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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft II (Februar 1907)
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Trunk, Hans: Vortrag des Malers Trunk in Strassburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0026

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— 14 —
Unterricht bevorsteht, erinnert sein soll. Die Fortschritte eines modernen Kultur-
Staates, die konstante Steigerung der Leistungen in Industrie, Handel und Verkehr
bedingen naturgemäss ein immerwährendes Anpassen an die herrschenden An-
sichten. Der Konkurrenzkampf der Völker verlangt unausgesetzt das Aufgebot
aller geistigen Spannkraft.
Ein Lehrgegenstand ist vermöge seines Ziels und Zwecks besonders berufen,
Unser ganzes Erziehungswesen harmonisch zu verbinden, auf jeder Stufe unseres
Bildungsganges, vom Kindergarten bis zur Universität, einen wichtigen Faktor der
Allgemeinbildung vorzustellen, die Zahl der Aus drucks mittel um ein bedeutendes
zu vermehren, hiemit den Kontakt mit den Forderungen jeder Lebensaufgabe her-
stellend. Der erzieherische Wert des Zeichnens ist zu keiner Zeit verkannt worden,
aber eben dieser Wert wurde, weil er ein doppelter ist, zu verschiedenen Zeiten
verschieden beurteilt. Der Zeichenunterricht ist dazu berufen, der zu erziehenden Jugend
die idealsten Güter zu vermitteln, indem er sie zur Erkenntnis und zum Genuss wahrer
Schönheit führt und gleichzeitig durch die Pflege des Gedankenaustausches neben
Sprache und Schrift einem realen Zwecke dient. Je nachdem der einen oder
andern dieser Haupteigenschaften des Zeichenunterrichts das Uebergewicht in der
Wertbeurteilung gegeben wurde, vollzog sich eine Reformbewegung, begann eine
Zeit veränderter Auffassung, wie wir sie in unseren Tagen zu erleben und zu be-
obachten Gelegenheit haben.
Als man in Deutschland um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine bedenk-
liche Inferiorität auf dem Gebiet der angewandten Kunst in ihrem ganzen Umfang
erkannt hatte, wollte man möglichst rasch der grossen Gefahr, welche unserer
Kulturentwicklung und damit dem Nationalwohlstand drohte, mit allen Mitteln
begegnen. Man erinnerte sich der herrlichen Zeit, die den Hochstand deutscher
Kunst gesehen und wollte nun die Jugend für alles, was die Väter geschaffen,
begeistern. Damit begann die Zeit des Kopierens und Nachahmens, wodurch die
Schüler dem Urquell aller Kunst, der Natur, völlig entfremdet werden mussten.
Die Ansicht, dass der Zeichenunterricht vor allem und überall eine gewerblich-
technische Ausbildung vorbereiten müsse, hielt lange fest, trotzdem eine Anzahl
einflussreicher Gelehrter — es sei hier nur an Prof. Matthäi, Wiedersheim,
Konrad Lange erinnert — bemüht war, den richtigen Weg zu weisen. Das
ungenügende Ergebnis eines so wichtigen Erziehungsmittels, wie das Zeichnen es
ist, bewog damals einen bekannten Kunstgelehrten zu einem harten Urteil, das so
viel Aufsehen erregt und die Entrüstung der ganzen Lehrerschaft hervorgerufen
hatte. Diese wies die erhobenen Vorwürfe zurück in dem Bewusstsein, auch unter
schwierigen Umständen ihr möglichstes getan zu haben; und dass diese Verhält-
nisse höchst ungünstige waren, können wir heute, wenn wir die jetzt herrschende
Auffassung über den Zeichenunterricht in Vergleich bringen, am besten beurteilen.
Der deutsche Zeichenlehrer trägt durchaus nicht die ganze Schuld an jenem Miss-
erfolg; er war jederzeit bemüht, den vielen amtlichen Bestimmungen gerecht zu
werden, und wenn eine solche eine Ausbildungszeit von sechs Wochen für aus-
reichend hielt, um einen fertigen Zeichenlehrer in die Klasse zu stellen, so beweist
dieser Umstand eine zu geringe Bewertung des ganzen Unterrichts. Es fehlte
übrigens nicht an tüchtigen Lehrern, welche die Unzulänglichkeit des bisher be-
obachteten Verfahrens wohl einsahen und die Freiheit, die ihnen durch die amtlichen
Verordnungen gelassen wurde, dafür verwendeten, dem bewährten Modellzeichnen
 
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