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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 12
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0567

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STILBLÜTEN

Die Zeichen mehren sich, daß wir uns der reinen psy-
chologisch-ästhetisch-analytischen Künstlerbetrachtung nicht
mehr allzu lange erfreuen werden. Es wird Zeit an den
Nachruf zu denken und daran zu erinnern, was sie uns,
was sie sich geleistet hat, hier einige Blätter zum Kranze:

„BEITRÄGE ZUR ÄSTHETIK":

„Was die vom Publikum des geistlichen Schauspiels
empfangenen Gesichtseindrücke betrifft, ist noch zu bemerken,
daß sie durch Bewegung sich von den Werken bildender
Kunst unterschieden, und daß sie in demselben Zeitpunkt
nicht für alle gleich waren, insofern die einen denselben
Schauspieler von vorne, die andern von der Seite, die dritten
von rückwärts erblickten, oder auch für den einzelnen aus
dem Publikum, wenn er auf seinem Platz blieb, im Ver-
lauf des Stücks nicht gleichblieben, wenn die Szene näher
oder ferner von ihm spielte, ihre Gruppen bald mit der
Front, bald mit der Seite, bald mit dem Rücken gegen ihn
gekehrt waren."

„AUS DER ÄSTHETISCHEN GESELLSCHAFT":
„Der menschliche Körper ist aufzufassen als ein bilateral-
symmetrisches Gebilde. Dies spricht sich ästhetisch bei der
Tracht darin aus, daß eine in der Mitte vertikal herablaufende
Knopfreihe den Oberkörper in zwei kongruente Hälften teilt,
was im untern Teil als eine Naturnotwendigkeit erscheint".

MÜNCHENER SEMINAR:

La kermesse Flamande von Rubens: „Bei den Liebes-
paaren nimmt man ein Durcheinanderschaukeln der Be-
wegungsachsen im Sinne des Ineinanderdrängens wahr".

Analyse von Böcklins Satyrn: „Seit dem siebzigsten Jahr
kommt dem Schwanz bei Böcklin nur mehr dekorative
Bedeutung zu".

WIENER COLLOQUIUM:

Der Hofrat: „Warum sind am Palais des Prinzen Eugen
die Horizontalen so stark betont?"

Doktorandin: „. .. . ? vielleicht der Repräsentation wegen?"

Der Hofrat: „Nein, sondern um in der engen Himmel-
pfortgasse schlanker zu wirken".

Doktorandin: (Stimme von innen) „Aber Herr Hofrat,
macht nicht gerade langgestreift schlank3" —

„Kunstwerke oder gar Künstler, die wir kennen, beein-
flussen unsere Vorstellungen in dieser oder jener Richtung.
Es wäre selbst der Fall denkbar, daß Kunsthistoriker durch
deren Wertung auf dem Kunstmarkt in ihrem Urteil be-
stimmt wurden. Zu a priori wissenschaftlich objektiven Ur-
teilen wird man hingegen über Künstler und Kunstwerke
nur gelangen können, wenn man sie gar nicht kennt".

SCHLUSSVIGNETTE:

„Darum ist Manuel ein hochwichtiger Künstler für die
Schweiz nicht nur, sondern auch für die weitere Kunst-
geschichte. Für sein Vaterland aber noch insbesondere,
weil er der erste eingeborene bedeutendere Sohn der Göttin
der Kunst ist, welcher um die starren, kalten Eisspitzen
den warmen, immergrünenden Lorbeer schlang".

ACHTZEHNTER JAHRGANG, ZWÖLFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 13. AUGUST. AUSGABE AM 1. SEPTEMBER NEUNZEHN-
HUNDERTZWANZIG. REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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