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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 12
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Tietze, Hans: Carl Schindler (1821-1842)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0498

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Spielart dieser biedermeierischen Kultur mit ihrem größeren
Schwung und ihrer dekorativen Sicherheit überhaupt in der
reichen und hier über ihr sonst gültiges Zeitmaß hinausge-
wachsenen Barocktradition wurzelt; individuell aber, weil
ein Leben und Schatten, das im einundzwanzigsten Jahre
abbricht, von persönlicher Tragik erfüllt sein muß. Jene
Grabschrift von dem reichen Besitz und den noch reiche-
ren Erwartungen, die ein vorzeitiger Tod uns raubte, wie
sie Grillparzer Schubert — und ahnungslos so vielen ande-
ren österreichischen Begabungen — schrieb, gilt auch hier,
trostreich und hoffnungslos; Resignation und Verzweiflung
klingen schrill zusammen. Den Verfassern, die ein solches
Fragment zu deuten haben, ist das vorhandene Werk — er-
staunlich reich für die karg gewährte Arbeitsspanne — das
schlechthin gegebene Phänomen, das Unvollendete schien
vollendet; das unerhellbare Dunkel des Ungetanen existiert
für sie nur als Folie eines vielverheißenden Vorfrühlings-
tages. Hierin liegt der Mangel dieses geschmackvoll geschrie-
benen und von der Osterreichischen Staatsdruckerei ge-
schmackvoll ausgestatteten Denkmalbuches; es belastet dieses
Leben, das doch nur der Anfang eines Lebens war, zu schwer,
indem es Früchte fordert, wo — naturgemäß — nur Blüten
da sein konnten. Die weite kunsthistorische Perspektive, die

die Autoren ihrem Thema aufnötigen, erstickt das mensch-
lich Rührende der Erscheinung Schindlers; was er der öster-
reichischen und deutschen Kunst hätte werden können,
können wir ahnen und konstruieren, nicht einmal hoffen,
denn das Fragmentarische ist es eben, das seinem Antlitz
die ewige Maske prägt. Absolut genommen ist seine Leistung
gewiß bewunderungswürdig. Die Werke dieses Knaben und
nie mehr als Jünglings — Ölbilder und Aquarelle, Zeich-
nungen und Lithographien — verraten eine farbige Kühnheit
und lineare Grazie, die der frühreife Instinkt eines krän-
kelnden Kindes zur altweisen Sicherheit eines Todgeweihten
erhebt. Die der Generation nach den Freiheitskriegen von
neuer Bedeutung erfüllte Welt des Soldatischen ist die
Sphäre, in der er sich am selbstverständlichsten bewegt;
hier entfalltet sich die Grundnote seiner Kunst, Erfül-
lung überkommener heroischer Formel mit individueller
Beobachtung, am natürlichsten. Hier — und von hier aus
auf allerhand Nachbargebiete des Lebens überwachsend
— konnte in Schindler ein süddeutscher Menzel entstehen;
nicht daß er es vielleicht geworden wäre, sondern daß
er es durch seinen frühen Tod nicht geworden ist, nicht
werden konnte, verleiht seiner Gestalt ihren persönlichen
Schimmer.

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