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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 1
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Schmidt, Robert: Der Welfenschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0068

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Was bedeutet uns der Wei-
fenschatz und was bedeutet
uns sein Verlust? Gewiß, wir
haben in Süd- und West-
deutschland in manchem
katholischen Dom wunder-
volleReliquienschätze, die sich
mit dem Weifenschatz mes-
sen können und ihn wohl
teilweise auch an künstleri-
scher Kostbarkeit übertreffen
mögen. Das protestantische
Norddeutschland aber ist un-
endlich arm an solchen Zeu-
gen edelster kirchlicher Kunst
des Mittelalters; eigentlich sind
da nur zwei Ausnahmen, die
Kirchenschätze in Halberstadt
und Quedlinburg, zu nennen.
Das Moment aber, welches
für die Singularität gerade des
Weifenschatzes ausschlagge-
bend ist, besteht darin, daß
dieser Reliquienschatz des
Braunschweiger Blasiusdoms
in seiner Hauptmenge, jeden-
falls in den künstlerisch ent-
scheidenden Werken, die Stif-
tung einer der bedeutend-
sten mittelalterlichen deut-
schen Herrscherfamilien dar-
stellt, gleichsam die geistliche
Schatzkammer der Dynastie
der Brunonen und Weifen,
die für Jahrhunderte die Ge-
schicke nicht nur Braun-
schweigs, sondern Niederdeutschlands lenkten oder
wenigstens maßgebend beeinflußten.

Der Weifenschatz ist der einzige und letzte
großartige Zeuge der wunderbaren mittelalterlichen
Gesinnung, mit der ein machtvolles deutsches Für-
stenhaus seine Religiosität und seinen Kunstsinn
zu verbinden verstand. Er verkörpert symbolhaft
eine der großartigsten Epochen der deutschen Ver-
gangenheit, denn was die Hohenstaufen für den
Süden Deutschlands, das bedeuteten die Weifen für
Norddeutschland. Die stolze Gestalt Heinrichs des
Löwen steht hier an erster Stelle. Eine Anzahl
der köstlichsten Stücke des Schatzes gehen auf

DAS WELFENKREUZ. ITALIEN, VERMUTLICH
MAILAND, MITTE DES n. JAHRHUNDERTS

ihn als Stifter zurück. Von
seiner Fahrt ins heilige Land
brachte er viele Reliquien als
Geschenk des oströmischen
Kaisers aus Byzanz mit und
ließ ihnen von heimischen
Goldschmieden kostbare Hül-
len aus Gold und Edelsteinen
verfertigen; auch das eine
Hauptstück des Weifens.hat-
zes, das für das Haupt des
heiligen Gregor von Nazianz
in Gestalt eines byzantinischen
Kirchenbaues gearbeitete gro-
ße Kuppelreliquiar ist sicher-
lich auf seine Bestellung durch
den hervorragendsten kölni-
schen Emailkünstler seiner
Zeit um 1175 gearbeitet wor-
den. Das in seinem Erhaltungs-
zustand allerdings nicht eben-
bürtige Schwesterstück, das
Kuppelreliquiar aus Hohen-
elten, ist Deutschland bereits
vor einigen Menschenaltern
verloren gegangen und ins
S. Kensington-Museum abge-
wandert. Die Komposition, die
Zeichnung und Farbenpracht
der Emails und die monumen-
tal aufgefaßten Figuren und
Reliefs aus Walroßzahn si-
chern dem Braunschweiger
Reliquiar einen ersten Platz in
der Geschichte der hochroma-
nischen Kunst Deutschlands.
Neuere Untersuchungen Otto von Falkes haben
uns die Gewißheit gebracht, daß auch Eilbertus,
der etwas ältere Kölner Künstler und eigentliche
Schöpfer der romanischen Kupferschmelzkunst, in
Hildesheim und da für Heinrich dem Löwen ge-
arbeitet hat. Sein zwischen 1150 und 1160 ent-
standenes, weitaus bedeutendstes Werk, das einzige,
das er mit seinem Namen versehen hat, steht im
Weifenschatz. Dieser Tragaltar des Eilbertus ist
in seiner Vielseitigkeit der Emailtechnik wie in
seiner edlen Komposition der Darstellungen ein
Meisterwerk höchsten Ranges; bei solchen Wer-
ken kommt man mit der heute üblichen Bezeich-

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