wieder besonders in Kunstzeiischriflen behandeli wor-
den. Die Gesellschaft für Farbe-Tonforschung in
Hamburg, unter Leitung von Herrn Prof. Georg
Anschütz von öer Universität Hamburg, h<rt in den
letzten Iahren versucht, das erreichbare Material in
psychologisch-wissenschaftlicher Durchforschungsarbeit
zu sondern, zu vergleichen und Gesehlichkeiten auf-
zuzeigen. Man hat durch Umfragen und durch Rund-
sunk eine ganze Reihe Farbenhörer ermitlelt, welche
öer Gesellschaft für Untersuchungen zur Derfügung
standen. Ein Teil der Ergebnisse, welche auf eine
bestimmte Typenbildung hinzudeuten scheinen, ist all-
gemeinverständlich in einem Buch von Prof. An-
schüh: „Kurze Einleitung in die Farben-Ton-For-
schung", erschienen 1927 bei der Akademischen Ber-
lagsgesellschast Leipzig, veröffentlichk. Autzerdem hal
die bekannte Firma Günther Wagner in dankend
anerkennenswerter Weise in den „Mitteilungen des
Pelikan", Heft 1 Iahrgang 1928, Herrn Prof. An-
ichütz das Wort gegeben zu dem Thema: „Farben-
yören und Kunstschaffen". Das Heft ist mit vielen,
zum Teil farbigen, sehr lehrreichen Bildern aus-
gestattet, welche auch dem Autzenstehenden einen
uten Einblick in die eigenartige Welt des „Farben-
örens" gewähren, möglicherweise auch manchen
Menschen zur Selbstprüfung veranlassen. Schon
häufig sind Farbenhörer zum Teil sogar in vor-
geschritkenem Alter auf solche rein zufällige An-
regungen entdeckk worden.
Man hat den Einwand gemacht, datz diese zum
Teil erstaunlichen Untersuchungsergebnisse kein Recht
auf Berallgemeinerung bzw. Gesetzbildung haben.
Dem ist gegenüberzuhalken, datz alle grotzen mrd
klaren Gesehe der Wissenschafk sich auch erst im
Laufe der liahrhunderte durch Erfahrung zu einer
heute unumstrittenen Formel verdichtet haben. Die bis
heute gefundenen Ergebnisse sind sicher zunächst ein-
mal individuelle Eigentümlichkeiten, doch erfolgt dte
Typisierung dann anschlietzend. Immerhin ist es schon
als sicher festzustellen, datz es zwei bestimmte Rich-
tungen ües Farbenhörens gibt: Die „analytische"
und öie „komplexe Synopsie". Die Analytiker ord-
nen jedem Ton, jeder Tonart oder bestimmten Ton-
beziehung fTerz, Ouinte, Kadenzen) eine bestimmte
Farbe zu. Unter Bezug auf die Oktave und den
Tonleitercharakter stellke sich heraus, datz die mei-
sten Farbenhörer die gleichen „Photismen" — so
bezeichnet man eine Farbenerscheinung beim Hören
der Töne — haben. Das scheint darauf hinzu-
deuken, dah aller Erkenntnis noch verborgen irgend-
welche gesehmätzigen Beziehungen zwischen den ver-
schiedenen Sinnestätigkeiten bestehen. Man kann
die Gabe des Farbenhörens vielleicht als einen ganz
neuen Sinn bezeichnen, der unausgebildet, daher ver-
borgen, jedem Menschen eigen ist. Für die Farben-
hörer beskeht also neben der Tonoktave gleichsam
noch eine Farbenoktave. Es ist weiterhin festgestetlk
worden, datz die individuellen Eigentümlichkeiten
visueller Richtung (Farbenblindheit, Farbenausfall,
Farbenschwäche) sich in bestimmter Weise in der
Farbenoktave auswirken. Die Bergleiche der von
den Synoptikern den einzelnen musikalischen Tönen
bzw. Tonarten zugewiesenen Farben mit der über-
einstimmenden Zuweisung von Farben an Ord-
nungen und Staffelungen, z. B. Fahrkarten, Brief-
marken, Bucheinbänden, Kirchengeräke. Gewänder,
Uniformen u. dgl. ergeben inleressante Beobachtun-
gen. Ein sorgfältig durchdachtes System, welchesProf.
Anschütz und seine Mitarbeiter bei den Forschungen
anwendeten, gestattete eine einwandfrete Prüfung,
welche Täuschungsmöglichkeit ausschlotz. Die -urch
Ostwald durchgeführke Normung des Farbenkreises
gestattete Bergleichsmöglichkeiken und ziemlich ge-
naue rechnerische Nachprüfung der graphischen Er-
gebnisse und Kurven.
Die „komplexe Synästhesie" ist erfahrungsgemäß
häufiger anzutreffen. Die Synästhetiker von diesem
Typus haben beim Anhören eines Musikskückes eine
einzige starre oder fortlaufende bzw. sich bewegende
innerliche Farbenerscheinung in der zweiten oder
dritten Dimension. Die Zuordnung eines bestimmken
Teilstückes eines solchen Photismas zu einem be-
stimmten Ton bzw. einer besonderen Tonfolge ist
schwerer als bei der analytischen Synopsie, zumal -ie
schillernde Phantasie der komplexen Typen Häufig
ekwas verworren ist und nicht immer genau die tat-
sächliche Erscheinung wiedergibt. Es ist -as Msio-
näre vergleichbar mit den Asioziationen, die sich
z. B. nach dem Hören üer Gewitterszene in Beet-
hovens 5. Symphonie bel sehr vielen Menschen etn-
stellt, also mit -em sogenannken „Nacherleben" des
Gchörten. lledoch besteht hier der Unterschied, daß
der Farbenhörer nicht den der Mustk zugründe lie-
genden Gedanken mit Bewutztsein nachspürt, sonüern
unerwartete, unberechenbare Biflonen fantafiischer
Nakur erhält, die selten mik Gegenskänden der ge-
schauken Natur in Zusammenhang gebrachk werden
können. Hinzu kommt hier durchaus die sindividua-
lität der einzelnen Synoptiker. Naturell, Tem-
perament und Zmpuls drücken den Bisionen -en
Stempel der Persönlichkeit auf. Bergleichen wtr ein-
mat solche komplexe Bision mit dem Merk eines
Künstlers. selten werden Maler ein bestimm-
tes Landschaftsbild in der komplexen Impression
ganz gleich auffasien, wohl aber analytisch betm aka-
demisch genauen ALzeichnen z. B. einer Blüte (ver-
gleichbar mit dem musikalischen Ton). Das gleiche
ist bei den Dichkern der Fall. Die „Rose" als kom-
plexe Impression wird in jedem Gedicht indivlduell
behandelt, als Naturerzeugnis wird fle vermutlich
von allen Dichtern die gleiche Beschreibung erfah-
ren. Es leuchtet ein, datz die Bergleichsmöglichkeiten
üer komplexen Auffasiungen sehr schwer.siick und
nur schwer gemeinsame Gesetze durchblicken lasien.
Doch auch bei den komplexen Typen glaubt man
drei unkerschiedliche Richtungen festgestellt zu haben,
was ja wohl ruhig als Anfang einer Gesetzbildung
aufgefahk werden kann. Der erste Typus fleht beim
Hören von Musik eine filmartig fortlaufende farbige
Bision in der zweiten Dimension von unglauoNchem
Farbenreichtum und Mannigfaltigkeit mit bunten
Kugeln gleich Seifenblasen, sich durcheinander schttn-
genden Bändern. u. dgl. Ie nach den seeiischen
Grundlagen (Rhythmus, Temperament) verschwinüen
diese Bilder, andere entstehen neu. Ich glaube, datz
diese Menschen einen besonders fein ausgebildeten
motorischen Sinn haben. Man bezeichnet diesen
Typus als üen sogenannten „basedowiden" Typus.
3m Gegensatz dazu steht der sogenannke „tetanoide"
Typus. Bei diesem enkstehen ebenfalls Bilder, die
sich selten der geschaüten Wirklichkeit angleichen
lassen. Iedoch im Gegensatz zu dem erstgenannten
haben diese Bilder mehr einen starren Charakter.
Äie Bilder sind entweder ganz plötzlich fix uüd fertig
vor dem geistigen Auge oder wachsen lang ruckweise,
nicht fliehend. Sie stnd meistens unbunt, mehr oder
den. Die Gesellschaft für Farbe-Tonforschung in
Hamburg, unter Leitung von Herrn Prof. Georg
Anschütz von öer Universität Hamburg, h<rt in den
letzten Iahren versucht, das erreichbare Material in
psychologisch-wissenschaftlicher Durchforschungsarbeit
zu sondern, zu vergleichen und Gesehlichkeiten auf-
zuzeigen. Man hat durch Umfragen und durch Rund-
sunk eine ganze Reihe Farbenhörer ermitlelt, welche
öer Gesellschaft für Untersuchungen zur Derfügung
standen. Ein Teil der Ergebnisse, welche auf eine
bestimmte Typenbildung hinzudeuten scheinen, ist all-
gemeinverständlich in einem Buch von Prof. An-
schüh: „Kurze Einleitung in die Farben-Ton-For-
schung", erschienen 1927 bei der Akademischen Ber-
lagsgesellschast Leipzig, veröffentlichk. Autzerdem hal
die bekannte Firma Günther Wagner in dankend
anerkennenswerter Weise in den „Mitteilungen des
Pelikan", Heft 1 Iahrgang 1928, Herrn Prof. An-
ichütz das Wort gegeben zu dem Thema: „Farben-
yören und Kunstschaffen". Das Heft ist mit vielen,
zum Teil farbigen, sehr lehrreichen Bildern aus-
gestattet, welche auch dem Autzenstehenden einen
uten Einblick in die eigenartige Welt des „Farben-
örens" gewähren, möglicherweise auch manchen
Menschen zur Selbstprüfung veranlassen. Schon
häufig sind Farbenhörer zum Teil sogar in vor-
geschritkenem Alter auf solche rein zufällige An-
regungen entdeckk worden.
Man hat den Einwand gemacht, datz diese zum
Teil erstaunlichen Untersuchungsergebnisse kein Recht
auf Berallgemeinerung bzw. Gesetzbildung haben.
Dem ist gegenüberzuhalken, datz alle grotzen mrd
klaren Gesehe der Wissenschafk sich auch erst im
Laufe der liahrhunderte durch Erfahrung zu einer
heute unumstrittenen Formel verdichtet haben. Die bis
heute gefundenen Ergebnisse sind sicher zunächst ein-
mal individuelle Eigentümlichkeiten, doch erfolgt dte
Typisierung dann anschlietzend. Immerhin ist es schon
als sicher festzustellen, datz es zwei bestimmte Rich-
tungen ües Farbenhörens gibt: Die „analytische"
und öie „komplexe Synopsie". Die Analytiker ord-
nen jedem Ton, jeder Tonart oder bestimmten Ton-
beziehung fTerz, Ouinte, Kadenzen) eine bestimmte
Farbe zu. Unter Bezug auf die Oktave und den
Tonleitercharakter stellke sich heraus, datz die mei-
sten Farbenhörer die gleichen „Photismen" — so
bezeichnet man eine Farbenerscheinung beim Hören
der Töne — haben. Das scheint darauf hinzu-
deuken, dah aller Erkenntnis noch verborgen irgend-
welche gesehmätzigen Beziehungen zwischen den ver-
schiedenen Sinnestätigkeiten bestehen. Man kann
die Gabe des Farbenhörens vielleicht als einen ganz
neuen Sinn bezeichnen, der unausgebildet, daher ver-
borgen, jedem Menschen eigen ist. Für die Farben-
hörer beskeht also neben der Tonoktave gleichsam
noch eine Farbenoktave. Es ist weiterhin festgestetlk
worden, datz die individuellen Eigentümlichkeiten
visueller Richtung (Farbenblindheit, Farbenausfall,
Farbenschwäche) sich in bestimmter Weise in der
Farbenoktave auswirken. Die Bergleiche der von
den Synoptikern den einzelnen musikalischen Tönen
bzw. Tonarten zugewiesenen Farben mit der über-
einstimmenden Zuweisung von Farben an Ord-
nungen und Staffelungen, z. B. Fahrkarten, Brief-
marken, Bucheinbänden, Kirchengeräke. Gewänder,
Uniformen u. dgl. ergeben inleressante Beobachtun-
gen. Ein sorgfältig durchdachtes System, welchesProf.
Anschütz und seine Mitarbeiter bei den Forschungen
anwendeten, gestattete eine einwandfrete Prüfung,
welche Täuschungsmöglichkeit ausschlotz. Die -urch
Ostwald durchgeführke Normung des Farbenkreises
gestattete Bergleichsmöglichkeiken und ziemlich ge-
naue rechnerische Nachprüfung der graphischen Er-
gebnisse und Kurven.
Die „komplexe Synästhesie" ist erfahrungsgemäß
häufiger anzutreffen. Die Synästhetiker von diesem
Typus haben beim Anhören eines Musikskückes eine
einzige starre oder fortlaufende bzw. sich bewegende
innerliche Farbenerscheinung in der zweiten oder
dritten Dimension. Die Zuordnung eines bestimmken
Teilstückes eines solchen Photismas zu einem be-
stimmten Ton bzw. einer besonderen Tonfolge ist
schwerer als bei der analytischen Synopsie, zumal -ie
schillernde Phantasie der komplexen Typen Häufig
ekwas verworren ist und nicht immer genau die tat-
sächliche Erscheinung wiedergibt. Es ist -as Msio-
näre vergleichbar mit den Asioziationen, die sich
z. B. nach dem Hören üer Gewitterszene in Beet-
hovens 5. Symphonie bel sehr vielen Menschen etn-
stellt, also mit -em sogenannken „Nacherleben" des
Gchörten. lledoch besteht hier der Unterschied, daß
der Farbenhörer nicht den der Mustk zugründe lie-
genden Gedanken mit Bewutztsein nachspürt, sonüern
unerwartete, unberechenbare Biflonen fantafiischer
Nakur erhält, die selten mik Gegenskänden der ge-
schauken Natur in Zusammenhang gebrachk werden
können. Hinzu kommt hier durchaus die sindividua-
lität der einzelnen Synoptiker. Naturell, Tem-
perament und Zmpuls drücken den Bisionen -en
Stempel der Persönlichkeit auf. Bergleichen wtr ein-
mat solche komplexe Bision mit dem Merk eines
Künstlers. selten werden Maler ein bestimm-
tes Landschaftsbild in der komplexen Impression
ganz gleich auffasien, wohl aber analytisch betm aka-
demisch genauen ALzeichnen z. B. einer Blüte (ver-
gleichbar mit dem musikalischen Ton). Das gleiche
ist bei den Dichkern der Fall. Die „Rose" als kom-
plexe Impression wird in jedem Gedicht indivlduell
behandelt, als Naturerzeugnis wird fle vermutlich
von allen Dichtern die gleiche Beschreibung erfah-
ren. Es leuchtet ein, datz die Bergleichsmöglichkeiten
üer komplexen Auffasiungen sehr schwer.siick und
nur schwer gemeinsame Gesetze durchblicken lasien.
Doch auch bei den komplexen Typen glaubt man
drei unkerschiedliche Richtungen festgestellt zu haben,
was ja wohl ruhig als Anfang einer Gesetzbildung
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Hören von Musik eine filmartig fortlaufende farbige
Bision in der zweiten Dimension von unglauoNchem
Farbenreichtum und Mannigfaltigkeit mit bunten
Kugeln gleich Seifenblasen, sich durcheinander schttn-
genden Bändern. u. dgl. Ie nach den seeiischen
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diese Bilder, andere entstehen neu. Ich glaube, datz
diese Menschen einen besonders fein ausgebildeten
motorischen Sinn haben. Man bezeichnet diesen
Typus als üen sogenannten „basedowiden" Typus.
3m Gegensatz dazu steht der sogenannke „tetanoide"
Typus. Bei diesem enkstehen ebenfalls Bilder, die
sich selten der geschaüten Wirklichkeit angleichen
lassen. Iedoch im Gegensatz zu dem erstgenannten
haben diese Bilder mehr einen starren Charakter.
Äie Bilder sind entweder ganz plötzlich fix uüd fertig
vor dem geistigen Auge oder wachsen lang ruckweise,
nicht fliehend. Sie stnd meistens unbunt, mehr oder