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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

DOI Heft:
Heft X (Oktober 1907)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Die badische Landeszeichenausstellung in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0125

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wie sie die Ausstellung der badischen Mittelschule durchschnittlich zeigte, kurz
skizzieren. Der Freihandzeichenunterricht beginnt mit der Sexta (unsere Klasse I)
— bei uns in Kl. III. Viele Lehrer lassen zuerst gepresste Naturblätter, dann
Gebrauchsgegenstände zeichnen. Andere schlagen den umgekehrten Weg ein. Eine
Schule begann z. B. mit dem Schreibheft, der Fahne, dem Luftballon und liess
hierauf gepresste Blätter folgen. Fast überall werden diese Formen sofort farbig
dargestellt und zwar meist mit Aquarellfarbe, seltener mit Farbstift. In Quinta
(Kl. II) wird fortgefahren im Zeichnen von Gebrauchsgegenständen, hierauf folgen
Schmetterlinge. Eine Schule, die mir vorteilhaft auffiel, begann auf dieser Stufe
mit dem Zeichnen von flachen ungepressten Blättern, liess Schmetterlinge folgen
und schloss mit einfachen Pflanzenformen (z. B. Zwiebel, Pilze, Rettiche) und
Knospen und Blüten mit einfacher klarer Struktur (z. B. die Knospe der Schwertlilie).
Wir sehen also, dass man in Baden einen recht umfangreichen Lehrstoff er-
ledigt, ehe man bei uns mit dem Zeichnen überhaupt beginnt. Das darf uns ein
Fingerzeig sein und zu der Forderung berechtigen, dass der Beginn des Zeichen-
unterrichts ebenfalls auf Kl. I festgesetzt wird.
In Quarta (Kl. III) erfährt das Freihandzeichnen eine jähe Unterbrechung,
insofern es für einige Zeit dem konstruktiven Zeichnen geometrischer Formen Platz
machen muss. An dieses wird Ornamentenzeichnen angeschlossen, das häufig

Abbildung 1.


ebenfalls auf konstruktiver Grundlage aufgebaut wird. Hier liegt der schwache
Punkt der Organisation. Manche Lehrer suchen die Einöde dieser Periode
dadurch zu beleben, dass sie freie ornamentale Uebungen einschalten, einfache
Naturformen zu rythmischen Reihungen und Strahlungen kombinieren lassen und
insbesondere die Farbe zu kräftiger Anwendung bringen. An einer Schule, die
auch sonst im Elementarunterricht eigene Wege geht, werden solche Ornamente
aus geometrischen Bestandteilen gebildet und teils mit kräftigen Farben gemalt
teils aus farbigen Papieren ausgeschnitten und aufgeklebt. Im übrigen konnte
der aufmerksame Beobachter auch in dieser Ausstellung die Erfahrung machen,
dass solche Uebungen viele Klippen bilden und an die ornamentale Begabung
sowie an den Farbengeschmack des Lehrers grosse Anforderungen stellen.
In Untertertia (Klasse LV) beginnt das perspektivische Zeichnen.
Ueberall werden zunächst geometrische Körper gezeichnet, woraus ich schliesse,
dass dies verbindlich ist. Prisma, Zylinder, Kegel und einige Zusammen-
stellungen dieser Grundformen werden mit Umrissen ohne Schattenangabe gezeichnet.
Dabei scheint nicht überall der Grundsatz, dass die perspektivischen Gesetze und
Erscheinungen aus der Anschauung entwickelt werden müssen, durchgedrungen zu
sein; denn in einigen Lehrgängen sah man als erste oder zweite Zeichnung eine
konstruktive Darstellung des Würfels mit Angabe der Fluchtpunkte und Flucht-
linien, des Horizonts und des Augpunktes.
Nach den geometrischen Körpern werden überall Bücher in allen möglichen
Stellungen gezeichnet, meist in Umrissen, da und dort auch mit Angabe der
Schatten oder in vereinfachter farbiger Darstellung. Dann folgen gewöhnlich Gefässe.
 
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