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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 3
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Göpel, Erhard: Graphikmarkt im Herbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0159

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FERDINAND v. OLIVIER, KLICK VOM MÖNCHSBERG AUF URSULINENKIRCHE UND SALZACH. 1819. BLEISTIFTZEICHNUNG

DRESDEN, KUPFERSTICH KABINETT. AUSGESTELLT IN DESSAU

Zeitung und Zeitschrift kein Wunder. Der Nachteil dieser
Konzentrierung und leichten Übersehbarkeit zeigt sich für
den Handel im Augenblick des Preisumschwunges. Man hört
jetzt auch von den ersten Händlern des Gebietes, daß das
Preisniveau schon vorher überspannt gewesen sei, aber trotz-
dem findet man sich nun nicht leicht in die Notwendigkeit
einer den Auktionsergebnissen entsprechenden Preissenkung.

Der Grund für die sinkenden Preise ist offensichtlich die
allgemeine Krise; die Übersichtlichkeit des Marktes aber er-
laubt es, die Rückwirkungen auf die Käufe der einzelnen
Länder zu konstatieren. Der am stärksten preistreibende Fak-
tor waren die Käufe Amerikas, die teilweise, zum Beispiel
durch Charles Sessler, Vertreter eines Warenhausbesitzers
in Philadelphia, ohne Rücksicht auf Kosten erfolgten. Eine
Umfrage bei den großen Käufern der Herbstauktionen er-
gab, daß aus Amerika keinerlei Aufträge vorlagen, amerika-
nische Käufer waren, wie auch sonst im Herbst, nicht er-
schienen. Dieser Ausfall wirkte sich besonders auf dem Gebiet
des frühen Holzschnittes und dem des frühen Kupferstiches
aus (Schongauer). Auf anderen Gebieten, denen auch das
besondere amerikanische Interesse galt, etwa Rembrandt und
Dürer, sprangen andere Interessenten in die Bresche. So kaufte
England, namentlich durch Colnaghi-London, entsprechend
dem alten Sammlergeschmack dieses Landes. Die auch heute
noch glückliche finanzielle Situation der „neutralen" Staaten
Holland und Schweiz drückte sich in zahlreichen Käufen
aus, so daß die schöne Leydenserie bei Hollstein immerhin
gur verkauft wurde, während — höchst bezeichnend für die
starke Mittelschicht des französischen Sammlertums — der
Pariser Handel die guten mittleren Drucke, namentlich von
Dürer und Rembrandt, erwarb. Für den deutschen Samm-
ler, der über einige Mittel verfügte, gab der Markt eine
unerwartete Chance; allerdings hat der deutsche Geschmack
die „Kleinmeister" des sechzehnten Jahrhunderts weitgehend
fallen lassen, so daß zum Beispiel bei Boerner der erste Vor-
mittag, wo dem ABC nach diese Meister aufmarschierten

— Aldegrever, Altdorfer, Beham, Bink —, die katastrophal-
sten Befürchtungen für den Gesamtverlauf hervorrief.

Am 7. und 8. November hielten Hollstein & Puppel ihre
Graphikversteigerung ab. War es bisher ein Vorteil gewesen,
den Markt mit der vollen Kaufkraft der Interessenten vor
sich zu haben, so sahen sich Hollstein & Puppel diesmal
vor sehr abwartendem Publikum, demgegenüber sie den
Versuch machen mußten, die Preise zu halten. Noch vor
einem Jahr hätte das zum Ausgebot gebrachte Material eine
Sensation hervorgerufen: Einblattholzschnitte, eine seit langer
Zeit nicht so gesehene Leydenserie und einige außerordent-
liche Rembrandtradierungen. Die Einblattholzschnitte aus
dem Kloster St. Gallen erwarb, soweit sie für die Schweiz
von Bedeutung waren, Dr. Fischer für die Baseler Kunsthalle.
In der Schweizer Öffentlichkeit hat der St. Gallener Ver-
kauf, haben seine näheren Umstände einigen Staub aufge-
wirbelt; aber wir glauben nicht, daß die Schweizer öffent-
lichen Sammlungen billiger in den Besitz der Ilauptblätter
hätten kommen können. Zudem hatten sie hier auch die
Möglichkeit einer kritischen Auswahl, die ein Kauf im gan-
zen nicht gegeben hätte. Das schönste Blatt unter den Holz-
schnitten, die Madonna im Garten sitzend, von vier Heiligen
umgeben (Schweiz [?] um 1470), ersteigerte Direktor Fischer
um 12500 Mark für Basel, ferner für 6200 Mark das Jesus-
kind mit dem Kelch (Schweiz um 1450—1460), für 3800 Mark
die Madonna mit dem Kind (Schweiz um 1470), die heilige
Dreifaltigkeit (Schweiz um 1460) für 5500 Mark und end-
lich die frühe Darstellung der heiligen Margareta (Schweiz
um 1440—1450). Die drei eindrucksvollen Schrotblätter, auf
die die Versteigerer ihre durch Schätzung auf je 30000 Mark
ausgedrückte Hoffnung gesetzt hatten, wurden mit je 15000
Mark ausgeboten, für den heiligen Andreas und den heral-
disch-großartig aufgefaßten heiligen Georg erhielt Colnaghi-
London mit 15 100 Mark schon den Zuschlag, er hatte keinen
Konkurrenten. Einige der kleineren Erwerbungen Colnaghis
geschahen für das British-Museum, wahrscheinlich also der

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