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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 7
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Scheffler, Karl: Expertisenkrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0322

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von selbst gekommen. Sie müssen nun die Folgen tragen;
den Letzten beißen, wie der Börsenwitz sagt, die Hunde.
Ihnen folgen aber nicht nur Flüche. In dem bekannten
Münchener Fall sind es vor allem die Stimmen der Künstler,
die für den Relegierten sprechen. Sie sagen, der Betreffende
hätte dutch seine enge Verbindung mit dem Kunsthandel
doch auch viel für das Museum, dem er diente, getan, und
die Künstler hatten von seiner praktischen Regsamkeit viel
profitiert. Das ist zweifellos richtig. In einem Ministerium
hat neulich einer der besten Kenner der Verhältnisse zu
bedenken gegeben, wie viele Vorteile den Museen aus der
Verbindung mit dem Handel erwachsen können. Besonders,
seit die Museen nur noch wenig Geld haben und nicht
mehr die vom Handel ohnehin umworbenen Kunden sind.
Es ist, zur Bekräftigung, der Name Bodes genannt worden.
Einer unserer klügsten Bestimmer von Kunstwerken, Max
J. Friedländer, der hier zuerst über die Expertisenfrage ge-
schrieben hat, erzählt mit Betonung, daß er einen Teil
seiner allgemein anerkannten Attributionen mit Hilfe von
Mitteilungen getroffen hat, die ihm von Händlern zugekommen
sind, Und ein Museumsdirektor hat einmal einem geheim-
rätlichen Kollegen, der sich verwunderte, als jener einem
Kunsthändler die Hand schüttelte, und der dazu bemerkte:
„F-inem Kunsthändler gebe ich nicht die Hand", geantwortet:
„Darum haben Sie auch so schlechte Bilder in Ihrem Museum."

Die Reinigungsaktion ist gut. Wir selbst haben ja, wie
gesagt, das Stichwort dazu gegeben. Jetzt, wo sie im Gange
ist, soll man aber auch die andere Seite sehen. Denn sie
ist beachtenswert. Das Ergebnis darf nicht sein, daß Schran-
ken zwischen der theoretischen Kunstwissenschaft der
Universitätslehrer, der praktischen der Museumsleiter und
der Erfahrung der Händler aufgerichtet werden, sondern
es muß versucht werden, Konventionen zu bilden, die
die gelehrten Kenner, die verantwortungsfrohen Händler
und die passionierten Sammler gleichmäßig vor den Ver-
führungen, die im Expertisenwesen liegen, schützen können.
Es handelt sich darum, Mittel zu finden, die die Standes-
ehre der Wissenschaft wahren, die den Händler zu einer
ehrenvollen Verantwortlichkeit seiner Kunstware gegenüber
anhalten, und die den Sammler erziehen, mehr seinen Augen
als dem Zettel der Autorität zu vertrauen. Ob diese Mittel
gefunden werden, indem die Händler — wie in Paris —
ein Syndikat bilden, das selbständig expertisierr, ob ein
generelles Verbot an alle Museumsbeamten, schriftliche Ex-
pertisen — nicht mündliche Auskünfte — zu geben, durch-
führbar ist, oder ob eine Standesorganisation der Kunst-
historiker, die über Treu und Glauben wacht, Erfolg ver-
spricht, das sollte von allen Beteiligten nun ernsthaft beraten
werden. Selbsthilfe ist wohl die einzig ganz wirksame
Hilfe.

HENRI ROUSSEAU, PASTORALE

AUSGESTELLT IN DER GALERIE KNOEDLER, NEW YORK. MIT ERLAUBNIS DER D.D.A.

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