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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 6
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Scheffler, Karl: August Gaul: gelegentlich seines fünfzigsten Geburtstags
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0259

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AUGUST GAUL, HIRSCHBRUNNEN IM SCHÖNEBERGER STADTPARK

Die Darstellung von Tieren hat viele Bildhauer
gelockt, und viele haben sich damit einen Namen
gemacht; keiner aber hat sich so streng spezia-
lisiert und innerhalb des Spezialistentums doch
wieder so viel Fülle und Mannigfaltligkeit ent-
wickelt. In der Malerei sind wir diese Art von
Spezialisierung viel mehr gewohnt. Seit den Tagen
der alten Holländer gibt es Maler, die nur Land-
schaften, nur Bildnisse oder Stilleben malen. Und
auch der Tiermaler ist seit jener Zeit eine stehende
Erscheinung. In der Plastik ist die Spezialisierung
nicht in gleicher Weise durchzuführen. Der An-
schauungsstoff der Plastik ist nicht so vielfältig,
als daß er Einteilungen wie die Malerei zuließe.
Freilich gibt es, seit dem Altertum schon, Bild-
hauer, die entweder das Bildnis, oder die mensch-

liche Gestalt, oder auch das
Tier bevorzugen; niemals aber
haben sie sich stofflich so streng
beschränkt wie die Maler. Sie
bevorzugen eben nur dieses oder
jenes, können aber alles, einerlei
ob sie mehr dem Monumentalen
zuneigen oder dem Kunstgewerb-
lichen. Daß es bei den Ägyptern
und Griechen so gewesen ist,
darf man mutmaßen, daß in der
Renaissance die besten Tier-
plastiker, wie Riccio oder Gian
Bologna, auch Meister des
menschlichen Körpers waren,
wissen wir, und daß die Mo-
delleure in den fürstlichen Por-
zellanmanufakturen des acht-
zehnten Jahrhunderts nicht so
ausschließlich Tierbildhauer wa-
ren, wie etwa Potter oder Honde-
koeter Tiermaler gewesen sind,
beweist ein Blick auf ihre Pro-
duktion. Sogar die Tierplastiker
des neunzehnten Jahrhunderts,
sowohl die kunstgewerblichen
Kleinarbeiter wie die in der
Öffentlichkeit stattlich dastehen-
den Künstler vom Wüchse eines
Barye oder Fremiet, sind nicht
reine Spezialisten gewesen. Sie
alle hatten auch das Verlangen,
die menschlicheFigurzumeistern
und wußten es zu befriedigen. Allen diesen steht
Gaul in einer Sonderstellung gegenüber. Er hat
nahezu ganz darauf verzichtet die menschliche
Figur zu bilden. Wo er es doch versucht hat
— mit einem „Merkur", mit einigen Büsten und
einem „Eselreiter" — verliert er sozusagen seine
Individualität, bleibt er, bei aller Güte der Arbeit,
hinter sich selbst zurück. Er ist wirklich einmal
ein Tierplastiker in dem Sinne, wie es im alten
Holland Tiermaler gab, er ist vielleicht der erste
reine Spezialist seiner Art.

Dieses deutet auf zweierlei. Zum ersten deutet
es auf eine Vorliebe für das Tier, die nicht weiter
zergliedert werden kann, weil sie fest mit dem
ganzen menschlichen Wesen des Künstlers ver-
wachsen ist; zum zweiten aber deutet es darauf

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