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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0302

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wirklichen Michelägniolo verwandt ist. In der Gestaltung
spürt man wohl den bauenden Dichter, aber auch hier waren
die Akzente längst von der deutschen Wissenschaft festgelegt,
auf deren Ergebnissen die Arbeit Rollands in jeder Zeile
fußt. So fragt man schließlich umsonst nach den Gründen,
die eine deutsche Ausgabe dieser Schrift notwendig er-
scheinen ließen. Wir besitzen Umfassenderes und Origina-
leres, als was uns der Dichter des Jean-Christophe auf diesem
Felde zu bieten hat.

2.

„Ehemals", schreibt Taine in seinem herrlichen Balzac-
Essai, „trat man in ein schönes Buch ungehindert ein. Heute
verstellen Abstraktionen und Metaphern den Eingang, der
dadurch so gefällig und bequem wird wie durch ein Dickicht
von Stechpalmen". - Mit Umgehung der Frage, ob es sich
gerade für ein „Flandbuch der Kunstwissenschaft" empfahl,
eine so stachlichte und im Begrifflichen verknotete Theorie
über das Verhältnis von Baukunst, Skulptur und Malerei an
die Spitze einer „Entwicklungsgeschichte der Barockskulptur"
zu stellen, wende ich mich hier nur dem Michelägniolo
gewidmeten Abschnitt zu, mit dem Brinckmann als ein „ge-
schlossenes großes Kapitel für sich" sein Unternehmen be-
ginnt. Dem umfassenderen Thema entsprechend, kommt
für ihn nur der Bildhauer in Betracht. Brinckmann täuscht
sich nicht darüber, daß das eminent persönliche Moment in
der Kunst Michelagniolos weit stärker ist als ihre Bedeu-
tung für die Entfaltung der Barockskulptur, „daß nicht er
allein Sockel der Barockskulptur ist, sondern daß erst von
vielen ein breiteres Fundament gebaut werden mußte." Im
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang ist nicht so

sehr des Meisters ultima maniera als die Antike, „diese ver-
mittelt und gesehen durch einen Raffaello und seine Schule"
die treibende Kraft. Aber gerade die einzigartige Persön-
lichkeit, der Michelägniolo seine Sonderstellung verdankt,
rechtfertigt auch eine gesonderte monographische Behand-
lung.

Viel ernsthafte methodische Arbeit hat Brinckmann dabei
aufgewandt, aber die Ergebnisse erscheinen des öfteren mehr
gesucht als gefunden. Die Kritik der Einzelheiten muß der
Spezialforschung vorbehalten bleiben; an dieser Stelle dart
ein kurzer Hinweis auf gewisse Resultate genügen. Wenn
Brinckmann die Madonna an der Treppe in die wahrschein-
lich doch ganz kurze Zeit des venezianischen Aufenthaltes
(Spätherbst 1494) setzt, so verführte ihn hauptsächlich dazu
die rein oberflächliche Ähnlichkeit des Stufenanstiegs mit
einer venezianischen Treppenbrücke, während Carl Justi viel
einleuchtender und genauer zusehend auf eine jener steilen
Doppeltreppen hingewiesen hat, die das hohe Souterrain
eines toskanischen Landhauses — in Settignano besaßen die
Buonarroti ein solches — mit dem Hofe verbinden. Die
Rettung des berliner Giovannino als ein Werk botticellesker
Stimmung mit erzwungener Berücksichtigung des herrschen-
den Medici-Geschmacks für das Zierliche und Elegante muß
nach allem, was so sehr mit Recht gegen Michelagniolos
Autorschaft geltend gemacht wurde, als eine stilkritische
Kurzsichtigkeit abgewiesen werden. Überzeugend hat Grün-
wald nachgewiesen, daß der „sterbende Adonis" von Vin-
eenzo Rossi herrührt; die Verwechslung mit Vincenzo Danti
ist Schlossers, nicht des alten Borghini Irrtum. Daß der
londoner Cupido aus dem Werke Michelagniolos ausscheidet,

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KONRAD WESTERMAYR, DER VATER DES KÜNSTLERS

AUSGESTELLT IM GRAPHISCHEN KABINETT (J. 13. NEUMANN) BERLIN

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