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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 6
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Bahlinger, Herbert: Plastiken von Joachim Karsch
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Scheffler, Karl: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0284

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laute, forcierte Bewegungen vermeidet. Die Umrisse sind
übersichtlich und klar, alle Gesten vereinfacht, nur sanft
wendet sich ein Kopf, neigt sich eine Schuirer, hebt sich
eine Hand, mehr andeutend als weisend. Die Gesichter sind
versonnen, die Gestalten in sich versunken. Die Augen blicken
eigentlich mehr nach innen als in die Umwelt. Die Glieder
ruhen aus wie nach einer zögernden Bewegung, die sie kaum
vom Körper trennt. Alles atmet die glückliche Selbstbeschei-
dung auf sich selbst konzentrierter Seelen. Merkwürdig und

charakteristisch ist der Eindruck des Wehmütigen bei allen
Anzeichen einer glückhaften Existenz. Eine ferne Ahnung
der Vergänglichkeit umschattet die Gestalten. Sie wissen um
den Tod, der an ihnen zehrt. Das fest Gefügte ihrer Struktur
verleugnet nicht den hinfälligen Stoff des Fleisches.

Es äußert sich hier ein neues Zeitempfinden, das den
Menschen wieder als einfaches Naturwesen, dem Wachsen
und Verderben des schaffenden Lebens ausgeliefert, be-
trachtet.

BKRN'H. KRETSCHMAR, DIE DEKORATIONSMALER

AUSGESTELLT IM RECKENDORFHAUS, BERLIN

BERLINER AUSSTELLUNGEN

Tn der Secession zeigten, außer Hans Purrmann, drei Künstler
*■ Kollektionen neuer Arbeiten. Erich Waske stellte roman-
tische Dekorationen großen Formats aus, Glasgemälde, Mosai-
ken usw. Er wirkt so im ganzen fast wie ein durch den
Expressionismus dahingegangener, breit malender Melchior
Lechter (dem ein Stefan George fehlt). Emy Röder ist stärker
als Zeichnerin denn als Bildhauerin. Ihre zarten Umriß-
zeichnungen von Menschen und Tieren sehen aus, als führten
sie den Beweis, in welcher Weise das Talent eines sehr be-
gabten Kindes durch eine kluge Schule die Gefahren und
die toten Strecken des Pubertätszeitalters zu überwinden ver-
mag. Wolf Röhrichts Kollektion macht glauben, daß dieser
Aquarellist — er aquarelliert gewissermaßen auch mit Öl-
farben — sich nun nicht mehr wesentlich verändern wird:
er wird wahrscheinlich der Mann der leichten Hand, des ge-
fällig gleitenden Pinsels und des elegant feinen Vortrags bleiben.

Franz Lenk stellte bei Neumann-Nierendorf kollektiv aus.
Man denkt vor seinen Bildern an Caspar Friedrich und auch
an Karl Haider. Die alte, die in Deutschland unsterbliche
Nazarenernote!

Die Kunsthandlung Viktor Hartberg führte zwei Künstler
vor: den in Paris lebenden Kanelba, dessen Malerei so deut-
lich nach Bonnard orientiert ist, daß der Betrachter zum Ver-
gleich gezwungen wird, wobei Kanelba naturgemäß verliert
— und den Bildhauer Laurent F. Keller, aus dessen aka-
demischer Formenwelt sich ein Paar Bildnisküpfe und die

Gestalt einer stehenden nackten Frau lebendig und wie Ver-
sprechungen abheben.

Eine mit Kanelba verwandte Erscheinung ist Max Band,
der in der Galerie J. Casper ausstellte. Auch seine Malerei
verdankt ihr Bestes der Pariser Schulung. Vortrefflich sind
ein paar Familienbilder. Auch einige Landschaften aus der
baltischen Heimat sprechen an. Anderes ist ungleich. Man
wird den Weg dieses jungen Malers aufmerksam verfolgen.

Die Galerie A. Flechtheim zeigte Bilder und Aquarelle von
Wassily Kandinsky. Darüber ist nun nichts mehr anzumerken:
Kandinsky ist längst ein Klassiker des absolut Nichtssagen-
den geworden.

Ein Teil der besten Publikationen des Inselverlags aus den
Jahren 1899— 1931 war in der Buchhandlung Ursula von Krosigk
ausgestellt. Auch dieser Ausschnitt schon gab ein Bild von
der ungewöhnlichen Leistung des Verlages in drei arbeits-
reichen Jahrzehnten. Das Gesamtwerk eines solchen Verlages
ist ein Kunstwerk: ein leitender Wille, viele Köpfe und viele
Hände haben wie Glieder eines Organismus zusammenge-
arbeitet. Ein Stück Kultur des unsichtbaren, aber unzerstör-
baren Deutschlands.

Ernst Geitlinger ist ein junger Münchner Maler, der in der
Galerie Weber ausstellte. Es geht etwas in ihm vor. Entfernt
läßt er an das Talent Waldemar Röslers denken. Vielleicht
ist etwas zu erwarten, wenn er erst die technische Roheit,
das etwas wüst Ilingestrichene überwunden hat. K. Sch.

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