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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 12
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Fischel, Oskar: Dreizehnte Veröffentlchung der Prestel-Gesellschaft: Zeichnungen italienischer Meister in der Kunsthalle zu Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0510

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Dreizehnte Veröffentlichung der Prestel-Gesell-
schaft: Zeichnungen italienischer Meister in der
Kunsthalle zu Hamburg

Mit dreißig Blättern der italienischen Schule setzt die
Prestel - Gesellschaft ihre Publikation der Hamburger
Zeichnungen fort. Man kann mit Genugtuung konstatieren,
daß, im Gegensatz zu mancher heutigen Publikation, die
meisten Stücke die Ehre eines Lichtdrucks verdienen.

Gustav Paulis wohlerwogener Text läßt in die Überle-
gungen dabei hineinblicken. So trifft man sich mit ihm in
Zweifel und Zustimmung; dem Referenten bleibt nicht viel
aus- oder hinzuzusetzen.

Das schöne grüngrundierte Silberstiftblatt der Madonna aus
der Darbringung Mantegnas in den Uflizien ist doch wohl
eher eine Kopie. Die starre Mantelecke, die unmotivierte
Fältelung des Kopftuches, beide im Bild sehr klar entwik-
kelt, sprechen hier gegen einen gestaltenden Künstler.

Mit dem Doppelblatt voller Studien nach bolognesisch-
ferraresischen Motiven rundet sich das viel zitierte Skizzen-
buch unter Zoppos Namen immer mehr ab.

Die Dämonenaustreibung des Fra Filippo, zum Wandbild
in Prato, auf weinrot grundiertem Papier mit eingesaugtem
Deckweiß, die richtige Freskantenzeichnung sieht man in so
trefflich auf die Technik eingehender Reproduktion gern wieder.

Bedenken gegen den weichlichen Jünglingsakt als Botti-
celli (Nr. 4) werden auch durch „einen Kenner wie Adolfo
Venturi" nicht beschwichtigt. Ist der Herausgeber seiner eignen
italienischen Kennerschaft so wenig froh, daß er solche Eides-
helfer braucht? Dagegen ist in Davide und Filippino Botti-
cellis Gefolgschaft gut und überzeugend vertreten.

Eine besondere Überraschung bieten die vier Lionardo-
Blätter: Die Jünglinge und der heilige Joseph mit Kinder-
studien zu einer Anbetung, die neuerdings durch Suidas
Rekonstruktion Interesse gewann; Aristoteles und Phyllis
steht dem rätselvollen Oxforder Blatt sehr nahe. Den hei-
ligen Sebastian hat auch Raphael gekannt und variiert. Ein
wildkarikierter Kopf in Rötel gewinnt durch seine Beischrift
als phvsiognomische Studie besonderes Interesse.

In üblichem Abstand folgt sein Schüler Ambrogio de Predis
mit einem Protilbildnis.

Die Florentiner große Gebärde der Hochrenaissance spricht
aus zwei Stücken Fra Bartolommeos. Ein Doppelblatt mit
schonen anbetenden Figuren und ein auf beiden Seiten be-
zeichnetes Skizzenbuchblatt mit den umbrisch angewehten
Figuren aus der Zeit des W iederbeginns in Raphaels Nähe
nach dem selbstgewählten Verzicht im Kloster.

Der überzeichnete Sebastian (Nr. 16) war wirklich ein Ra-
phael. Er steht in der Form dem köstlichen Frühbild in Bres-
cia, dem segnenden Christus ganz nahe.

Für Timoteo Viti fällt in Hamburg die Wahl schwer, so
gut ist der „gagliardo disegnatore" und schwache Maler ver-
treten, dem Morelli die Ehre tat, ihn Raphael ähnlich zu
finden. Statt des wunderbaren Jünglings im Mantel und des
betenden Christus vom Olberg gab man hier eine etwas
magere Anbetung mit Motiven aus Francias Epiphaniasbild in
Dresden, für die schon einmal ein Name aus Costas Um-
gebung wahrscheinlich gemacht worden ist.

Unter Pontormos Namen (Nr. 19) ist eine allegorische,
in interessantem Kontrapost sitzende Frauengestalt gegeben.
Diese Benennung konnte bisher durch kein ausgeführtes Werk
des merkwürdigen Manieristen begründet werden. Entschie-
den dagegen spricht, daß die Figur in einem Zwickelfresko
über Luinis schönen Frauengestalten im Monastero maggiore
zu Mailand vorkommt. Sie wird also von dem sicher zu er-
kennenden Maler dieser Zwickel dafür erfunden sein.

Man kommt über einige gleichgültige Barockblätter gern
zu den sprühenden Zeichnungen des achtzehnten Jahrhun-
derts. Eines von Magnascos nicht häufigen Blättern beginnt
die Reihe. Von Antonio Canale bringt ein großes Blatt die
Sängerempore aus San Marco in dem etwas ausgelaugten
Stil, an dem jetzt der Kunsthandel Überfluß hat. Wenn diese
Art Blätter begehrenswert erscheinr, so wird der Meister als
Zeichner ebenso weit überschätzt, wie er als Maler unter-
schätzt zu werden pflegt. Von einem so geistreichen Radierer
sollten weniger schematische Blätter zu finden sein.

Über Guardis Lagunenlandschaft geht es schließlich zu
einer Reihe Feder- und Pinselimprovisationen in der Art
der Carceri und anderer Bühnenentwürfe von Piranesi Sie
sind als Theatermaterial von der harmlos bildlosen Philo-
logie überschätzt und totgehetzt und werden hier in Schat-
ten gestellt durch die sprühenden Karnevalsmasken, ein bei
diesem in architektonischen Motiven phantasierenden Künst-
lern seltener Griff ins Leben.

Die meisten dieser Blätter entstammen dem Vermächtnis
des Hamburger Sammlers Ernst Harzen. Er hat damit seiner
nordischen Heimat das seltene Geschenk einer ganz gewähl-
ten Reihe italienischer Meisterzeichnungen zugute kommen
lassen. Die Mappe, noch dazu in der bei der Prestel-Gesell-
schaft gewohnten Güte der Reproduktion, kann als ein Ehren-
mal des verdienten und im besten hanseatischen Sinne
bürgerlichen Mäcens gelten.

Oskar Fischel

NEUNUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ZWÖLFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. AUGUST, AUSGABE AM 1. SEPTEMBER
NEUNZEHNHUNDERTEINUNDDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON
BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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