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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 6 (Juni 1929)
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Stiehler, Georg: Zur Lage - Bildungsaufgaben, Verbandsaufgaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0146

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st L l l e » mil w e cli e » t s p r e ch e n d e ir Mit-
te > », !n orgn » lscher Verb ! ndung mit a n -
deren A ! ldungsgebieten der Schule
lQuerverbindung): P f l e g e der S ch r i f t und deren
gcstnltende Anwendung: g r n p h i s ch e Gestalt-
iibungen: sinngemäsze Beurteilung und
Einftihlung i» die Werke der bilden-
de » K u n st sKnnstbekrachtung), Anteilnahme an den
F e > e rn , Fe st e » »nd Spielen der Schule i. S.
ciner gestaltende» Schnlgemeinde. —

Diese nmfnssende und tiefe Aufgabe stellt den
Feichen- und Kunstunlerricht im Aahmen der ge-
samlen Schulaufgave als einen nolwendigen, unent-
behrlichen Bestandteil aller Erziehungs- und Unter-
richtsarbeit dar. Nehmeii wir den Fall an, der
Zeichen- und Kunstunterricht wtirde vom Bildungs-
pla» der Schnlen gestrichen, dann wäre die Schul-
arbeil ein Torso: dcni werdenden Menschen würde
elne Entwicklung zum Vollmenschen versagt: per-
sönliche und kulturelle Berkümmerung kennzeichneken
eine solche Erziehung. Bon Lomenius angefangen
über Äousscau, Pestalozzi, Fröbel: über Wundt,
Menrmann: über die Zeichen- und Kunstpäda-
gogen aller Zeiten bis in die Iehkzeit, müszken grund-
lcgende Forderungen und Ausführungen einfach
als nichkgedacht und werllos fllr die allgemeine Men-
schenbildung übersehen werden, wenn man sich in das
Lager der ä u sz e r st i n t e l l e k t u e l l e n Er-
zieherkreise begeben würde. Zst ein solcher
Gedanke so abwegig, üasz er »icht kroh Arbeiksschule,
Kunslerzlehungsbewcgung hente noch Naum fände in
Köpfen elnscitiger wissenschafklicher Erzieher, in den
Köpfen der Gesehgeber, die in den Ländern trotz
aller Aetonung wahrer „Humanitas" dem Zeichen-
und Kunstunterrichk den Äaum im Schulganzen ver-
sage», der ihm gebührk?

Woran liegt das?

Tragen wir einen Teil Schuld an diesem Nichk-
verstehe», dem Nichtverskehen-Wollen?

Lin mir bekannter Oberstudiendirektor äuszerte:
„Laszt den Zeichenlehrern ihre Kinderzeichnungen
mache», ihre Bildchen malen, üaftir aber genügen die
unteren und miktleren Klassen. Für die oberen Klas-
sen aber sind die Stunden dem wissenschaftlichen
llnkerrichk vorbehalten." lln Sachsen sind dergleichcn
Nichtungen bereiks unheilvoll zum Ausdruck gekom-
men in der »euesten Negelung: Zeichnen und
M usik sind n i ch t K e r n f ä ch e r wie das Turnen.
Wer helläugig ist, sieht dlese Nichtung erneut jeht
lebcndig werdcn in den deutschen Ländern, in auher-
deuksche» Ländern. Man lese mik Nachdenken den
Bericht unseres Borsihenden Frih in Nr. 5 von
K. und 3. über die Stundenoerminderung
des Zeichenunterrichks in der Tschechoslowakei, auS-
gerechnet im Znhre des Prager internationalen Kon-
gresses: man lese dork nach über die Wertung
des Z e i ch e n u n t e ir i ch t s, auf gleiche Skufe
gestellt mik Schreiben und Koche», mindergewertet
als die Skenographie. Myn übersehe nichk solche
Nlittellungen, wie sie Kollege"Sommer in unsereni
Mai-Mitteilungsblatt gibt: der ältere Oberzei-
chcnlehrer wird in der Schulliste aufgeführt
unter dem S t u d i e n ass e s s o r, ja unter dem
nichtakademisch gebildeten O b e r s ch u l l e h r e r der
Schule.

Ma» übersehe nicht den Aufsah des SchriftleitecS
von Kunst und llugend, der über u n s e r e V e r e i n-
samung an den höheren Schulen mit beredken
Worten klagk.

Ilnd dazu das krasse Besoldungsunrechk, das dem
gröjzten Teil der preuhischen Kunsterzieher jüngst
zugefllgk worden ist. And das alles in einer Zeik, in
der die Zeichenlehrerschaft mik heiszem Bemllhen sich
um die Vertipfung des Faches einseht!

Auf welche Weise ist eine Aenderung möglich?
Vringen die Kongresse, die gutgemeinten
Aufsähe in Kunst und llugend uns vorwärts, auf-
wärts?

Die Kongresse! hhr Wert soll nicht in Frage gestellt
werden für die Inkeressierten. Wer aber hat sich in
Prag aujzer den Zeicheiilehrern und den in jedem
Kongreszork vorübergehend aus Anstand und
Gastfreundschaft interessierten Kreisen um die all-
gemeinen Bildungsfragen gekümmert?

Man kann die deukschen politischen Zei -
kungen an den Fingern abzählen, die einiges über
Prag brachten. Lag das nur an der mangelnden
Presseregie der deutschen Zeichenlehrerschaft oder
an dem geringen Mteresse der Allgemeinheit an
kunsterzieherischen Aufgaben der Gegenwart? —

Beides trilft zu: hiec müssen die Organisa-
tionen sich besinnen und mehr auf die Presse
achten, auf deren Bedienung in groszzügiger
Werbearbeit. Die Fnchpresse erreicht die Oef-
fentlichkeit nicht. Die deutschen Zeichen-
l e h r e r k o n g r e s s e, gut aufgezogen, könneii dem
Kongrejzlande mvralische und fachliche F ö r-
derung auf Zeit hinaus verschaffen, zumal
dann, wenn eine einsichtige und wohlwollende StaakS-
behörde, wie z. B. in Karlsruhe, auf die
Wllnsche und auf die sachlichen Anregungen eingeht
und Neuordnungen in die Wege leitet. Berlin,
als nächster Kongreßort, hat für die preuszischen
geschlagenen Kollegen eine besondere Be-
deutung, hat Bedeutung für den nächsten inter -
nationalen Wiener Kongresz. An zwei
Stellen mujz alle Kraft gesammelt werden. Behör-
den, die Dezernenten in erster Linie, und die Ab -
geordneten sind schon jeht z u interessieren: eS
ist auf den enhen Zusammenhang hinzuweisen, der
zwischen der Stellung des Kunsterziehers und dem
von der Behörde erwarteten Arbeikserfolg bestehk.
Mit geschlagenen Erziehern ist keine „enthusias-
mierte" Arbeit an der llugend zu machen, hier muh
Wandel geschaffen werden oder die amklichen preu-
jzischen Richtlinien bleiben bei einem groszen Teil der
geschlagenen Kunsterzieher Papier, Vorschrift: be-
deuten aber keine innere Anteilnahme. „Zeigt in
eurer Arbeit ein E i g e n g e s i ch t", ruft der
preuhische Minister A. Becker bei der Eröffnung der
Erfurter Akademie den Dozenten und der Skuden-
tenschaft zu. Er schaue den geschlagenen Kunst-
erziehern seines Nessorts ins Gesicht: können sie
Eigenes, seelisch und geistig Beschwingtes in künst-
lerischer Form bieken? Es ist das keine Geste,
die auf ein A n v o l l k o m m e n e s weisen soll: es
ist eine Anklage, dasz man hier einem Teil der
preujzischen Kunsterzieher die innere Bedingung da-
für geraubt hat, das eigene Gesichtdes be -
geisterten Kunsterziehers zeigen zu kön-
nen der llugend, die freudige Erzieher verlangk. —
 
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