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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft VI (Juni 1907)
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Kolb, Gustav: Der neue Lehrplan für Zeichenunterricht an den württ. Volksschulen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0086

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Was dann clie Lehr mittel frage anbetrifft, so ist ganz klar, dass ein Lehr-
plan, der das Zeichnen nach „wirklichen Gegenständen“ vorschreibt, nur dann
durchführbar ist, wenn diese Gegenstände auch wirklich vorhanden sind. Und da
glaube ich, dass die Stoffauswahl und -anordnung, die dem Lehrplan vorangestellt ist,
leicht zu Missverständnissen Anlass geben könnte. Wenn auch die Freiheit gewährleistet
ist, dass man hier seine eigenen Wege gehen darf, so wird doch mancher Lehrer sich
allzu ängstlich, allzu gewissenhaft oder aus Bequemlichkeit an die im Lehrplan an-
gegebene Auswahl halten. In der Tat, dies ist der einzige Punkt des Lehrplans,
der ernsthafte Bedenken hervorruft. Glauben Sie ja nicht, dass ich den Nörgler
spielen will, aber aus verschiedenen Aeusserungen, die mir in den letzten Wochen
aus Lehrerkreisen zukamen, entnahm ich, dass hier eine Klippe droht, die wir vor-
sichtig umgehen müssen. Mit Recht enthält der Lehrplan die Bestimmung: „in
der Hauptsache ist auf allen Stufen der Massenunterricht durchzuführen“; denn
die Erfahrung lehrt, dass mit Einzelunterricht, der ja in mancher Hinsicht das Ideal
wäre, bei einer Schülerzahl von 15 und mehr Schülern in der Praxis nichts oder
wenigstens nicht viel erreicht wird. Weil Massenunterricht nun voraussetzt, dass
ein und derselbe Gegenstand jeweils von der ganzen Klasse gezeichnet wird, so
folgt daraus, dass in der Regel soviele Exemplare des Gegenstandes zur Verfügung
stehen müssen, als Schüler vorhanden sind. Eine Ausnahme findet nur dann statt,
wenn der zur Behandlung stehende Gegenstand genügend gross ist, um als Klassen-
modell zu dienen. Beachtet ein Lehrer dies nicht und lässt mehrere Schüler
nach einem Gegenstand zeichnen, obwohl sie ihn nicht richtig sehen können, so
befördert er ein ungenaues Zeichnen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass
mancher Lehrer sich durch den Mangel an Lehrmitteln verleiten lässt, den betr.
Gegenstand an der Wandtafel vorzuzeichnen, um diese Vorzeichnung von
den Schülern nachzeichnen zu lassen und nicht bedenkt, dass er das Kopier-
system durch eine Hintertüre wieder hereinlässt. Wie wenig diese Gefahr selbst
von manchen Fachleuten beachtet wird, das lehrt uns ein Blick in die vielen Leit-
fäden und „Lehrgänge“, die in letzter Zeit im Buchhandel erschienen sind. Es
finden sich darunter nur sehr wenige, deren Anwendung und Durchführung in der Praxis
möglich ist. Unser Verein suchte diese Lücke auszufüllen durch Herausgabe eines
praktischen Lehrgangs, der sich strenge daran hält, dass er nur Gegenstände heranzieht,
die ohne erheblichen Lehrmittelaufwand zu beschaffen sind und die in der Hauptsache
von den Schülern selbst mitgebracht werden. Dass dieser Lehrgang einem tatsäch-
lichen Bedürfnis entgegenkam, beweisen die vielen anerkennenden Beurteilungen.'")
Es wird nun im Interesse vieler Lehrer sein-, die Stoffauswahl und -anordnung des
Lehrplans von diesem Gesichtspunkt aus durchzusehen. Als Gegen stände für den Massen-
unterricht hätten auszuscheiden im 4. Schuljahr: Maueröffnung mit Eisenstäben,
Taschentuch mit farbigen Rändern, Dominosteine (übrigens auch zu klein), Stern-
formen (nur dann zu zeichnen, wenn der Lehrer solche aus farbigen Papieren genü-
gend gross ausschneidet), Giebel mit verschiedenen Grundformen (nur dann zu
zeichnen, wenn Zeichnen im Freien betrieben wird). Setzwage, Uhrtafel (eine
*) „Beiträge zur Zeichenunterriclitsreform“, 1. Teil. Preis Mk. 1.— ’, zu be-
ziehen durch Zeichenlehrei’ Kolb, Göppingen. Der „Kunstgarten“ (Oktoberheft 1906) schreibt
u. a. darüber: „Die ganze Ausführung, immer mit methodischen Winken, ist so klar und
vorzüglich, dass sie bei Anwendung in einfachen Verhältnissen gute Dienste leisten wird
und auch ausserhalb Württembergs, z. B. gerade in Preussen den bisher sich abwendenden
Kreisen eine wirkliche Anleitung geben kann.“
 
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