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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 2
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Wedderkop, H.: Rheinische Bestrebungen und Gleichgültigkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0093

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Nicht das allein Wesentliche einer Sammlung aller

derer — und wenn es nur ein einziger wäre

die sich

beteiligen am Ringen um den Ausdruck der Zeit,
sondern die zufallige örtliche Gemeinschaft und da-
neben der Kampf mit der fahlen Akademieleiche hat
hier dies merkwürdige Sammelsurium geschaffen. Die
Absicht war nicht gut, sie war lediglich verkehrt. Es
sollte sich bei diesen Kämpfen nicht um Personen
handeln, die man schützen oder die man verderben
will. Es handelt sich eher darum, die Personen, zumal
die nicht schöpferischen, zu demütigen. Ihr Vordringen,
ihre Betonung verwirrt nur die Idee, veräusserlicht sie.
Pflege provinzieller Eigenart erscheint zumal un-
verständlich, wo schon das Problem „Entente oder
Osten" in Wahrheit nichts weiter ist als eine sno-
bistische Phrase.

Es giebt eine rheinische Note. Man trifft auf sie
bei Nauen, bei Macke, Seehaus, Davringhausen. Sie
beeinflusst die Kraft des Talentes nicht unwesentlich
durch einen nicht auszurottenden Geschmack, der eben
diese Kraft nicht immer stützt, den künstlerischen
Inhalt durch Hinzufügen des Unwesentlichen oft ver-
kümmert. Sie bedeutet oder kann bedeuten eine un-
entschiedene Weichheit, eine oft zu bereite Empfäng-
lichkeit für die grossen Eigenschaften des westlichen
Kreises, aber eben deshalb ein leichteres Erfassen aller
Anregung von dorther, grössere Möglichkeiten des farb-
lichen Ausdrucks, musikalische Auflassung des Formalen,
ebenso selten eine säuerliche Intellektualität wie eine
kristallene Härte der Form.

Bei Nauen ist aus farblichem Geschmack Kultur ge-
worden. Töne, die ausgesprochen herbe sind, nicht
etwa an die spielende Zartheit Renoirs oder die heissen
Gluten van Goghs erinnern, sondern die aus Gesichten
der Phantasie geboren sind, nirgends übernommen aus
der zur Bedienung bereit liegenden Natur. Nauen ist
Erfinder aus Notwendigkeit. Das Spiel mag günstig
stehen für die deutsche Malerei, weil sie seit langem
einmal wieder der Natur entraten kann, nicht auf
Kräfte angewiesen ist, die ihr versagt sind — vielleicht
auch, weil wir für die Kunst den Krieg gewonnen haben.

Nauen ist ein ausgesprochener Übergangstypus.
Dass er dies nicht vergessen lässt, macht seine Echtheit
gewiss. Die Dynamik des Bildes durch die Linie oder
durch die Farbe zu gewinnen, dieser Konflikt ist seine
Natur. Es scheint, wie es nicht verwunderlich ist, dass
farbliche Probleme an Bedeutung überwiegen. Der
Oberflächliche mag ihm Abhängigkeit von Cczanne,
Gauguin, van Gogh vorwerfen oder die Kompositions-
mittel Grecos. Man beruhige sich: eigene Verarbeitung
erspart solche Vorwürfe. Es handelt sich übrigens viel
weniger um Komposition als um die Führung der Kon-
turlinien, auf die die gesamte Kraft konzentriert ist und
die mit ungeheurer Schärfe, Gegensätzlichkeit, verfolgt
von dem Geist der Gegensätzlichkeit durch den Bild-
raum toben, einen Ausweg suchend, gehalten durch die

Stärke widerstrebender Tendenzen. Mich stört etwas
die Überidealisierung der „Erntearbeiterinnen", die mit
der Zick-Zack-Linie ihrer langgcpressten Körper die
Bildform geben, eine Idealisierung, die weniger inner-
lich als durch äussere Verglättung erreicht ist. Doch
das sind ältere Bilder. Auf neueren, die ich sah, prä-
dominiert wieder die Farbe. Es giebt eine Fülle des
Einzelnen, des Figürlichen, des Bodens, der Atmosphäre,
ein Zusammentragen einer grossen Menge Stoffs, eine
Vollgepfropftheit des Bildes einmal — und andererseits
das Auslöschen des Gegenständlichen — das in Be-
ziehungsetzen des Einen zum Anderen nur durch ein
absolutes Formgesetz. Dies alles nicht streng und laut-
los, sondern mit einer gewissen herben Wohligkeit,
mit einem Ausruhen zu einem bescheidenen Genuss.
Der Mangel an Eigensinn, an Verbohrtheit mag nur
zur Charakterisierung e contrario herangezogen werden.
Man vermisst sie nicht etwa.

Einen Strich gallischer, wenn auch immer noch ge-
danken- und problembeschwert, doch mit einer Sicher-
heit des Geschmacks, die leicht zu voreiliger Zustim-
mung verführt, giebt sich der gefallene August Macke.
Ich möchte ihn doch eher für einen Impressionisten
herberer deutscher Observanz nehmen. Die Selb-
ständigkeit der Farbe ist das Moment, das am ausdrück-
lichsten bei ihm vorwärts weist, aber sie allein ist nicht
bestimmend. Bei einem blauen „Zeitungsleser" in Al-
gier findet man eine Flut renoireskerUppigkeit, tropfend
von Farbe, das Ganze impressionistisch aufgelöst. Här-
ter, fast geistreich, ein Hutladen mit Modellhüten auf
hohen Stangen und eine Gruppe frühlingserwachender
Mädchen in halbbewusster Haltung; ein Grenzgebiet
zwischen dem Momentanen einer mitteilungsbedürftigen
Zusammenkunft und dem Zeitlos-Ewigen des Nichts-
als-da-sein, zu wenig abrückend vom Zufälligen und
Belanglosen und ohne die letzte Kraft, diese Mädchen
als Gegebenheiten zu nehmen, um so die absolute Bild-
form zu schaffen. Dazu kommt die Kahlheit mancher
Bilderstrecken, die kalkig, leicht angetönt ein be-
ziehungsloses Verlegenheitsdasein fristen, abgesplitterte
Stücke aus dem Bildganzen. Manchmal Anwendung
Degas'scher Mittel, halbe Gliedmassen, die den Rest
der Wirkung in die ausserbildliche Phantasie verlegen
und durch die Willkür der Weglassung kokett wirken.

Von ihm ist der gleichfalls verstorbene Paul Seehaus
durch eine neue Zeit geschieden. Man mag in der
Durchteilung des Raums in scharfgratige Gefilde, un-
regelmässige stereometrische Körper ein reichlich an-
gebrachtes Prinzip sehen. Diese nicht ganz ernste
Spielerei vergisst man über der Farbe und Helligkeit
seiner Gesichte, die nur noch lose Zusammenhänge in
der Konzeption mit van Gogh andeuten, in der abso-
luten Geltung der Form doch unverhüllt die neue Ge-
sinnung feststellen lassen. In grossen rhythmischen
Wellen geht er über die Landschaft hinweg. Eine
„Bucht an der irischen Küste" fasst alles zusammen. Die

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