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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 10
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Oldenbourg, Rudolf: Genelli und Kaulbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0472

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„ALLGEM. ZEITUNG*'

„REZENSENTEN-CHOR"

„PUBLIKUM"

GENELLI UND KAULBACH

VON

RUDOLF OLDENBOURG

Seit dem endgültigen Verlust der gewaltigen
barock-klassizistischen Handwerkstradition, die
selbst dem geringen Talent Haltung geboten und
es in den ihm angemessenen Zusammenhang er-
sprießlich eingeordnet hatte, hat die persönliche
Verantwortlichkeit des Künstlers eine neue Be-
deutung gewonnen. Der Mangel an gemeinsamer
Bindung, die allein durch Religion, durch irgend
eine Gemeinschaft metaphysischer Anschauungen
zu denken wäre, stößt jeden einzelnen, — sofern
er sich als Künstler behaupten will — in einen
harten, entsagungsvollen Daseinskampf, nötigt ihn,
werbend und abwehrend für seine Überzeugung
einzutreten und gönnt ihm selten ein Durchdringen
zu ungeteilter Anerkennung, da es an widersprechen-
den Erscheinungen nie fehlt und der Afterkunst
(als Mitläufer oder paradoxem Bluff) mangels ein-
heitlicher Urteilsnormen reichlicher Vorschub ge-
leistet wird. Verloren ist der gesunde, fördernde

Zwang, mit dem einst die Nachfrage eines un-
verbildeten Publikums und die Wünsche der Herr-
schenden dem künstlerischen Schaffen eindeutig
seinen Weg wiesen, und in dem Chaos einer ent-
götterten Welt wird die Berufung des Künstlers
je tiefer sie reicht, um so qualvoller angefochten.

In der erlauchten Schar deutscher Künstler des
vergangenen Jahrhunderts, die in unverbrüchlicher
Treue gegen sich selbst als „sehnsuchtsvolle Hunger-
leider" sich durchs Leben härmen mußten, gebührt
— weniger in Ansehung des Talentes als der Ge-
sinnung — Bonaventura Genelli ein Ehrenplatz.
Dreißig Jahre unermüdlichen Schaffens, steter, de-
mütigender Enttäuschung und darbender Armut
vermochten nicht, den Glauben an sein Ideal zu
erschüttern. Freilich konnte Genellis Begabung
auf keinen Fall den ihr zustehenden Erfolg zeitigen,
da es ihr an der Kontrolle eines zielbewußten
Willens mangelte, der sie fruchtbringend auf ihr

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