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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 2
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Winkler, Friedrich: Der Braunschweiger Vermeer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0106

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mittel zur Verfügung hätte, wenn ein augenblicklicher Not-
stand behoben werden muß. Aber dieser Notstand exi-
stiert in Wahrheit nicht!

Die Notlage des Herzogs, die immer größer wurde, je
höher die Gebote stiegen, besteht nur in der Auffassung
einiger Greise und kunstfremder Verwaltungsbeamter. Daß
Sachkenner bei diesem einstimmigen Beschluß nicht mitgewirkt
haben, versteht sich fast von selbst, muß aber doch erwähnt
werden. Denn die Direktoren der betroffenen Sammlungen ha-
ben weder Sitz noch Stimme in dem Vorstand! Die Verant-
wortlichen sind ein Archivdirektor a.D., ein Hof kammerrat, ein
Ministerialrat und ein marchand-amateur. Daß bei ihnen Ge-
nugtuung über die „wirklich fabelhafte Höhe des Kaufpreises"
herrscht, brauchte der Vorstand nicht erst schriftlich zu geben.
Das merkt man an der ganzen Einstellung zu dem Problem.
Wenn der Vorstand aber angibt, daß der einstimmige Be-
schluß nach umfassenden Erkundigungen „bei den besten
Kennern" in Berlin, München und Nürnberg gefaßt sei, und
quasi sagt, daß durch sein umsichtiges Verhalten hier und sonst
ein so hoher Preis erzielt worden sei, so wird der Kenner
der Verhältnisse nur resigniert Schluß machen können. Für
den Czerninschen Vermeer liegt seit Jahren ein Gebot von
einer Million Dollar vor! Das Verdienst des Vorstandes ist
wirklich nicht vorhanden. Keinen parlamentarischen Ausdruck
gibt es aber für das Verhalten des Vorstandes, von den ersten
Kennern zu sprechen und zu verschweigen, daß diese sich
entschieden, zum Teil mit Kraftausdrücken, gegen den Ver-

kauf ausgesprochen haben. In dem Bilde von Anmaßung und
Weltfremdheit, das der Vorstand von sich zeichnet, darf
auch dieser Zug nicht fehlen.

Der Hauptschuldige ist zweifellos der Vertreter der Re-
gierung, der ohne sichtbaren Grund die Interessen des Her-
zogs mitvertritt, statt dem Interesse des Landes zu dienen,
als dessen Vertreter er entsandt ist. Die einmütige Stellung-
nahme der deutschen Presse wird hoffentlich seinen Vorge-
setzten die Augen darüber öffnen, welchen Bärendienst seine
durch nichts zu rechtfertigende Stellungnahme, der vielleicht
eine geradezu aktive Betätigung für den Verkauf vorherging,
der braunschweigischen Kunstverwaltung geleistet hat.

In den Erinnerungen W. von Bodes, des Enkels des ver-
dienten Braunschweiger Stadtdirektors, wird berichtet, wie
die hervorragende Bronzesammlung des dortigen Museums
vor sechzig Jahren ruiniert wurde, indem der Direktor die
„häßliche" Patina mit Stahlbürsten entfernte. Von dem Er-
gebnis kann man sich noch heute vor den glanzlosen, wie
Eisengüsse aussehenden kapitalen Stücken überzeugen. Braun-
schweig ist auf dem Wege, sich durch einen neuen Schwa-
benstreich unsterblich zu blamieren. Möge die neue Regie-
rung nicht der noch jungen Stiftung mit diesem Verkauf in
der Öffentlichkeit eine traurige Berühmtheit verschaffen.
Möge sie die Vielzahl der Wege, die es trotz der Stellung-
nahme ihres Kunstreferenten für jeden unbefangen Urteilen-
den gibt, erkennen. Der Braunschweiger Vermeer aber bleibe,
wo er ist, und wo er seinem Namen gemäß hingehört.

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