm an brauchbaren Kunstbüchern
über die grosse Kunst des Ostens. Brauchbar, das heisst
wissenschaftlich zuverlässig und künstlerisch anschau-
lich in einem Atem. Kümmel hat über das japanische
Kunstgewerbe geschrieben. Etwas Allgemeines, ganz
Ausgezeichnetes über die Kunst Ostasiens stammt
von Curt Glaser. Von William Cohn besitzen wir,
ausser seiner,,Stilanalyse als Einführung in die japanische
Malerei", den vortrefflichen Aufsatz über die Bildnerei
der Nara-Periode in der hoffentlich bald zu neuem
Leben erblühenden ostasiatischen Zeitschrift; und dann
kommt, wenigstens für Menschen, die nicht Spezialisten
sind und es auch nicht werden wollen, schon das vor-
liegende Buch von K. With. *

Zum ersten Male ist hier die japanische Plastik einer
bestimmten Epoche, die des siebenten und des begin-
nenden • achten Jahrhunderts, in methodischer kunst-
wissenschaftlicher Forschung bearbeitet worden, so,
dass man nun auch als Laie Zugang zu diesen Herrlich-
keiten hat und nicht mehr, wie bisher, darauf angewiesen
ist, nach Zeitschriftenaufsätzen einzelnes zu ahnen und
sich mühsam hie und da ein paar Abbildungen auf den
wenigen Bibliotheken zusammenzusuchen, auf denen
die teuren japanischen Publikationen derKokka,Selected
Relics, Kokuho Gwajo, Nippon Seikwa, Shimbi Shoin
und andere vorhanden sind. Es wäre ungerecht, zu be-
haupten, der wesentlichste Wert der Withschen Arbeit
liege in ihren vorzüglichen Abbildungen. Beides, die
Reproduktionen und die Forschung, ist gleich wichtig.
Aber es muss doch gesagt werden, dass die zahlreichen
Abbildungen, denen die Aufnahmen des Verfassers zu-
grunde liegen, und besonders die vielen Detailauf-
nahmen von ein und demselben Werk (manchmal bis
zu einem Dutzend an der Zahl), ein bisher ebenso un-
bekanntes wie schmerzlich entbehrtes Material bringen,
das dem Laien eine ganze neue Welt von Schönheit ver-
mittelt, dem Stilforscher die etwa mangelnde Kenntnis
der Originale fast unfühlbar macht, und sogar den

* Für indische Kunst liegen die Dinge kaum anders. Ausser
dem sehr gut orientierenden Abschnitt in Woermanns Kunst-
geschichte (2. Aufl.) hat man nur die Aufsätze von William
Coljn, von Havell und von Coomaraswamy. Das grosse Kins-
bergensche Photographienwerk über Java ist sehr selten. Pleytes
Boröbudur entbehrt der Abbildungen und ist überhaupt rein
ikonographisch. Doch wird in nicht allzuferner Zeit ein
Künstlerbuch über indische Skulptur von William Cohn er-
scheinen. — Publikationen wie Hedwig Fechheimers ägyptische
fehlen sowohl für Indien wie für Ostasien.

Spezialisten manchmal eine Art von Überraschung
bereitet.

Das Werk birgt die Ergebnisse einer ostasiatischen
Studienreise Dr. Withs, die vom Wiener kunsthistori-
schen Institut, offenbar mit Unterstützung einiger Gön-
ner, veranstaltet wurde. Es sollte ursprünglich noch
weiter ausholen, als die vorliegende Fassung erkennen
lässt; doch der Krieg, der das Erscheinen des Buches
um einige Jahre verzögerte, zwang auch zu einer be-
trächtlichen Einschränkung der Erscheinungsform. So
konnte vom Text nur der beschreibende Teil gedruckt
werden, die rein ästhetische und stilgeschichtliche Unter-
suchung musste wegbleiben, und fand einen nur spo-
radischen Niederschlag in einigen Seiten der Einleitung
sowie einige ReflexeindenSchlussabsätzendereinzelnen
Kapitel. Aber dieser beschreibende Teil allein genügt
zur Not, um dem Studium des Abbildungsbandes die
nötige Erleuchtung an die Hand zu geben und die
wesentlichen Punkte der Stilfragen herauszuheben.
Zwar hätte man manchmal gern eine zusammenfassende
ästhetische Abhandlung, wenn man sich etwas müde
gelesen hat an den bisweilen sehr weitschweifenden
Einzelanalysen, die mit dem ganzen scharfen Rüstzeug
Wölfflinscher, Hildebrandscher und Strzygowskischer
Methode arbeiten und den letzten Rest von „Seminar"
noch nicht überwunden haben. Aber hin und wieder
trifft man dann doch auf rein anschauliche und gefühls-
mässige, menschliche Beobachtungen und Folgerungen
und freut sich, dass der Vater all dieser formalen Unter-
suchungen, der Däne Julius Lange, doch nicht umsonst
gelebt hat und dass man auch heute noch bei aller
exakten Formeinfühlung sich ein unverdorbenes Herz
bewahren kann.

Die Epoche, die With untersucht, ist kurz. Rund
ein Jahrhundert. Aber es ist ein langes Jahrhundert,
eines, in dem sehr viel passiert, eines, das man an
Reichtum und Bedeutung vergleichen könnte dem
griechischen Saeculum um Perikles herum oder dem
bewussten einen Jahrhundert, von dem man nie weiss,
ob es noch romanisch oder schon gotisch ist. Denn
damals, im siebenten Jahrhundert nach Christus, ver-
banden sich die verschiedensten künstlerischen Anschau-
ungen und bildhauerischen Richtungen in Japan zu
einem sehr fruchtbaren und imposanten Ganzen. Die
chinesische Torizeit der Suikoperiode mit ihrer streng
blockmässig gedachten Skulptur ist zeitlich kaum früher
als die „koreanische" Richtung, die das Rundprinzip
entdeckt hat und auch der reife Suikostil berührt sich
vielfach noch mit der grossartigen Repräsentation des
Hakuhostils, der etwa dem chinesischen Tang-Stil ent-
spricht und von ihm abhängt. Und ebenso wie zeit-
liche, lokale und provinzielle Gruppen durcheinander-

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