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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 2
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Winkler, Friedrich: Der Braunschweiger Vermeer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0104

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DER BRAUNSCHWEIGER VERMEER

VON

FRIEDRICH WINKLER

Das hier abgebildete Gemälde des Jan van der Meer von
Delfr, eines der wenigen des berühmten Malers in
Deutschland und eines der kostbarsten Werke der Braun-
schweiger Gemäldegalerie, soll für 2,7 Millionen Mark ver-
kauft werden. Das Landesmuseum in Braunschweig und die
Bibliothek in Wolfenbüttel, die infolge der Auseinandersetzung
des Herzogs mit dem Lande zu einer Stiftung vereint wurden,
erhalten je 70000 Mark als Jahreszuschuß von beiden Parteien.
Der Herzog kann seinen Anteil schon nach drei Jahren nicht
mehr zahlen, sagt man. Wegen einer fragwürdig gewordenen
jährlichen Unterstützung von 70000 oder 3 5 000 Mark will man
das Museum eines seiner wertvollsten Stücke berauben. Das
ist der Tatbestand. Man weiß nicht, ob man den Verkauf als
einen Skandal oder als einen Schwabenstreich bezeichnen soll.
Offenbar ist er beides.

Die Angaben der herzoglichen Seite verdienen nicht, daß
man ihnen ohne genaue Prüfung Vertrauen schenkt. Der Her-
zog, der noch großen Grundbesitz hat, in Braunschweig allein
über 50000 Morgen, hat für eine stattliche Anzahl Millionen
Kunstwerke verkauft, z. B. den berühmten Holbein in Han-
nover; vor allem hat er durch die durchaus unfürstliche Haltung
im Falle des Weifenschatzes, den er aus tausend Gründen
behalten mußte, nachdem er seit Jahrhunderten im Besitz des
Fürstenhauses war, deutlich bekundet, daß ihm an der Erhal-
tung seiner einzigartigen Kunstgüter sehr wenig gelegen ist.
In dem Falle des Vermeer steht außerdem fest, daß
andereKräfte am Werke gewesen sind als die an-
gebliche finanzielle Notlage des Herzogs.

Ein ausländischer Hocharistokrat, dessen Gewerbe es ist,
für ein paar Prozente Provision bedeutende Kunstwerke in
Deutschland locker zu machen, möglichst aus öffentlichem
Besitz, da sie dann wertvoller sind, hat den Anstoß zum Ver-
kauf des Vermeer gegeben. Man war geneigt zu verkaufen,
als der Kaufpreis nicht viel mehr als ein Viertel der Summe
betrug, die zuletzt geboten wurde! Es muß das einmal gesagt
werden, da es kein Mittel gibt, Schädlingen wie dem Genann-
ten den Aufenthalt in Deutschland zu verbieten.

Niemand, der die Verhältnisse in fürstlichen Kunstsamm-
lungen ein wenig kennt, wird sich wundern, daß das möglich
war. Die fürstlichen Besitzer selbst haben oft wenig Ahnung
von dem genauen Marktwert ihrer Schätze, die Leute ihrer
Umgebung sind nicht immer mit der nötigen Vorsicht aus-
gewählt. Es genügt, den einen oder anderen aus der Umge-
bung zu gewinnen, um die Zustimmung des Besitzers zu der
„Sanierung" zu erlangen. Auch gibt es natürlich Leute in der
Umgebung fürstlicher Kunstbesitzer, die solche Angebote be-
stellen. Es kann nicht behauptet werden, daß Bestechung in
diesem Falle eine Rolle spielt; in anderen Fällen steht die
Korruption von Personen der nächsten Umgebung von Besit-
zern großer fürstlicher Sammlungen fest, und man wird nach
dem Gesagten verstehen, daß es bei kunstfremden Besitzern
mit großem Haushalt nicht schwer ist, die Zustimmung des
Besitzers zu erlangen, wenn man es nicht allzu ungeschickt
anfängt.

Daß die Beauftragten des Herzogs im Stiftungsvorstand
den Wunsch ihres Herrn ausführen, kann man verstehen.
Warum aber die Vertreter der Regierung den Antrag der
herzoglichen Seite nicht mit einem Antrag auf Revision des
Statuts beantworten, bleibt völlig im Dunkeln. Die Zustim-
mung der beiden Regierungsvertreter ist um so schwer-
wiegender, als der eine der beiden der Referent für Kunst
im Ministerium ist, der doch sicher nicht die Geschäfte der
herzoglichen Seite, sondern die Interessen seines Landes zu
vertreten hat! Der andere ist ein bekannter marchand-ama-
teur, der es liebt, seinen Besitz zu wechseln. Wenn er bei
2,7 Millionen Mark schwach wird, kann man es begreifen.
Er hat sich in der Presse gegen den Vorwurf, ein verkappter
Händler zu sein, der mit Kunsthändlern gut bekannt sei, zur
Wehr setzen müssen, und die Bezeichnung mag in der Tat
nicht ganz richtig sein. Wenn Herr B. aber auf die Fest-
stellung, er sei mit Händlern gut bekannt, entgegnet, daß er
den Käufer des Bildes, einen Berliner Händler, erst in Braun-
schweig kennengelernt hat, so ist das eine Taschenspielerei.
Herr B. wird nicht leugnen, daß er den Händler, der bis zu-
letzt mitgeboten hat, um so besser kennt. Von dieser Richtig-
stellung des Herrn B. ist ebensowenig zu halten, wie von
der, daß er nicht Händler sei, sondern nur einige Stücke an
das Museum in Braunschweig verkauft habe. Händler, Samm-
ler, Museumsleute, bei denen so manches schöne Stück des
Herrn B. gelandet ist, werden leicht die Angaben des Herrn B.
ergänzen können. Wenn sie nicht wollen, kann es durch
mich geschehen.

Was die Notlage des Museums betrifft, so ist für den Be-
sucher nichts zu merken. Der Stiftungsvorstand ist allerdings
anderer Ansicht. Er hat seinen einmütigen Beschluß des Ver-
kaufs in einer Zuschrift an die Presse gerechtfertigt. Dieser
Bericht verdient, sowohl wegen seines weltfremden, beleidi-
gend schulmeisterlichen Tones gegenüber einem protestieren-
den Künstlerverbande ein Dokument genannt zu werden, als
auch wegen der Tatsache, daß sich unter der unübersehbaren
Zahl von Pressestimmen wohl nicht eine einzige findet, die
es gewagt hätte, diese Rechtfertigung sich in irgendeinem
Punkte zu eigen zu machen. Die einzigen positiven Angaben
über die geplante Verwendung des Geldes sind die folgenden:
Die Bilder der Sammlung sollen restauriert, die Galerieräume
hergerichtet, Neuerwerbungen für Bibliothek und Museum
gemacht werden. Die Braunschweiger Bilder sind im großen
und ganzen in gutem Zustand, die Galerieräume brauchen
jetzt nicht erneuert zu werden und Neuerwerbungen können
eben nicht gemacht werden, wenn kein Geld da ist. Damit
müssen sich viele Museen abfinden. Es ist doch heller Wahn-
sinn, eins der besten Werke abzustoßen, um andere zu er-
werben, von denen man vorläufig nichts weiß. Mit der Be-
gründung, die der Vorstand gibt, kann man alles rechtfertigen,
und es ist in der Tat nicht zuviel gesagt, wenn behauptet
wurde, daß bei dieser geistigen Einstellung des Vorstandes
auch das Rembrandtsche Familienbild gefährdet sei. Als ob
ein Museum wie das Braunschweiger nicht verschiedene Hilfs-

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