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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 11
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Grossmann, Rudolf: Das Erstlingswerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0456

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Terpentin, die schönen Palettmesser, das Drum und Dran
beim Malen, all das, was ich noch nicht durfte, hatte viel
mehr Reiz.

Er malte meist Heilige für Kirchen und zeichnete Karton-
fenster, deren Stil ich nicht verstand. Aber er war für mich
doch das Kunstforum nach dem Tod meiner auch malenden
Mutter. Ich hatte ordentlich Herzklopfen, als ich mich mal
losließ und jetzt gar mit seinen Pinseln und seiner Palette
losgezogen war.

Denn er war streng, erst müsse ich nach Gips ein Ohr
genau zeichnen können, alles andere hätte keinen Sinn.

So entstand mein Erstlingswerk, teils aus einem maleri-
schen Atavismus heraus, teils war es eine secessionistische
Tat; denn ich rückte da auch auf einen „muntern sacrum"
aus, auf den kleinen mir heiligen Rehberg, ab vom Scha-
blonenkram meines Onkels. Und als ich mit meinem Bild

herunterkam, sah er es gar nicht an. Er hatte gerade wieder
eines seiner Kirchenbilder auf der Staffelei stehen, auf dem
irgendein Heiliger mit einer ganzen Schar Gleichgesinnter
gen Himmel fuhr. Der Hut dieses Heiligen lag nebenan und
fuhr auf einer gekräuselten Dürerwolke mit hinauf.

Ich gab mir Mühe, mich für seine Heiligen zu interessie-
ren, dachte dabei natürlich mehr, sein Wohlwullen zu ge-
winnen für mein eigenes Oeuvre. Nun wullte er wissen, wie
alt der Heilige sei, für den ich mich so interessierte. Er griff
einen breiten Pinsel, einen sogenannten Verstäuber, und
wischte über alte Folianten Staubwolken weg. Dann schlug
er den einen auf.

Er fuhr erschreckt zurück: „Herrgott, der ist ja genau so

alt wie ü!"--So stand ich mit meinem Erstlingswerk

alkin — denn er sah es gar nicht an, — er sah immer nur
sich, eine Erfahrung, die ich nuch öfters machen sullte.

TH. GERICAULT, DIE ORDONNANZ. 60 : 49 cm

AUSGESTELLT IN DER LUDWIGSGALERIE, MÜNCHEN
 
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