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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 11
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Beer-Walbrunn, Ida: Trübner und seine Beziehungen zu Leibl und Schuch
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schwereren Kampf im eigenen Innern gegen Hem-
mungen und seelische Widerstände auskämpfen
zu müssen. Er erschien unendlich vergnügt und
fröhlich in diesen Wochen, voller Arbeitslust und
voller" Pläne.

Da kam aus Würzburg die Trauernachricht, daß
Wilhelm Leibi, secbsundfünfzig Jahre alt, die Augen
für immer geschlossen. Das bewunderte Vorbild und
der Führer der Jugend, der mit der Kraft seiner
mächtigen Persönlichkeit die ihm Nahestehenden
aufgerufen hatte zur Größe und zur Wahrheit,
zur Unbestechlichkeit und unerschütterlichen Treue
vor der Natur, war einem Herzleiden nach langen
Kämpfen an der Schwelle des Alters erlegen.
Trübner fuhr in jenen grauen Dezembertagen nach
Würzburg, um dem großen Freunde die letzte
Ehre zu erweisen und kehrte traurig und schwer
gedrückt, wie ich mich wohl erinnere, nach Frank-
furt zurück. Uberdachte er sein Leben und das
Leibis, der, um sieben Jahre älter, nun schon vom
Werke und vom Leben hatte Abschied nehmen
müssen und dessen ganzes Dasein, das Dasein
eines Genies, in bescheidensten engsten Verhält-
nissen fast ohne Glücksmöglichkeiten sich hatte
ausleben müssen, so mochte Trübner wohl bangen
vor dem Übermut seiner Hoffnungen. Trübner,
dessen fünfzigstes Lebensjahr sich jetzt vollendete,
begann in voller Zuversicht ein neues Leben, sein
Eheleben, und glaubte in wenig Monaten ein Kind
sein eigen nennen zu dürfen. Und nicht nur als
Mensch fing er neu an - seit er in seiner nächsten
Nähe tiefstes Verständnis und unbeirrbare Würdi-
gung wußte, war sein ganzes Künstlertum zu neuem
Leben erwacht. Neue Wege sah er vor sich und
beschritt sie in der gesammelten Kraft eines reifen,
auf der Höhe seines Lebens stehenden Mannes,
der sich wiedergefunden nach fast zwei Jahrzehnte
währenden Irr- und Umwegen.

In diesem emporstrebenden Glücke des Werkes
und der Häuslichkeit erschien Leibis Tod wie eine
mahnende Stimme des Schicksals. Kurze Zeit
vorher hatte Trübner noch einen Glückwunsch
zu seiner Vermählung von Leibi erhalten. Er
zeigte mir die einfache Postkarte, die in feiner
steiler Schrift nach der mich einen Augenblick
befremdenden Anrede „lieber Herr Trübner" (hatte
ich doch anscheinend mit meinen zwanzig Jahren
eine etwas zu pathetische Vorstellung von diesem
berühmten Freundschaftsbunde) nur ein paar kurze,

freundliche Sätze der Beglückwünschung enthielt.
Mit der Ehrfurcht der Jugend sah ich auf die
feinen Schriftzüge und die Unterschrift, die voll-
kommen ähnlich den Pinselzügen schien, mit denen
Leibi seine jedem Maler immer teuren Werke ge-
zeichnet hat. Konnte ich doch oft in Trübners
Wohnung jene erlesene Kollektion vollendeter
Leibischer Werke bewundern, wie sie in solcher
Qualität und Reichhaltigkeit damals keine Galerie
besaß. Mit welchem Stolze zeigte er sein eigenes
Porträt oder das von Schuch oder den „rothaarigen
Knaben mit der Halskrause", oder den „Maler
Sattler". Wenn gelegentlich Besucher ihn baten,
eigene Werke seiner schönsten Zeit zu zeigen
(die er, der Schlaue, so lange in Hinterzimmern
und Schränken versteckt hielt, bis die Preislage
seiner Werke eine Höhe erreicht hatte, die ihm
auch für jene Werke annähernd genügte), da lehnte
er entschieden jede Gleichstellung seiner Werke
mit denen Leibis ab. An Leibi reiche nichts heran,
das wäre das Beste, was in Deutschland überhaupt
je gemalt worden sei. So und ähnlich sprach er
sich oft aus. Nun war Trübner, der Ruhige, Stille,
mit der sanften Stimme, gewiß alles andere als
„bescheiden" und „anspruchslos". Hagemeister
hat in seiner schönen, noch immer viel zu wenig
bekannten Schuch-Biographie (wenigstens in der
Malerstadt München, in der so hoch gepriesenen
Kunststadt, habe ich selten jemanden getroffen, der
sie gekannt oder gar besessen hätte) über den
jungen Trübner geschrieben: „Trübner ließ sich
überhaupt nicht so leicht durch einen Meister
imponieren". Und was für den jungen Trübner
galt, galt natürlich in noch ausgeprägterem Maße
für den durch tausendfache bittere Erfahrungen
gegen jede vorschnelle Wertung mißtrauisch ge-
wordenen und äußerst kritisch Veranlagten. So
herbe, so bitter er in seinen Urteilen im intimen
Kreise über seine Zeitgenossen, seine Kollegen sein
konnte, so gewiß gab es einen, vor dem seine
Kritik halt machte, den er uneingeschränkt aner-
kannte, sowohl die Werke wie die Persönlichkeit.
Aber sonst auch niemanden. Dieser eine war und
blieb Leibi. Nie wurde er müde von ihm zu er-
zählen, der so rein und so ausschließlich auf seine
Kunst, sein Handwerk sich konzentriert hatte, daß
außer ihr nichts für ihn auf der Welt war, weder
Theater noch Musik, weder Geselligkeit noch
Künstlervereinigungen, weder Münchner Maler-

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