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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 4
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sehr viel freiere, frühe Blätter hielten
gute Preise, so die „Feuersbrunst in
der Stadt" 310 M., „Zum 14. Oktober
1847", ein Blatt voller grotesker Hinfälle,
240 Mark, die sehr seltene und wie eine
Federzeichnung anmutende „Schiffs-
brücke bei Artlenburg, 26. Januar 1851"
370 Mark.

Ein sehr ernsthaf ter Kampf entspann
sich um die als Graphik reizvollsten
Blätter, die „Versuche mit Pinsel und
Schabeisen". Der „Gefangenenzug im
Walde" und die „Verfolgung auf der
Treppe" lagen in tiefschwarzen Probe-
drucken vor, die auf dem breiten Rand
noch die grotesken Einfälle Menzels
trugen; der erste ging für 1600 M. an
den oben genannten Berliner Sammler,
der zweite für 1550 Mark an das Folk-
wangmuseum in Essen. Die größte Sel-
tenheit im gleichen Verfahren, aber
nicht in der Folge veröffentlicht, das
Selbstbildnis Menzels als Antiquar, von
einer eigenen, an den Faust Rem-
brandts oder an die „Melancholie" Dü-
rers gemahnenden Stimmung, wurde
bei 1200 Mark zugeschlagen.

Das reiche Ilolzschnittwerk, mit vie-
len Probedrucken, die Menzels eigen-
händige Korrekturen und oft auch hand-
schriftliche Angaben für den Drucker
und Holzschneider tragen, machte zah-
lenmäßig den Hauptteil der Sammlung
aus. Die geistvollen Illustrationen zum
„Schlemihl", in Probedrucken von glän-
zender Schwärze, stiegen mit 680 Mark
weit über die Taxe (400 Mark), ein
gutes Exemplar der Kuglerschen „Ge-
schichte Friedrichs des Großen" ko-
stete 310 M., die Probedrucke dazu —
fast 100 Nummern — gaben erst einen

rechten Begriff von der Leistung Menzels und die deutschen
Kabinette stritten sich mit einigen Sammlern um die schön-
sten Blätter. Am teuersten wurden mit 180 Mark zwei Probe-
drucke der später unterdrückten Szene „Kronprinz Friedrich
folgt der Gräfin Orczelska aus dem Ballsaal", ein so be-
kanntes Blatt wie die „Abendtafel in Sanssouci" (140 Mark)
und „Friedrichs Erscheinen im Schlosse zu Lissa" (170 Mark),
beide an das Museum in Essen.

Unter den Radierungen gab es noch einige besondere
Raritäten, der dritte Zustand der „Näherin am Fenster" er-
zielte 205, der „Schafgraben", eine der lebendigsten Radie-
rungen Menzels, 230 M. (Dresden), der „Alarm im Hause", als
alter Druck sehr selten, 380 Mark (Dresden). Das Breslauer
Museum erhielt den Zuschlag für die höchst geistreiche
„Speisekartefür den herzoglichen Hof in Meiningen"(3 20 Mark)
und für den sehr seltenen „Totenkopfhusar'' (405 Mark), der
nur in wenigen Exemplaren von der Furchauschen Gummi-
platte abgezogen wurde.

Das Interesse an dem graphischen Schaffen Menzels führte
den Sammler auch zu dessen Briefen, in denen oft von
Korrigieren und Drucken die Rede ist. Uber den „Zer-
brochenen Krug", dem letzten von Menzel illustrierten Buch,
heißt es in einem dieser Briefe an einen Hof beamten des
Kronprinzen Friedrich, dem Menzel das Werk gewidmet hatte :
„Möge der Gehalt, soweit er von mir stammt, sozusagen

AD. MENZEL, MUTTER IHREM KIND DAS
HAAR KÄMMEND. BLEI

SAMMLUNG GINSBERG, BERLIN, VERSTEIGERT AM
5. DEZ. BEI C.G.BOERNER UND PAUL GRAUTE
15:8 cm. 400 MARK

meine Musik in seinem Anschluß an
Kleists quasi Libretto (durch dick und
dünn) vor höchstem Blick zu wohlge-
legener und gelaunter Stunde erschei-
nen . . .".

Die Zeichnung, die freieste und ganz
ursprüngliche Seite des Menzelschen
Schaffens, war mit einigen Proben ver-
treten — nicht ganz so sicher gewählt,
wie das außerordentlich feine Gefühl
des Sammlers für Druckqualität erwar-
ten ließ. Das schönste Blatt, eine Gou-
ache von blühender Farbigkeif. „Da-
men beim Blumenpflücken", wurde —
unbegreiflich — schon mit 2700 ei-
nem Chemnitzer Sammler zugeschla-
gen, dagegen kaufte für 4400 Mark
ein Berliner Sammler die etwas trok-
kene, große Sepiazeichnung „Menzels
Schwester und Familie Puhlmann im
Garten", an denselben ging für 2200
Mark das Pastellbildnis des Alexander
von Ungern-Sternberg und ebenfalls
der 1886 datierte „Kopf eines alten
Mannes" (1700 Mark). Die „Sitzende
Mutter, ihrem Kind das Haar käm-
mend" — unsere Abbildung —, eine
feine Zeichnung voller Licht aus den
fünfziger Jahren, kostete 400 Mark.

Angefügt fand sich eine kleine Zu-
sammenstellung von Bildnissen, die die
kleine Gestalt Menzels Leben gewin-
nen ließ: seltsamer und ergreifender
Kontrast innerhalb dieser Sammlung,
die trotz ihrer Beschränkung auf den
graphischen Bereich, den Künstler Men-
zel in seiner ganzen Größe enthielt.

Erhard Göpel

Vorbericht
Am 28. Januar wird in Rudolph
Lepke's Kunst-Auctions-Haus die Sammlung Max Böhm,
die im Sommer 1930 in der Akademie der Künste aus-
gestellt war, versteigert werden. Der sehr selbständige
und charaktervolle Sammler hat sich mit Werken deut-
scher Malerei aus der zweiten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts umgeben; der Umkreis seiner Sammler-
tätigkeit wird deutlich, wenn man die Ilauptnamen nennt:
vier Bildnisse von Leibi, darunter das Gemälde der
Frau Auguste Mayr von 1891 und eine bildmäßig ausge-
führte Zeichnung; die „Kinder im Rosengarten" von Sperl;
sechs erlesene Stilleben und ein Studienkopf von Schuch;
acht Gemälde von Thoma, darunter Zwei malerisch quali-
tätvolle Landschaften; vier tvpische Spitzweg-Idyllen; eine
intime Szene von Fritz v. Uhde; zwei friderizianische Gou-
aches von Menzel; von Corinth zwei Stilleben und ein
Schlächterladen aus Trübners Nachlaß; von Slevogt drei Still-
leben. Zwei Hauptbestände sind noch zu nennen: 23 Ge-
mälde von Trübner aus allen Perioden seines Schaffens, dar-
unter einige hervorragende Werke (eine Landschaft von 1876
war auf Seite 500 des Jahrgangs XXVIII abgebildet) und
18 Gemälde von Max Liebermann, deren Reihe wiederum
den großen Bogen seiner Entwicklung begleitet: das früheste,
die roten „Häuser in Scheveningen" von 1872, das späteste,
die Gattin und Enkelin des Künstlers, von 1926.

M. Eisenstadt

NEUNUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, VIERTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. DEZEMBER, AUSGABE AM 1. JANUAR
NEUNZEHNHUNDERTE IN UN DDR EISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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