Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

DOI issue:
Heft 12
DOI article:
Scheffler, Karl: Max Klinger
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0530

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MAX KLINGERv

VON

KARL SCHEFFLER

In den ersten Tagen des Juli ist Max Klinger
im Alter von dreiundsechzig Jahren gestorben.
Was die Deutschen von ihm halten und wie
sie ihn schätzen, hat sich deutlich gezeigt, als die
Todesnachricht bekannt wurde; es ist dem Künstler
aber auch schon bei Lebzeiten in jeder Weise ge-
sagt worden, er hat während der letzten Jahr-
zehnte im hellen Lichte des Ruhmes gearbeitet.
Vor drei Jahren erst ist er laut gefeiert worden,
als er sein sechzigstes Jahr vollendete. Bei dieser
Gelegenheit habe auch ich an anderer Stelle einige
Seiten über ihn geschrieben. Da ich es heute
nicht besser sagen könnte, wiederhole ich das damals
Gesagte.

Wie das Verhältnis unserer besten Künstler zu
Max Klinger beschaffen ist, das konnte man im
Frühling 1909 beobachten, als in der damals noch
nicht gespaltenen Berliner Sezession, inmitten einer
Gesamtausstellung von Arbeiten Klingers, das
Brahmsdenkmal gezeigt wurde. Am Abend vor
der Eröffnung hatte die Sezession in den oberen

Räumen ihres Hauses dem Künstler ein Bankett
veranstaltet, bei dem es ehrende Ansprachen, Hoch-
rufe und andere Beweise einer hohen Schätzung
gab; nach aufgehobener Tafel aber, während Klinger
im Kreise der Häuptlinge ausruhte, zogen ununter-
brochen kleine Gruppen von Künstlern und Kunst-
freunden in die Ausstellungsräume hinab, umstan-
den das neue Marmorwerk und begannen in der
schärfsten Weise darüber zu räsonnieren. Von Zeit
zu Zeit konnte man sogar das Wort Kitsch durch
den Raum sausen hören. Beides aber, die Kritik
unten und die Feier oben, war durchaus ehrlich
gemeint, beides ging natürlich nebeneinander her,
die Künstler fühlten keinen Widerspruch.

Eine ähnliche Situation wird von einer hüb-
schen Anekdote beleuchtet, die ein französischer
Schriftsteller aus der Mitte des neunzehnten Jahr-
hunderts überliefert hat. Bei einem offiziellen Fest
im Palais Royal standen einige der berühmtesten
Pariser Künstler im Gespräch beieinander. Sie
redeten von Ingres. Delacroix fragte Vernet: „Was

517

- M^—Mü
 
Annotationen