Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Basler, Adolphe: Pariser Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0324

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
er. „Die Massen und der Charakter eines Bildes interessie-
ren mich vor allem ..."

„Ist das gut festgelegt, dann suche ich die Feinheiten
und die Form der Farbe. Ich komme immer wieder darauf
zurück, ohne System und ohne irgendwie aufgehalten zu
werden."

Und: „. . . Obschon ich eine gewissenhafte Imitation er-
strebe verliere ich doch nicht einen einzigen Augenblick die
Gemütsbewegung, die mich erfaßt hat. Das Reale ist ein Teil
der Kunst; das Gefühl vervollständigt."

„Zuerst muß die Zeichnung gesucht werden. Dann die
Valeurs — die Beziehungen der Formen und der Valeurs.
Dies sind die Anhaltspunkte. Nachher die Farbe. Zuletzt
die Ausführung."

Die Radierungen von Corot sind leichte, freudige Kritze-
leien. Die Offenherzigkeit seiner Vision und ihr expressiver
Liebreiz finden sich besonders in seinen Steindrucken und
seinen Glasklischees wieder.

Ambroise Vollard ist heute ohne Frage der größte Ver-
leger von Luxusausgaben. Und seine Bedeutung wird sich
mit der Zeit wohl noch steigern. Nichts reicht an die präch-
tigen Exemplare heran, die seine Firma tragen, in bezug so-
wohl auf den sorgfältigen Druck und die Zusammenstellung
des Buches als auch auf die Auswahl der Illustratoren. Es
zeugt für seinen Geschmack, daß er seine Mitarbeiter nicht
unter den berufsmäßigen Graphikern wählt, sondern sich an
die bemerkenswertesten Maler unserer Zeit wendet.

Wenn es ihn auch dreißig Jahre gekostet hat, den Biblio-
philen Pierre Bonnard aufzudrängen — heute sind alle von
diesem Meister entzückt. Der blendende Illustrator hat mit
dem lithographischen Stift, mit der Feder oder mit der
Nadel schöne Ausgaben von Longus, Verlaine, Mirbeau,
Jarry, Jules Renard mit außerordentlich scharfsinnigen Kom-
mentaren bereichert. „Parallelement" wird als die „Perle der
illustrierten Bücher" betrachtet. Was die Lithographien von
„Daphnis et Cloe" anbetrifft, so vergleicht sie Claude Roger-
Marx mit Bas-Reliefs. Er rühmt die „angeborene Wissen-
schaft der Proportionen, die Sensibilität des Striches, die
verschiedenen ».Atmosphären«, die technische Einfachheit
und eine Inspiration, die mit der beschwingten Freudigkeit
eines Kindes vergleichbar ist."*

ImHotel des Ventes erzielen „Parallelement" und „Daphnis"
die höchsten Preise. Bonnard hat kürzlich Mirbeaus „Dingo"
und eine „Sainte Monique" von Vollard mit Radierungen
oder Lithographien geschmückt. Vollard hat übrigens auch
Farbstiche von Pieire Bonnard herausgegeben, Momentbilder
aus dem Pariser Leben oder andere Genreszenen, die, wie
die Malereien des Meisters, reizend und feurig sind.

Der „Portique" veröffentlicht im „Cetalogue complet des
Editions Ambroise Vollard" an Stelle eines Vorwortes amü-
sante Erinnerungen des großen Verlegers. Vollard erzählt
uns zuerst, wie er zu seiner Verlegerneigung kam. Ganz
einfach durch eine Namensähnlichkeit! Hatte er nicht eines
Tages am Fuße eines Buchumschlages bemerkt, daß Ambroise
Firmin-Didot ein „Ambroise" war, wie er? Er sagte sich
also: „Ambroise Vollard, das wäre gar nicht so schlecht.

* Claude Rüger-Marx, Les Illustrations de Bonnard. (Plaisir de Bi-
bliophile. 19:16.)

Das klingt sogar besser." Es kam über ihn wie ein Verlags-
blitz aus heiterem Himmel. Und von diesem Augenblick
an sehen wir eine „Person, die Autoren sucht". Er wollte
mit einem Dichter beginnen. Aber mit welchem? Der liebe
Zufall verschaffte ihm den Dichter während einer Fahrt auf
dem Omnibus. Ein schlechtgekleideter alter Mann, der auf
seinen Knien ein ziemlich verkehrsstörendes Bild von Carriere
hielt, wurde vom bärbeißigen Schaffner angefahren: „Sie
hätten auch gleich Ihren Spiegelkasten mitnehmen können, als
Sie gerade dabei waren!" Und Vollard erfuhr von anderen
Fahrgästen, daß der arme Teufel, der sich begnügt hatte,
zu antworten, daß „er kein solches Möbel bei sich habe",
niemand anderer war als Paul Verlaine .... „Mit Mallarme
der größte Dichter von heute", hatte man hinzugesetzt. Der
frischgebackene Verleger von Luxusausgaben blätterte noch
am selben Tage bei Flammarion in Mallarmes „Vers etProse"
und in „Parallelement" und entschloß sich kurzerhand zu der
Auslese Verlainscher Dichtungen, die er in der Imprimerie
Nationale setzen und drucken ließ.

Ambroise Vollard, der sich jetzt kaum mehr mit Bilder-
geschäften zu befassen scheint — er, der Schätze moderner
Malerei aufhäufte —, hat sich nach und nach ganz und
mit beispielloser Leidenschaft dem Kult der schönen Lite-
ratur ergeben. Von den prächtigen Ausgaben dieses Buch-
mäzens sind besonders hervorzuheben: „Le Jardin des
Supplices", mit Illustrationen von Auguste Rodin, „Sagesse",
mit Holzschnitten von Maurice Denis, „Fleurs du Mal",
„Armours" von Ronsard, eine „Odyssee", illustriert von Emile
Bernard, „Le Pere Ubu ä la Guerre" von Ambroise Vollard,
mit Radierungen und einer Lithographie von Jean Puy, „La
belle Enfant ou l'Amour ä quarante ans" von Eugene Mont-
fort, illustriert von Raoual Dufy. Die Radierungen und
Lithographien dieses Künstlers tragen den Charakter einer
geistreich umrissenen dekorativen Bildnerei, die aber manch-
mal auf Grund einer fragmentarischen Technik in ein ge-
wisses formloses Flimmern übergeht.

Vollard hat in Vorbereitung: „Le Chef-d'oeuvre inconnu"
von Balzac, mit Radierungen von Picasso, „Georgiques", mit
Radierungen von Dunoyer de Segonzac. Dieser Meister be-
hauptet in der Radierung seine starke Originalität, seine
vielseitige Bildung, seine leichte Anmut, die Offenheit und
Geschmeidigkeit seines Faches. Er hat Stiche geschaffen,
wie der „Golf von Saint-Tropez", deren kräftige Weichheit
und poetischer Liebreiz an Corot erinnern. Er wird rauh,
wenn er Kriegsvisionen in die Radierung übersetzt. Seine
Platten, auf denen die Nadel mit Geist gefühlvolle Striche
zieht, sind hauptsächlich auf Grund eines noblen Stils und
kräftiger Akzente wertvoll.

Chagall wurde vor kurzer Zeit von Ambroise Vollard die
Illustration der Fabeln von La Fontaine anvertraut. Von
Vollard um meine Meinung befragt, antwortete ich, daß
Chagall die plastische Interpretation der Fabeln von Kryloff,
einem russischen Nachahmer des französischen Dichters,
besser liegen würde. Ich dachte dabei an die Meisterwerke
von Oudry. Inzwischen hat Ambroise Vollard, als er dem
literarischen und künstlerischen Paris die Aquarellkompo-
sitionen des jungen slawischen Meisters übergab, geschrie-
ben, daß sich die Fabeln von La Fontaine, eben auf Grund
ihrer Universalität, für die Darstellung durch Künstler aller

294
 
Annotationen