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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft X (Oktober 1907)
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Kolb, Gustav: Die badische Landeszeichenausstellung in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0124

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Schule. Was lag also näher, als die Reform, die auf dem kunstgewerblichen Ge-
biet schon Früchte zeitigte, auch auf den Zeichenunterricht der Mittel- und Volks-
schulen überzutragen.
Man war nun allenthalben eifrig bemüht, dem mechanischen Vorlagendrill
dadurch zu entgehen, dass man die Pflanze in den Zeichenunterricht einführte.
Sie war aber nur Mittel zum Zweck und diente vornehmlich dazu, dass man den
Schüler anleitete, aus diesen Naturformen Ornamente zu entwickeln. Auf diese
Weise wollte man ihn von der toten Nachahmung befreien und zur Selbsttätigkeit
und zu produktiver Arbeit erziehen. Immerhin bedeutete diese Epoche der Ent-
wicklung einen gewaltigen Fortschritt, und heute erkennen wir, dass sie eine Haupt-
station auf dem Wege der Reform bildete, die sich immer mehr vom Ornament
und damit vom kunstgewerblichen Zeichenunterricht emanzipierte.
Damals aber schossen die Werke wie Pilze aus dem Boden, die die Aufgabe
verfolgten, die Pflanze und das Entwickeln von Ornamenten in den Zeichenunter-
richt der allgemeinbildenden Schule einzuführen.
Auch die badische Zeicheninspektion trat in jener Zeit mit einer Publikation,
die wahrlich nicht die schlechteste war, in die Schranken, um für den Fortschritt
in diesem Sinne einzutreten.
Das alles überdachte ich auf meiner Fahrt zum Verbandstag, der uns u. a.
auch Gelegenheit bieten sollte, den neuesten Stand des Zeichenunterrichts der
Lehrerseminarien und der Mittelschulen kennen zu lernen.
Ich sagte mir im Stillen, die Zeicheninspektion dieses Landes, die schon vor
Jahren die Reformbewegung mit Aufmerksamkeit verfolgt und sich nicht passiv
verhalten sondern mitgewirkt hat, wird wohl auch seitdem nicht stillgestanden sein i
* *
*
In dieser Annahme sollte ich denn auch nicht enttäuscht werden, wie mir die
Ausstellung, die im Orangeriegebäude untergebracht war, auf den ersten Blick zeigte.
Ausgestellt hatten alle 4 Seminarien und 4 höhere Töchterschulen. Der helle
freundliche Raum, in dessen Mitte ein von Pflanzen geschmückter Brunnen melodisch
plätscherte, bot genügend Raum zur übersichtlichen Anordnung sämtlicher Schulen.
Ein Vergleich mit unserer Reformzeichenausstellung, die im Herbst 1905 stattfand,
fiel in dieser Hinsicht nicht zu Gunsten letzterer aus. Die Vorhalle des Landesgewerbe-
museums war damals vollgepfropft mit Ständern und Rahmen, die zum grossen Teil
schlecht beleuchtet und häufig so enge zusammengestellt waren, dass nicht zwei Besucher
gleichzeitig hintereinander vorbeigehen konnten. Die badische Ausstellung war dagegen
mustergiltig angeordnet und bot ein äusserst vorteilhaftes Gesamtbild. Der Raum
zwischen den einzelnen Rahmen war genügend breit, um einer grösseren Besucherzahl
hinreichende Bewegungsfreiheit zu gewähren und die Möglichkeit, die Arbeiten aus der
notwendigen Entfernung betrachten zu können. Als einzigen Missstand empfand ich,
dass einige Schulen in 2 Teile gerissen waren, die räumlich oft ziemlich weit von-
einander entfernt waren. Wenn dies auch Arbeiten waren, die, wie man mir sagte,
im fakultativen Unterricht entstanden sind, so hätte doch eine unmittelbarere räum-
liche Verbindung mit der Vorführung der Ergebnisse des Pflichtunterrichts ein
übersichtlicheres Gesamtbild der Leistungen dieser Schulen gewährt.
Was mir als Württemberger zunächst auffiel, das waren die Gymnasien,
die man auf keiner württembergischen Ausstellung jemals so vorteilhaft vertreten
sah. Der Zeichenunterricht dieser Schulen liegt in Baden ohne Ausnahme in der
Hand von künstlerisch vorgebildeten Lehrkräften, während dies bei uns leider nicht
überall der Fall ist. (Da die unselige Praxis, den Zeichenunterricht an diesen
wichtigen Bildungsanstalten in die Hand von Schönschreib- und Singlehrern zu
legen, obwohl es an stellenlosen Kandidaten nicht fehlt, bei uns in den letzten
Jahren an Boden gewonnen hat, ist es Zeit, einmal mit allem Nachdruck auf
diesen Missstand öffentlich hinzuweisen.)
Um einen Einblick in die derzeitige Organisation des badischen Zeichen-
unterrichts zu gewähren, will ich die Auswahl und Anordnung des Lehrstoffs,
 
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