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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 8
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Eisenstadt, Marc: Die Versteigerung v. Goldschmidt-Rotschild
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0366

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DIE VERSTEIGERUNG
v. GOLDSCHMIDT-ROTSCHILD

VON

M. EIS EN STADT

Die ca. 630 Objekte der Sammlung Erich v. Goldschmidt-
Rotschild, die auf der vom 23. bis zum 25. März von
den Firmen Ball und Graupe abgehaltenen Versteigerung
fast restlos aufgenommen wurden, brachten das beträchtliche
Gesamtresultat von etwa 1700000 Mark, woran neben dem
vorwiegend interessierten Pariser Kunsthandel auch der
deutsche wesentlich beteiligt ist. Schon die erste kleine Ab-
teilung der Gemälde brachte Sensationen: daß Wildenstein-
Paris das vorzüglich erhaltene Mädchenbildnis von Drouais
(16) gegen schärfste Konkurrenz heimführen würde, war zu
erwarten: immerhin überraschte der Preis von 78000 (Taxe:
20 000), während Paters Gesellschaftsszenen (17, 18) mit 51 000
und 32000, die von einem ausländischen Sammler und Witte-
kind gezahlt wurden, nur einen Bruchteil der Taxen erziel-
ten. Für A- van de Veldes Flußlandschaft (8) wurden 52000
gegeben, für Gerrit Berkheydes „Kirche in Haarlem" (1)
47 000.

Von hoher (Qualität waren die Zeichnungen und Aqua-
relle. Um die Vorzeichnungen von Moreau le jeune zu dem
berühmten Stichweik „Monument du Costume" wurde heiß
gekämpft; Sieger blieb Boerner, der das silbrige Interieur
des „Accord Parfait" (39) mit 54000 und den „Pari gagne"
(40J für 5 3 000 im Aufrage eines Londoner Sammlers eroberte.
Der gleichen Firma wurden die beiden amüsanten Cochin-
Zeichnungen zugesprochen, das „Kabinett des Antiquars"
(33) für 1800 und der „Zeichenunterricht" (32) für 750. Das
hübsche Blatt mit vier hochfrisierten Frauenköpfchen von
Moreau (40a) erwarb Singer-Prag für 1150. Unter den deutschen
Zeichnungen wurde J. E. Riedingers bildmäßiger „Aufbruch
zur Parforcejagd" (26) mit 1000 bewertet, Chodowieckis fünf-
zehn Blatt Illustrationszeichnungen zu „Clarissa Harlowe" (23)
mit 2500, zehn Illustrationsblätter für den Lauenburger Ka-
lender (24) mit 1100 Mark.

Die höchsten Preise unter den französischen Farbstichen
erreichten zwei berühmte Blätter von Debucourt (52): „Le
Compliment" und „Les Bouquets", die 4300 brachten- Jani-
nets frische Farbdrucke (59—63) nach Lavreince erzielten
Preise bis zu 2800, für L. M. Bonnets „Rendez-vouz" (46)
wurden 2400 gegeben, für Gilles Demarteaus „Lesendes
Mädchen" (53) 1300. Die gesuchten Anglerdrucke von William
Ward nach Morland (95) stiegen auf 15200, die Pendants
mit ländlichen Darstellungen (92, 93, 94) auf 7100, 7400,
7800. Ein sehr gutes Exemplar der „Sophia Western" von
J. R. Smith nach Hoppner (85) wurde mit 6100 zugeschlagen,
Francesco Bartolozzis „Miß Farren" nach Lawrence (72) mit
8000. Die Brücke nach Francis Wheatlys „Cries of London"
(96—101) erzielten Preise zwischen 1600 und 3950 Mark.

Hoch, aber nicht übertrieben waren die Preise für signierte
französische Möbel. Den schwarzen Lackschreibtisch um
1730/40 (119) erkämpfte ein Schweizer Sammler für 33000.
Einer französischen Sammlerin wurden die edlen Dubois-
Möbel zugesprochen, die mit roten und goldenen Chinoise-
rien dekorierte Schwarzlackkommode (128) für 31000, das
Pendant mit Architektur-Chinoiserien (127) für 28000. Den
schwarzen Lack-Schreibsektetär des gleichen Meisters, das
Innere rot lackiert (123), erwarb Wittekind für 21000. Auf
27000 stieg die Rosenholz- und Palisanderkommode (167)
von Andre Louis Gilbert. Zwei schwarze Lack-Eckschränke
(132) von C. J. Dufour wurden mit 12000 zugeschlagen. Ein
Paar große Lehnsessel mit Gobelin-Bezügen um 1730 (143)
brachten 21000, vier Nußholzsessel um 1730 (139) mit Point-
bezug 14500.

Besonders gesucht und hoch bezahlt waren Meißner Por-
zellane mit Pariser Bronzemontierungen. PopofF-Paris sicherte
sich ein Paar Papageien mit Schwertermarke (198), mit me-
lonenförmigen Vasen und Montierung um 1745 für 30700,
eine Krinolinengruppe von Kändler (201), montiert auf großer

Kaminuhr in Pariser Goldbronze der Louis XV.-Zeit, für
13200. Ein Paar Kändler-Papageien (199), montiert auf drei-
kerzigen Pariser Leuchtern, wurde auf 13000 gesteigert, ein
Paar chinesische Flaschenkürbisvasen (202) in Louis XV.-
Goldbronze auf 10200. Ein Satz von drei apfelgrünen Sevres-
vasen in vergoldeter Bronze der Louis XVI.-Zeit (206) wurde
mit 8100 bewertet. Einen Rekordpreis erzielte das kleine
Louis XV.-Schreibzeug (205) auf Schwarzlackplatte mit pasto-
sen Chinoiserien in feuervergoldeter Bronzefassung: es wurde
mit 24000 Mark Wittekind zugesprochen.

Deutsche Silberarbeiten erzielten gute Preise: 5800 für
einen Augsburger Leuchter um 1720 (218), 3700 für eine
zwanzig Jahre später angesetzte Augsburger Tischglocke (221),
2800 für einen Nürnberger Kriegselefanten (213), 2000 Mark
für ein Augsburger Schreibzeug um 1730 (219).

Hochgewenet waren Pariser Bronzen: ein Paar Louis XV.-
Armleuchter (338) im Meissonnierstil wurden mit 28000 zu-
geschlagen, ein Paar Regence-Kandelaber mit 10000 (337),
ein Paar auf Gouthiere zurückgeführte vergoldete Bronze-
leuchter(352) 12600, ein Paar Louis XVI.-Wandleuchter (363),
Modell von Forestier, für 5300, zwei Leuchtervasen (354) mit
knieenden Tritonenkindern und weiblichen Masken 5800, ein
Reiseleuchter um 1780 (353) 6000, eine große Louis XVI.-
Standuhr (357) 4600 Mark.

Von erlesener Seltenheit waren zahlreiche Porzellane. FJnes
der schönsten Sevres-Stücke, eine Suppenterrine um 1757
(427), dem Jahre der Rose-Pompadour-Farbe, mit grün und
golden staffiertem Artischockendeckel, ersteigerte Wittekind
für 24000. 12000 kostete eine ovale rosa Jardiniere (428)
des gleichen Jahres mit zartem Blumen- und Früchtedekor,
2000 die apfelgrüne Bouillontetrine (430). Heiß umstritten
waren die Meißner Figuren. Für Meißner Gefäße höchster
(Qualität mit der Augustus Rex-Marke wurden Sensations-
preise gezahlt: Wittekind sicherte sich nach scharfem Ge-
fecht die blutroten Bechervasen mit Hafenbildern (582) um
1735 für 46000 und die Bouillonterrine um 1730 (583) mit
der Schwertermarke für 19000. Die zwei großen Augustus
Rex-Vasen um 1725 (457), deren Bemalung wohl auf J. E.
Stadler zurückgeht, wurden mit 14000 zugsprochen, der Satz
von drei großen AR-Vasen um 1735 (458) mit 12400. Der
kapuzinerbraun glasierte Walzenkrug mit silbervergoldetem
Deckel, Chr. Fr. Hörold 1732 (581), stieg auf 10000, die
gelben Flaschenkürbisvasen mit der Schwertermarke (459)
auf 8500, der Henkelbecher um 1730 (575) auf 5900 Mark.

Der große Erfolg dieser vorzüglich organisierten Auktion
wird sicherlich dem Kunsthandelszentrum Berlin zugute-
kommen.

Am 14. April wurde die Berliner Sammlung Jaft'e von
R. Lepke ausgeboten. Unter den Gemälden erzielte den
höchsten Preis, 7800 Mark, G. B. Tiepolos Madonnen-Vision
(125). Für Gaudenzio Ferraris „Geburt Christi" (126) wurden
3400 Mark genannt, für Giorgio Vasaris Marientafel (253,
aus anderem Besitz) 2600 Mark, für Palma Giovines „Grab-
legung" (127) 3000 Mark. Die feine Windmühlenlandschaft
von Jan Brueghel (137) wurde mit 1800 Mark zugeschlagen,
Nicolaes Maes' „Bildnis einer Dame" (136) mit 1800 Mark,
Jan Steens Genretafel (250, aus anderem Besitz) mit 7100 Mark,
die eigenartige „Kreuzigung" von Frans Franken II (260, aus
anderem Besitz) mit 820 Mark, das Doppelbildnis aus Darm-
stadt von Barthel Bruyn d. J. (251, aus anderem Besitz)
mit 9400 Mark.

Am gleichen Tag versteigerte R. Lepke eine Sammlung
türkisch-kleinasiatiscber Knüpfteppiche aus dem Besitz von
Exzellenz Schefik-Pascha-Stambul. Die wegen ihrer Einheit-
lichkeit interessante kleine Sammlung wurde günstig aufge-
nommen. Zwei kleinere kleinasiatische Gebetteppiche (170,
163) erwarb das Völkerkundemuseum für 270 und 220 Mark.
Zwei Medaillonteppiche aus Smyrna-Ushak (151, 152) um 1800
wurden mit 1700 und 2050 zugesprochen, eine anatolische
Nachahmung eines nordpersischen Baumteppichs (194) mit
1860, ein vielleicht von ägyptischen Vorbildern beeinÜußter
geometrisch gemusterter Wirkteppich (203) mit 1750.

NEUNUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ACHTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. APRIL, AUSGABE AM 1. MAI NEUN-
ZEHNHUNDERTEINUNDDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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