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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft VI (Juni 1907)
DOI Artikel:
Trunk, Rudolf: Die Ausbildung des Zeichenlehrers, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0082

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schehen, dass eine längere Studienzeit verlangt, höhere Anforderungen gestellt, aber
dafür den Geprüften ein zeitiges Einrücken in den Schuldienst ermöglicht werde.
Als erstrebenswertes Ziel für die Stellung des Zeichenlehrers und seines Unterrichts
ist weniger das Beispiel Preussens, als das der süddeutchen Staaten zu betrachten,
wo er, Techniker, Künstler und Lehrer zugleich, regen Anteil nehmen kann an
der gewerblichen Entwicklung des Landes und wo er, gestützt auf seine Betätigung,
mehr Ansehen geniesst und seine Arbeit eine höhere Wertung erfährt.
Wenn aber der Zeichenlehrer seine Stellung gut ausfüllt, das Aeussere, das
Ansehen seiner Leistung in Einklang bringt mit dem inneren Gehalt, indem er
stets darauf bedacht ist und eifersüchtig dafür sorgt, dass er Wissen und Können
steigere, so ist — und dieser Wunsch gilt besonders für Elsass-Lothringen — ihm
der bevorzugte Platz auch zu gönnen, den seine Kollegen im übrigen Süddeutschland
längst einnehmen.
Noch während diese Zeilen zu Papier gebracht werden, erscheint die neue
Prüfungsordnung für Elsass-Lothringen, welche analog der preussischen, eine
wesentliche Verschiebung des Fachstudiums bedingt und deshalb für die Aus-
bildung der jungen Lehrkräfte einen andern Weg notwendig macht. An der
Fassung dieser neuen Prüfungsbestimmung fällt zunächst auf, dass sie in Bezug
auf Fachkenntnisse an Zeichenlehrer und -Lehrerinnen dieselben Anforderungen
stellt. Die Prüfung selbst wird in zwei Stufen abgelegt, entweder für mehrklassige
Volks- und Mittelschulen oder für die höheren Lehranstalten; das Prüfungszeugnis
an und für sich befähigt aber noch nicht zur festen Anstellung, solange es nicht
den Vermerk trägt über ein erfolgreiches Bestehen eines Probedienstjahrs an einer
öffentlichen, dem Grad des Prüfungszeugnisses entsprechenden Schule. Die Be-
dingungen zur Zulassung haben nur für die Zeichenlehrerinnen eine Verschärfung
erfahren, als von ihnen der erfolgreiche Besuch einer zehnklassigen höheren Mädchen-
schule, oder die Befähigung als Turn- und Handarbeitslehrerin oder als Lehrerin
für Hauswirtschaftskunde gefordert wird. Ausnahmen können nur noch mit Ge-
nehmigung des Staatssekretärs eintreten. Die Prüfung selbst erfährt eine auffallende
Aenderung, als künftighin die kunstgewerblichen Fächer und das Gipszeichnen
vollständig ausgeschlossen sind und dafür der Schwerpunkt auf Naturstudien und
.vertiefte künstlerische Auffassung gelegt wird. Figürliches Zeichnen und Malen
nach dem lebenden Modell, Anatomie, landschaftliches Zeichnen, Malen und Model-
lieren nach der Natur bilden in Zukunft Gegenstände einer Ergänzungsprüfung, welcher
sich der Kandidat nach eigenem Ermessen unterziehen kann. Fast scheint es, als ob
diese Neuordnung den Kandidaten schädigen könnte, indem sie ihm entgegen der
alten Bestimmung die praktische kunstgewerbliche Tätigkeit unmöglich macht. Dieser
Nachteil wird aber reichlich aufgewogen durch die Aussicht, im preussischen Ver-
waltungsgebiet zum Schuldienst zugelassen zu werden und was die kunstgewerbliche
Ausbildung betraf, so konnte diese bei den hohen Anforderungen an das eigentliche
Fach fast nie mit jener Gründlichkeit betrieben werden, welche ein wirksames
Mitarbeiten im Kunstgewerbe unter allen Umständen voraussetzen muss.
Die Ansichten über die Art, wie die Lehrkräfte für den Zeichenunterricht
auszubilden seien, sind zwar heutzutage nicht mehr so verschieden wie früher. Die
Erfahrungen der letzten Jahre, der Unterschied in der Beurteilung des Unterrichts
selbst, die allgemeine Anerkennung seines Erfolgs und seine Notwendigkeit als
Erziehungsmittel haben diese wichtige Frage einer zufriedenstellenden Lösung näher
 
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