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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 7
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Purrmann, Hans: Künstler und Händler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0317

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KUNSTLER UND HANDLER

VON

HANS PURRMANN

Die Fragen des Kunsthandels gew innen au Wichtigkeit,
werden gegenwärtig mit Ernst und Leidenschaft dis-
kutiert und die Öffentlichkeit bringt ihnen beinahe mehr
Interesse entgegen als den Fragen der Kunst selbst. Das
ist insofern ein Zeichen der Zeit, als wirtschaftliche Er-
wägungen sich überall in den Vordergrund gedrängt haben.
Arbeitslosigkeit trifft auch den Künstler, wenn seine Arbeiten
nur selten mehr einen Lohn, d. h. in diesem Fall einen
Käufer finden.

Sachverständige der Wirtschaft haben heute entscheidenden
F-influß auf die Fragen der Politik, Kunstinteressierte werden
mit Aufmerksamkeit hinhören, wenn Kunsthändler ihre
Erfahrungen mitteilen, wie es Fräulein Dr. Ring vor
kurzem an dieser Stelle getan hat. * Wenn ich, als Maler,
einige Vorbehalte machen oder widersprechen muß, so zuerst,
weil die Auseinandersetzungen des erwähnten Aufsatzes sich
nur auf Verhältnisse einer ausgesprochen kurzen Zeitspanne
beziehen, die sich in der Nachkriegszeit entwickelt haben.
Heute befinden sie sich schon wieder in einer schweren
Krise, die sich täglich mehr zuspitzt, so daß man einen
Zusammenbruch oder wenigstens eine Umbildung voraussieht.
Fräulein Dr. Ring geht bei ihren Betrachtungen von der
alle zwei Jahre in Venedig stattfindenden internationalen
Kunstschau aus. Sie bemerkt, daß die Franzosen die Aus-
stellung gleichgültig beschicken, daß aber trotzdem die dort
vertretenen Künstler im materiellen Sinne keine Nonvaleurs
sind, ja förmlich über einen katalogmäßig feststehenden
Wert verfügen, den man in der ganzen Welt mit ziemlicher
Bestimmtheit erzielen kann. Es ist dies um so auffälliger,
als die Künstler außerfranzösischer Länder mit ihren Pavillons
den Kunstfreund nicht selten mehr erregen oder ihn gar zur
Bewunderung zwingen.

Es ist kaum zu verstehen, daß es solchen Malern nicht
gelingt, der internationalen Schätzung zum allerwenigsten,
einen kleinen Teil des Wertes abzuringen, den man ihnen
national, das will sagen im eigenen Lande, zugesteht. Die
Gründe, die Fräulein Dr. Ring für diese Tatsache anzu-
geben weiß, sind aber nur zutreffend für die kurze und
außergewöhnliche Epoche nach dem Krieg. Da aber Fräulein
Ring zugleich Rückschlüsse auf unsere ganz anders gearteten,
dezentralen Verhältnisse zieht und Vorschläge macht, wie
man sich die französische Methode zum Vorbild nehmen
könnte, um die deutschen Kunstwerke zu einer feststehenden
nationalen und internationalen Bewertung zu bringen, so
möchte ich meine Anschauungen mitteilen.

Der neutrale Boden der Venetianer Ausstellung kann ein
Spiegelbild allgemeiner Kunstverhältnisse geben. Bietet die
französische Abteilung das Bild der Stetigkeit, der Stand-
haftigkeit und Ruhe, so sicher nicht die deutsche Schau.
Hier werden wir in den Kampf der Richtungen hinein-
gezogen. Das Gesamtbild wechselt bei jeder neuen Aus-
stellung, schon, weil ein Kunsthistoriker eines jeweilig
Jahrgang zy, Seite 179 fr.

anderen deutschen Kunstzentrums den Auftrag erfüllt, bei
der Auswahl der Kunstwerke seine höchst persönliche Ein-
stellung zur deutschen Kunst entschieden und bekenner-
haft auszudrücken. Wir Deutsche stehen im Kampf der
Wertungen, das Neue wird uns so wichtig gemacht, wie das
Abgetane verächtlich. Wir leben in der Unsicherheit unseres
eigenen Wertes und wissen nie, womit wir im Auslande
Eindruck machen könnten. Einmal so, das andere Jahr in
neuer Form, mit verschiedenem Erfolge; und dann wun-
dern wir uns, daß man uns nur flüchtig in den internatio-
nalen Kunstmarkt oder in sein Kunstleben einbezieht.

Dies Bild zeigt auch Deutschlands Kunsthandel, denn auch
hier gibt es viel Streit und wenig Ubereinstimmung. Jeder
Kunsthändler glaubt nur denjenigen Künstler gelten lassen
zu dürfen, den er vertritt, und er scheut sich keineswegs,
andere herabzusetzen, auch wenn es sich um bedeutende
Maler handelt. Zuckt man als Maler nicht immer zusam-
men, wenn man deutsche Künstlernamen, die einmal die
Geisteswelt Deutschlands in Atem gehalten haben, mit der
größten Verachtung aussprechen hört'r Jetzt plötzlich schämt
man sich ihrer, hält sie für überwunden und verkennt völlig
den Wert tatsächlicher Leistungen.

In Paris gibt es das nicht, abgesehen von notwendig be-
dingten, revolutionären Ausfällen, welche immer einer
Reinigung oder Ideenerneuerung vorausgehen. Heilig bleibt
dort heilig, darum können auch alle Händler und Kunstfreunde
einander in die Hände arbeiten. An was soll sich der deutsche
Kunstliebhaber und Käufer halten? Heute wird er mit
seinen Bildern gelobt, morgen verachtet, und so wird er
oft über dem Streit die Lust am Kunstwerk verlieren. Gewiß,
einmal war auch München der Ort, von wo aus ein dem
damaligen Zeitgeschmack und dem Geisteszustände ent-
sprechende Kunst zur Weltgeltung kommen konnte. Seine
Porträtmaler wurden aufgesucht, seine Kunst fand Vertretung
sogar in dem Kunsthaus Sedelmayer in Paris, genau wie
später die Franzosen durch Paul Cassirer in Berlin. Aber
auch die mächtigsten Kunsthändler in Paris waren nicht
imstande, Fehlgriffe wie Henner und Meissonier durch-
zuhalten, die wohl eine kurze Zeitspanne die Lieblinge der
Franzosen waren, vor vertieftem Kunsturteil aber nicht stand-
hielten. War es nun Disziplin der Pariser Kunsthändler,
die diese Maler zu hohem Wert brachten? Jedenfalls aber
waren es die Bewunderer einer neuen Kunst, die sie zu
Fall brachten.

Cezanne hat ein langes Leben in Aix zugebracht; hätte
er auf einer einsamen Überseeinsel gelebt, so wäre er ge-
wiß den französischen Kunsthändlern nicht unbekannter
geblieben. Man weiß genau, daß Vollard erst auf das immer
eindringlicher werdende Drängen einiger Maler anfing, sich
mit ihm kunsthändlerisch zu beschäftigen. Auch Matisse ver-
dankt seinen Aufstieg nicht dem Kunsthandel. Seine Aus-
stellungen und die Freunde seiner Kunst, die seine Bilder
öffentlich sehen ließen, öffneten ihm den Kunsthandel. Es

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