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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0190

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CHRONIK

STAATLICHES BAUWESEN

Der „Deutsche Werkbund" hat die folgende Eingabe,
die gleich erfreulich im Ton wie in der Tendenz ist, der
Preußischen Landesversammlung überreicht:

„Die bevorstehende, durch die Uberleitung der Eisen-
bahnen auf das Reich bedingte Auflösung des Preußischen
Ministeriums der Öffentlichen Arbeiten, gibt Veranlassung
zu einer grundsätzlichen Klarung der Frage des staatlichen
Bauwesens, an der entscheidend mitzuwirken der Deutsche
Werkbund sich deshalb berechtigt fühlt, weil er die un-
mittelbarste und sachkundigste Vertretung in künstlerischen
Dingen ist, ohne durch berufliche Sonderinteressen in seinem
Urteil beschränkt zu sein.

Die Ausführung der staatlichen Bauten erfolgt gegen-
wärtig fast ausnahmslos durch die Hochbauabteilung des
Ministeriums der Öffentlichen Arbeiten und deren nachge-
ordnete Provinzial- und Ortsinstanzen (Regierungspräsidenten
und Hochbauämter), d.h. durch staatliche Baubeamte.

Die Aufgaben der staatlichen Baubeamten verquicken
zwei Tätigkeiten miteinander: künstlerische Produktion und
Verwaltungsarbeit.

Die starke Begabung für das eine schließt ihrer Natur
nach die starke Begabung für das andere aus. Die Mischung
beider Begabungen in einer Person bedeutet also Halbheit
und Schwäche. Solche Mischnaturen mögen politisch brauch-
bar erscheinen, sind aber sachlich ungeeignet.

Solange beide Tätigkeiten, die künstlerische und die ver-
waltungsmäßige, vom staatlichen Baubeamten gefordert wer-
den, bleibt das öffentliche Bauwesen auf Halbnaturen ange-
wiesen und kann daher nur unschöpferisch sein.

Aus diesem Tatbestand, dessen unselige Wirkungen
vor aller Augen stehen, ergeben sich die nachstehenden
Folgerungen:

Da Staat Verwaltung ist, hat die Auswahl der Beamten,
also auch der Baubeamten, nach ihrer Befähigung für den
Verwaltungsdienst zu erfolgen und ihre Aufgabe ist auf das
Gebiet der reinen Verwaltung (Grundstücks- und Hausver-
waltung, Rechnungswesen, Bauaufsicht und -prüfung, Bau-
polizei usw.) zu beschränken.

Für die künstlerische Bearbeitung der staatlichen Bau-
aufgaben dagegen, für die Aufstellung von Entwürfen sind
jeweils die besten Kräfte des Faches aus der Gesamtheit der
freien Architektenschaft nach Maßgabe der Leistung heran-
zuziehen. — Für die künftige Organisation des staatlichen
Bauwesens ergibt sich hieraus folgender praktische Vor-
schlag:

Für die Verwaltung der Bauten soll jede Zentralinstanz
innerhalb ihres Ressorts eine beschränkte Anzahl von Bau-
beamten beschäftigen, deren Tätigkeit ausschließlich auf die
oben näher benannten Gebiete begrenzt bleibt. Für die Pro-
vinzial- und Ortsbehörden kann mit der gleichen Beschrän-
kung auf das rein Verwaltungsmäßige die bisherige dezentrali-

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