4§
wcrdei» müfsen (siehc das 8-Rapitel, das bl-F-Rapitcl
u. a.).
Fordcrung muß sein: sür jeden Buchstabcn ein Grund-
zcichcn, das in sämtlichen Alphabeten durchgehaltei, wird
bci aller jeweils eigentümlichcn Ausdrucksspannung
(Antiqua ;u Fraktur usw.).
Dcr dritte Teil betraf die „Schrift in der Runst-
cr; ichun g". Er besagte kur;: die vorgcnannten Grund-
zeichcn kcnnen und verstehen, fcsthalten und dann erst
abwandeln. Er besagte weitcr: klarste Lesbarkcit muß
obcrstcr Grundsatz sein; die Schrift hat ihre höchste Form,
ivenn sie den Gedanken zwingend trägt und cben faßlich
macht. Eine edle Gcbrauchsschrift pflegen bedeutct so un-
erhört viel an einfachster Uebung, daß dagegen allc bc-
sonderen „dckorativen" varianten „an sich" und absicht-
lichcn Hoch- und Brcit- usw. Verzerrungcn eine nutzlose
Spiclerci und Zcitvergeudung sind; was besagt, daß an-
hand unterschicdlichcr wcrkstücke und verschiedener Matc-
rialien die Schrift aus der Sache heraus und aus
dcr wirklichen Bindung sehr wohl unterschiedlich
gestaltet wcrdcn kann. —
Meister Spitzcnpfeil wird in dcr Folge in „Runst und
Iugcnd" ;u clnzclncn Fragen noch Belege bringen.
Viertcr Tag : r 7. G a n u a r i o ; s.
Margarctc Martens, Hamburg: Nadel-
arbcitund V 0 lkskunst.
Die llZadclarbeit hat ;wei Hauptaufgaben ;u erfüllen,
sie soll das Handwcrkliche übermitteln und gestalterische
Rräfte im Menschen regsam machen. Dabei sollen nicht
Museumsstücke geschasfen werden, sondern alle Arbeiten
das Lebensnahe betonen. Vlicht, wieviel wir schaffen,
sondern was wir schaffen und wie wir cs beginnen, ist
ausschlaggcbend.
Das Handwerkliche soll nach Möglichkeit mit dem Ge-
stalten Hand in Hand gehen, d. h. bei der Arbeitsplanung
dürfen nicht tcchnische und geftalterische Fragcn getrennt
gclöst werden.
Das große Gebiet der Vladelarbeit kann hier nicht aus-
führlich besprochcn werden, darum grcife ich cin Teilgcbict
hcraus und möchte zeigen, wie man ;u stoffgcbundencr
Stickerci gelangcn kann.
wir haben in Deutschland manche Landschaftsgebictc,
in dcncn noch Volkstracht und alle damit zusammcnhängcn-
dcn Volksbräuche lebendig sind. Ein solchcs Gebiet ist
Heffen-Naffau mit sciner farbenprächtigcn Schwälmcr
Volkstracht.
isre vcrlcbte ich cinige Monate in w., dem Schwälmer
Malerdörfchen. Ach wohnte bei Frau profcffor Thiclmann,
der Witwe dcs hcssischcn Malers professor Dhielmann.
während der Rirmeszeit ist cs interessant ;u sehen, wie
jcdcr Tag seinc bcsonderen Gebräuche, seine cigene Farbe
hat.
Die Dracht ist reich und abwechslungsvoll. Einen Bc-
griff von der Farbenpracht dieser Tracht vermitteln die
Bilder der bekannten hcssischen Maler Bantzer, Dhiel-
mann und Mons.
Zu der Frauentracht gchören fcinstc Leincnstickercicn,
dic auch im Hausc vielfache Vcrwcndung an prunkhand-
tüchcrn und Bett- und Tischwäsche finden.
Frau profeffor Thielmann hatte damals in ihrcm Hause
eine Stickschule eingerichtct„ in wclcher willingshäuser
und Merzhäuscr Baucrnmädchcn saßen und Lcincnstickc-
reicn und Lcincndurchbrüche für dcn Verkauf anfcrtigtcn.
Altc Gcbrauchsstücke ergabcn die Stickmuster, die Frau
profeffor Thiclmann zusammenstellte.
Dic Entivürfe zcichnetcn sich durch großen Formenrcich-
tum aus, dcr durch die außcrordentlich kunstvollc Stickc-
rei „och erhöht ivurdc.
Bestimmte Figuren, wie sie aus dcr Volkskunst bckannt
sind, traten als landschaftsgebundene Symbole bci allcn
Stickcreicn in die Erscheinung, nämlich Hcr;, Hähnchcn
und Blumen.
Ich sctzte mich ;u den Mädchen in die Stickstubc und cr-
hielt von ihnen Anweisung ;um Sticken. Dabei zeigten sic
mir, wie man auf einfache weise immer wieder neuc
Formen finden kann. Das kann zunächst durch Zeichncn,
bcffcr Ausschneiden der einzelnen Formen geschehen. Dic
weitaus intereffantere Arbcit stclltc der Stickereivorgang
dar.
Aus dünner Pappe schneidet man cine Form in dcr rich-
tigen Größe, ;. B. ein Herz, legt die Pappform auf das
Leincn und umrandet sie fein mit Blcistiftstrichen. Der
Strich wird mit altdeutschcm Rnötchcnstich, mit Rcttcn-
stich und zuletzt mit Mefferspitzenstich umrandct. Eincs
der Mädchcn gab mir folgende Erklärung für die An-
ordnung der Stiche: Dcr Rnotenstich knotet die Herzcn
dcr Liebendcn aneinander, der Rettenstich kcttet sie an-
einander, und dcr Nlefferspitzenstich schützt sie vor den
Uebcrgriffen Dritter. Leim Sticken wird viel von der
Rirmcs crzählt. Ich habe manchcs gehört, deffen Bedcu-
Das „Herz", wie cs ;ur Schwälmcr Stickerci gchört.
10:5 gearbcitet.
tung mir crst in der Rirmcs klar wurdc. wenn dic Mäd-
chen für ihre Tracht sticken, ist das Motiv nicht einerlei,
jcder Form wird cine bcstimmte Dedcutung bcigemcffcn.
Die cinzelnen Stickmuster tragen besondere Plamen. So
sind mir zwei vlamcn besonders in Erinncrung gcblicbcn:
Dcr strackc und der gcbrochcne Limittstich und der Erbs-
löcherhohlsaum.
Nachdem die Form mit den vorher beschricbencn Stichen
gcsichert ist, bcginnt man mit dcm vletzcn, d. h. cs wcrdcn
in bciden Richtungcn Fäden gezogcn, ;. B. zwci gezogcn,
zwei stchen laffen usw. Die Arbeit spannt man in cincn
Stickrahmcn und benäht nun die Fadcngruppcn in Diago-
nalreihen, um cin Verschieben dcr Fädcn ;u verhindern.
Dic Guadrate iverdcn mit dcm Spitzenstich ausgcfüllt. Da-
bci crgcben sich schr rcizvolle Muster. wicder überraschtc
mich die. Sichcrhcit der Mädchcn, jcde Form mit dcm pas-
sendcn lNustcr in Spitzenstich auszufüllen. Man stiekt nur
bci Dageslicht. Ach glaubc, das Nlärchen, dicsc feincn
Sachcn habe man frühcr bei der Talgkerzc gearbeitet,
bcstimmt zurückwciscn ;u köinicn.
Als ich wicder nach Hamburg zurückkam, ging ich gleich
an das Vcrarbeiten dcs Geschauten. Eö bcstand nicht die
wcrdei» müfsen (siehc das 8-Rapitel, das bl-F-Rapitcl
u. a.).
Fordcrung muß sein: sür jeden Buchstabcn ein Grund-
zcichcn, das in sämtlichen Alphabeten durchgehaltei, wird
bci aller jeweils eigentümlichcn Ausdrucksspannung
(Antiqua ;u Fraktur usw.).
Dcr dritte Teil betraf die „Schrift in der Runst-
cr; ichun g". Er besagte kur;: die vorgcnannten Grund-
zeichcn kcnnen und verstehen, fcsthalten und dann erst
abwandeln. Er besagte weitcr: klarste Lesbarkcit muß
obcrstcr Grundsatz sein; die Schrift hat ihre höchste Form,
ivenn sie den Gedanken zwingend trägt und cben faßlich
macht. Eine edle Gcbrauchsschrift pflegen bedeutct so un-
erhört viel an einfachster Uebung, daß dagegen allc bc-
sonderen „dckorativen" varianten „an sich" und absicht-
lichcn Hoch- und Brcit- usw. Verzerrungcn eine nutzlose
Spiclerci und Zcitvergeudung sind; was besagt, daß an-
hand unterschicdlichcr wcrkstücke und verschiedener Matc-
rialien die Schrift aus der Sache heraus und aus
dcr wirklichen Bindung sehr wohl unterschiedlich
gestaltet wcrdcn kann. —
Meister Spitzcnpfeil wird in dcr Folge in „Runst und
Iugcnd" ;u clnzclncn Fragen noch Belege bringen.
Viertcr Tag : r 7. G a n u a r i o ; s.
Margarctc Martens, Hamburg: Nadel-
arbcitund V 0 lkskunst.
Die llZadclarbeit hat ;wei Hauptaufgaben ;u erfüllen,
sie soll das Handwcrkliche übermitteln und gestalterische
Rräfte im Menschen regsam machen. Dabei sollen nicht
Museumsstücke geschasfen werden, sondern alle Arbeiten
das Lebensnahe betonen. Vlicht, wieviel wir schaffen,
sondern was wir schaffen und wie wir cs beginnen, ist
ausschlaggcbend.
Das Handwerkliche soll nach Möglichkeit mit dem Ge-
stalten Hand in Hand gehen, d. h. bei der Arbeitsplanung
dürfen nicht tcchnische und geftalterische Fragcn getrennt
gclöst werden.
Das große Gebiet der Vladelarbeit kann hier nicht aus-
führlich besprochcn werden, darum grcife ich cin Teilgcbict
hcraus und möchte zeigen, wie man ;u stoffgcbundencr
Stickerci gelangcn kann.
wir haben in Deutschland manche Landschaftsgebictc,
in dcncn noch Volkstracht und alle damit zusammcnhängcn-
dcn Volksbräuche lebendig sind. Ein solchcs Gebiet ist
Heffen-Naffau mit sciner farbenprächtigcn Schwälmcr
Volkstracht.
isre vcrlcbte ich cinige Monate in w., dem Schwälmer
Malerdörfchen. Ach wohnte bei Frau profcffor Thiclmann,
der Witwe dcs hcssischcn Malers professor Dhielmann.
während der Rirmeszeit ist cs interessant ;u sehen, wie
jcdcr Tag seinc bcsonderen Gebräuche, seine cigene Farbe
hat.
Die Dracht ist reich und abwechslungsvoll. Einen Bc-
griff von der Farbenpracht dieser Tracht vermitteln die
Bilder der bekannten hcssischen Maler Bantzer, Dhiel-
mann und Mons.
Zu der Frauentracht gchören fcinstc Leincnstickercicn,
dic auch im Hausc vielfache Vcrwcndung an prunkhand-
tüchcrn und Bett- und Tischwäsche finden.
Frau profeffor Thielmann hatte damals in ihrcm Hause
eine Stickschule eingerichtct„ in wclcher willingshäuser
und Merzhäuscr Baucrnmädchcn saßen und Lcincnstickc-
reicn und Lcincndurchbrüche für dcn Verkauf anfcrtigtcn.
Altc Gcbrauchsstücke ergabcn die Stickmuster, die Frau
profeffor Thiclmann zusammenstellte.
Dic Entivürfe zcichnetcn sich durch großen Formenrcich-
tum aus, dcr durch die außcrordentlich kunstvollc Stickc-
rei „och erhöht ivurdc.
Bestimmte Figuren, wie sie aus dcr Volkskunst bckannt
sind, traten als landschaftsgebundene Symbole bci allcn
Stickcreicn in die Erscheinung, nämlich Hcr;, Hähnchcn
und Blumen.
Ich sctzte mich ;u den Mädchen in die Stickstubc und cr-
hielt von ihnen Anweisung ;um Sticken. Dabei zeigten sic
mir, wie man auf einfache weise immer wieder neuc
Formen finden kann. Das kann zunächst durch Zeichncn,
bcffcr Ausschneiden der einzelnen Formen geschehen. Dic
weitaus intereffantere Arbcit stclltc der Stickereivorgang
dar.
Aus dünner Pappe schneidet man cine Form in dcr rich-
tigen Größe, ;. B. ein Herz, legt die Pappform auf das
Leincn und umrandet sie fein mit Blcistiftstrichen. Der
Strich wird mit altdeutschcm Rnötchcnstich, mit Rcttcn-
stich und zuletzt mit Mefferspitzenstich umrandct. Eincs
der Mädchcn gab mir folgende Erklärung für die An-
ordnung der Stiche: Dcr Rnotenstich knotet die Herzcn
dcr Liebendcn aneinander, der Rettenstich kcttet sie an-
einander, und dcr Nlefferspitzenstich schützt sie vor den
Uebcrgriffen Dritter. Leim Sticken wird viel von der
Rirmcs crzählt. Ich habe manchcs gehört, deffen Bedcu-
Das „Herz", wie cs ;ur Schwälmcr Stickerci gchört.
10:5 gearbcitet.
tung mir crst in der Rirmcs klar wurdc. wenn dic Mäd-
chen für ihre Tracht sticken, ist das Motiv nicht einerlei,
jcder Form wird cine bcstimmte Dedcutung bcigemcffcn.
Die cinzelnen Stickmuster tragen besondere Plamen. So
sind mir zwei vlamcn besonders in Erinncrung gcblicbcn:
Dcr strackc und der gcbrochcne Limittstich und der Erbs-
löcherhohlsaum.
Nachdem die Form mit den vorher beschricbencn Stichen
gcsichert ist, bcginnt man mit dcm vletzcn, d. h. cs wcrdcn
in bciden Richtungcn Fäden gezogcn, ;. B. zwci gezogcn,
zwei stchen laffen usw. Die Arbeit spannt man in cincn
Stickrahmcn und benäht nun die Fadcngruppcn in Diago-
nalreihen, um cin Verschieben dcr Fädcn ;u verhindern.
Dic Guadrate iverdcn mit dcm Spitzenstich ausgcfüllt. Da-
bci crgcben sich schr rcizvolle Muster. wicder überraschtc
mich die. Sichcrhcit der Mädchcn, jcde Form mit dcm pas-
sendcn lNustcr in Spitzenstich auszufüllen. Man stiekt nur
bci Dageslicht. Ach glaubc, das Nlärchen, dicsc feincn
Sachcn habe man frühcr bei der Talgkerzc gearbeitet,
bcstimmt zurückwciscn ;u köinicn.
Als ich wicder nach Hamburg zurückkam, ging ich gleich
an das Vcrarbeiten dcs Geschauten. Eö bcstand nicht die