DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:Ring, Grete: Der Kunstliterat
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0276
EL GRECO, DER HEILIGE MAURITIUS. AUSSCHNITT
EL ESCORIAL
DER KUNSTLITERAT
VON
grete ring
Als die Kunstgeschichte begann, sich als selbst-
XjL ständige Wissenschaft aus der allgemeinen
ästhetischen Betrachtung loszulösen, war ihre Ten-
denz eine betont historische. Bald jedoch sprengte
das kunstgeschichtliche Material die Bindungen
einer nur urkundlich-kritischen Behandlung: beim
Sichten und Einordnen der Denkmale mußte der
Forscher wieder dazu kommen, nach dem künst-
lerischen Wert des einzelnen Objektes zu fragen.
Zu solcher Wertung war ein bestimmter Maßstab
notwendig. Die Kunstgeschichte bedurfte von neuem
einer normenprägenden ästhetischen Theorie. Der
entwickelte historische Sinn hatte besondere Freude
daran, die aus der einen Periode gewonnenen Er-
fahrungen auf die andere anzuwenden; in stetem
Beziehen des Einzelobjektes auf das Gesamtphäno-
men der vergangenen Kunstübung entging die
Kunstgeschichte glücklich der Gefahr, in mecha-
nisch-antiquarischemNotizensammeln zu versanden.
Die „exakte" Kunstwissenschaft seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts hatte ihr Interesse nahezu
ausschließend der Kunst der Vergangenheit zu-
gewandt, die lebende Kunst wurde von ihren
Trägern nicht beachtet oder nur mit dem Gefühl
265
EL ESCORIAL
DER KUNSTLITERAT
VON
grete ring
Als die Kunstgeschichte begann, sich als selbst-
XjL ständige Wissenschaft aus der allgemeinen
ästhetischen Betrachtung loszulösen, war ihre Ten-
denz eine betont historische. Bald jedoch sprengte
das kunstgeschichtliche Material die Bindungen
einer nur urkundlich-kritischen Behandlung: beim
Sichten und Einordnen der Denkmale mußte der
Forscher wieder dazu kommen, nach dem künst-
lerischen Wert des einzelnen Objektes zu fragen.
Zu solcher Wertung war ein bestimmter Maßstab
notwendig. Die Kunstgeschichte bedurfte von neuem
einer normenprägenden ästhetischen Theorie. Der
entwickelte historische Sinn hatte besondere Freude
daran, die aus der einen Periode gewonnenen Er-
fahrungen auf die andere anzuwenden; in stetem
Beziehen des Einzelobjektes auf das Gesamtphäno-
men der vergangenen Kunstübung entging die
Kunstgeschichte glücklich der Gefahr, in mecha-
nisch-antiquarischemNotizensammeln zu versanden.
Die „exakte" Kunstwissenschaft seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts hatte ihr Interesse nahezu
ausschließend der Kunst der Vergangenheit zu-
gewandt, die lebende Kunst wurde von ihren
Trägern nicht beachtet oder nur mit dem Gefühl
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