Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Beenken, Hermann: Kunstwissenschaft und Expertise, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0358

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ein Honorar sichert, das im Falle eines negativen nie zu
erhalten sein würde. Ist eine dieser Handlungen geschehen,
so ist ein Zurück nicht mehr möglich, die Grundlagen einer
nur dem wissenschaftlichen Gewissen verantwortlichen Kritik
sind für immer zerstört.

G.s Entrüstung über den „Ton" meines Angriffs täuscht
über die Tatsache hinweg, daß der Beschuldigte an wesent-
lichen Punkten seine Verteidigung unterlassen zu dürfen
glaubt. Die Diskrepanz der kritischen Standpunkte 1909 und
1930 wird nicht geleugnet. G.gesteht sie stillschweigend
ZU. Auch macht er nicht den Versuch, die Tatsache einer
Abhängigkeit seiner Person vom Handel in Abrede zu stellen,
die 1930 bestand, aller Wahrscheinlichkeit nach aber 1909,
wenigstens in diesem Ausmaße, nicht.

Zu seiner Verteidigung weist G. darauf hin, daß bei einer
Anzahl der von mir zurückgewiesenen Zuschreibungen die
Meinung anderer Gelehrter neben der seinen stehe. Eben
dies hatte ich loyalerweise selber geschrieben. Aber es
empfiehlt sich, einmal nachzulesen, wie sich zum Beispiel
Crowe und Cavalcaselle über G.s S. 23 und S. 87 wirklich
geäußert haben, wie die Qualitäten des einen Bildes so
beschrieben werden, daß man sich über seine Belassung in
B.s Oeuvre nur wundern kann, während bei dem anderen
im Prado die nur noch stellenweise ursprüngliche Erhaltung
betont wird, die G. auch hier unerwähnt läßt.

Im Falle des Stuttgarter Bildes sucht G. — anmerkungs-
weise — Deckung hinter einer Äußerung des „Burlington"-
Schriftleiters (auf die auch ich mit dem — in G.s Zitat
unterschlagenen —Worte „Erörterung" angespielt hatte), der
in diesem Falle aber keineswegs zuständig ist und der selber
seinen Mitarbeiter v. Hadeln zu decken bemüht war. Man
wird es begreiflich finden, wenn ich auf G.s eigene Mei-
nung mehr Gewicht lege. In einem Briefe vom 15. VIII. 1927
erklärt G., er wisse nicht, was neuere Restauration an dem
Bilde geändert habe. Er „vermute aber, daß es in Berlin
abgedeckt wurde und als man sich von dem — in
Langes Katalog hervorgehobenen — Zustand über-
zeugt hatte, wieder zugeraalt wurde". G. hat demnach
die gegen das Bild vorgebrachten schweren Bedenken im
wesentlichen selber geteilt. Er hat sie trotzdem in seinem

Buche verschwiegen. Verschwiegen auch einem etwaigen
Käufer des Bildes, der Mitteilung solcher Bedenken von G.
als gelehrtem Gutachter moralisch zu fordern berechtigt
wäre, doppelt und dreifach pflichtwidrig, wenn G. vorher eine
dem Bilde beigelegte Expertise geschrieben hatte, die viel-
leicht gutgläubig von diesen Bedenken noch nichts enthielt.
Der eine Hinweis: „Burlington Mag. 1927, S. 152" hätte ge-
nügt. G. aber hat nur S. 4 ff., d. h. nur die positive Beurtei-
lung des Bildes durch v. Hadeln zitiert. Zu der von ihm ge-
wagten Ausrede, „eine wesentlich persönliche Polemik
anzuführen", habe er keine Veranlassung gehabt, ist jeder
Kommentar überflüssig.

G.s Erwiderung zählt die Bilder auf, über deren Erhaltung
sein Buch Auskünfte gibt, alle sind in öffentlichem Besitz.
Von der trotz ihres Zustandes immer noch unsäglich herr-
lichen „Madonna degli Alberetti" heißt es: „durch Restaura-
tion besonders schwer mitgenommen". Es ist mir unmöglich
zu glauben, daß G. ehrlicherweise der Meinung sein kann,
seine „abgedeckte" und „wieder zugemalte" S. 164 und andere
Objekte des Handels seien weniger „schwer mitgenommen".
So niedrig schätze ich das Unterscheidungsvermögen selbst
eines „Kenners von Weltruf" nicht ein.

Trotz allem: Vorwürfe von der gleichen Schwere, wie sie
jüngst gegen einen anderen erhoben wurden, spreche ich
gegen G. nicht aus. Es sei auch nicht verkannt, daß der
Gelehrte G. fortwährend noch integre und unser Wissen
fördernde Forschungsarbeit leistet. Aber daneben konnte
dieser „Bellini" entstehen, für den im ganzen nicht der Ge-
lehrte, sondern der Experte G. verantwortlich ist. Der F'xperte
wollte sich und seine Tätigkeit wissenschaftlich legitimieren:
aber an der Unverträglichkeit außerwissenschaftlicher und
wissenschaftlicher Interessen an den Objekten scheitert sein
Buch. Der Experte verriet sich selber, und so rief er — da
das Buch gerade im Augenblick des Kampfes um die Rein-
haltung unserer Wissenschaft erschien — einen Angriff her-
vor, den der Gelehrte G. und diejenigen, die nur die eine
Seite seiner Person und nicht auch die andere zu sehen ver-
mögen, für ungerecht halten, der aber, da es jetzt auf eine
Sache ankommt, die über allem Persönlichen steht, nicht
ungerecht ist. H. Beenken

WANDTEPPICH, NORDDEUTSCH (?}, UM I5JO. 81:390 cm
SAMMLUNG MARCZELL VON NEMES.__VERSTEIGERUNG IN MÜNCHEN VOM 16.— Ig. JUNI

328
 
Annotationen