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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 11
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Kunstausstellungen
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Eckstein, Hans: Münchner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0470

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spielen aus dem vierzehnten bis achtzehnten Jahrhundert
Charakter und Entwicklung dieses Kunstkreises veranschau-
licht. Ihre Höhepunkte hat die von der Malerei des Tre-
cento (Guariento di Arpo, Lorenzo de Veneziano) über den
engeren und weiteren Kreis um Bellini (Francesco Bissolo,
Cima da Conegliano), über Crivelli, Giovanni Mansueti zu
Tizian und Tintoretto und weiter bis zu Tiepolo, Canaletto,
Bellotto führende Schau in dem Bildnis eines jungen Mannes
von Alvise Vivarini, in dem menschlich einfachen Frauen-
bildnis von wundervoller zeichnerischer Klarheit der Malerei,
das mit Recht Carpaccio zugeschrieben wird, in einem
Frauenbildnis von Tizian, einem Männerporträt und der
großartigen Madonna der Familie Cornaro, die das Maler-
talent Tintorettos schön vergegenwärtigen, in Antonio Ca-
nales lavierter Federzeichnung des Piazzo di S. Giacomo
di Rialto und in der Rialtobrücke von Guardi, einer Vedute
hervorragender malerischer Qualität aus seiner mittleren
Schattenszeit. Von hohem Interesse ist ferner das eigen-
tümlich nordisch anmutende Bildnis des Markgrafen Albert
von Brandenburg, ein 1508 datiertes und signiertes Werk
von Dürers venezianischem Freunde Jacobo de'Barbari, das
Bildnis eines venezianischen Magistrats in weinrotem Da-
mastkleid mit schwarzer Schärpe und schwarzem Barett, eine
prunkende Malerei, die zu den besten Leistungen des Vin-
cenzo Catena gehört. In einem „büßenden Hieronymus"
darf man ein Spätwerk des Tizian bewundern, eine schöne,
warme, volltönende Malerei, deren Wohlklang allerdings
durch Restauration des Körpers etwas gestört wird.

Die Galerie Fleischmann hat eine Ausstellung „Das Bildnis
der deutschen Renaissance" veranstaltet, die in rund fünfzig
Gemälden das physiognomische Gesicht eines Volkes und
einer Epoche vergegenwärtigt. Die Schau vereinigt nicht
durchweg Meisterwerke der Malerei, obwohl auch diese nicht
fehlen, aber sie läßt, was in einer Zeit der Photographen-
hybris nur heilsam sein kann, Wert und Sinn des künst-
lerischen Bildnisses neu und unmittelbar bewußt werden.
Im künstlerischen Bildnis gibt es kein Zufälliges, die Wieder-
gabe des Zuständlichen greift über ins Sinnbildhafte. Das
wird vielleicht nirgends deutlicher als in der strengen zeich-
nerischen Sachlichkeit deutscher Porträtisten, denen Kleid
und Schmuck weniger zur Verfeinerung der Malhaut dienen
als zur Bezeichnung des Menschen. Auf einige Werke hoher
künstlerischer Qualität sei hingewiesen: auf das schwerlich
mit Recht Dürer zugeschriebene männliche Bildnis aus der
Sammlung Figdor, das anmutvolle, malerisch gesättigte Bildnis
einer Fuggerin von Amberger, ein Gelehrtenbildnis von
wundervoller menschlicher und künstlerischer Unmittelbar-
keit, das wohl unbestritten Schaffner zugewiesen wird, auf
das Porträt eines zarten Knaben im karminroten Wams von
Jakob Seisenegger. Lucas Cranach d. J. ist mit einem sehr
schönen Bildnis Georgs des Frommen von Brandenburg, der
Lübecker Cranachschüler Johann Kemmer mit einem in
seiner zeichnerischen Prägnanz bezaubernden weiblichen
Bildnis vertreten. Einige Bilder wie das Burgkmair und Breu
zugeschriebene Doppelbildnis, das weibliche Bildnis von dem
älteren Cranach sind aus der Sammlung Rohoncz bekannt.
Das Bildnis eines schwerblütigen Malerjünglings, das H.H.

Neumann als ein Selbstbildnis des jungen Grünewald aus-
gegeben hat, wird auch gezeigt; seine geringe malerische
Qualität rechtfertigt diese Zuschreibung nicht, auch kaum
die Buchners an Burgkmair.

Das Haus L. Bernheimer zeigt Khmer- und Siamplastiken.
Unter den rund hundert Werken, die der Katalog verzeich-
net, belinden sich mehrere Köpfe brahmanischer Gottheiten
und Buddhabilder des dreizehnten Jahrhunderts aus der
Schule von Lopburi; sie gehören, was bildnerische Kraft
betrifft, zum besten, was diese bis ins achtzehnte Jahr-
hundert hinein reichende Schau vereinigt. Gleichzeitig wird
eine Auslese hervorragender Textilien des vierzehnten bis
sechzehnten Jahrhunderts aus Spanien, Italien, Deutschland,
den Niederlanden, der Schweiz und aus Persien gezeigt.

Eine in ihrer qualitativen Erlesenheit einzigartige Schau
mittelalterlicher Miniaturen und Manuskripte hat das Anti-
quariat Jacques Rosenthal veranstaltet. Unter den Einzel-
miniaturen des hohen Mittelalters steht ein der Weingartener
Buchmalerei stilistisch verwandtes doppelseitiges Blatt von
monumentaler Größe aus der ersten Hälfte des zwölften
Jahrhunderts an erster Stelle (Darstellung des heiligen Gregor
als Schreiber und eines messelesenden Bischofs, vielleicht
elsässisch). Hervorragend schön sind die italienischen Minia-
turen des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts (Neri
da Rimini und eine Initiale in der Art des Lorenzo Mo-
naco, toskanische, umbrische, bolognesische Miniaturen),
ferner französische Blätter aus dem Livre d'Heures, und
ein zu dem Sforza Book of Hours im British Museum ge-
höriges Blatt mit einer Anbetung, das die lombardische
Buchmalerei auf ihrem Höhepunkte repräsentiert. Eine Aus-
wahl von Miniaturenmanuskripten veranschaulicht die Ent-
wicklung von der klösterlichen Handschrift (Tegernsee) über
das Miniaturenmanuskript privater Werkstätten (Beispiele aus
Frankreich, vierzehntes Jahrhundert) bis zu der dem Holz-
schnittbuch voraufgehenden volkstümlichen Miniaturenhand-
schrift des fünfzehnten Jahrhunderts.

Die Galerie J. B. Neumann und Günther Franke hat aus
ihren Beständen eine Auslese zeitgenössischer Kunst ver-
anstaltet, in der Derain, Dufy, Heckel, Herbig, Klee, Kersch-
baumer, Kirchner, Laurencin, Pascin, Marc, Macke, Nolde,
Rouault, Kokoschka und Beckmann erscheinen. Lehmbruck
ist mit fünf frühen Kunststeingüssen vertreten, unter anderen
mit der wundervoll bewegten Badenden von 1914, Maillol
mit der kleinen Haarbinderin, Ilaller mit zwei Bronzen,
Barlach mit dem Holzrelief der Apfeldiebin. Von dem
Münchner Bildhauer Karl Knappe ist eine Haltung und
Charakter des Menschen ohne alle naturalistischen Details
überraschend vergegenwärtigende Liebermannbüste ausge-
gestellt. Außerdem wird in großenteils seltenen Drucken
Graphik von Delacroix, Corot, Manet, Cezanne, Lautrec,
Picasso usw. gezeigt. Mit einer Darbietung ähnlicher Art
tritt die Galerie Caspari hervor. Im Mittelpunkt der Gemälde,
Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen von Degas, Signac, Seurat,
Rodin, Maillol, Derain, Pascin, Matisse und Picasso ver-
einigenden Schau stehen Bilder von Kokoschka, die im
wesentlichen frühere Eindrücke bestätigen.

Hans Eckstein

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