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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 10 (Oktober1938)
DOI article:
Böttcher, Robert: Die nationalsozialistische Kunstpolitik und die kunsterzieherische Arbeit der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0202

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)S9

Die nationalsozialjstische Nunstpolitik und öie kunsterzieherische

Arbeit öer Gchule

Von Robert Böttcher

Dec Natronalsozialismus hat den deutschen Rünstlern
gegenüber eine Langmut bewiesen, die ihresgleichen sucht.
Fast 5 Iahre hat er nach der Machtergreifung verfließen
laffen, ohne anders als durch das nationalsozialistische
Ideen« und Gedankengut selbst das Runstschaffen und den
Runsthandel ;u beeinfluffen. Da dennoch eine klare Aus-
richtung von selbst nicht erfolgte, hat der Führer in dem
neu errichteten Hause der deutschen Runst der deutschen
und der weltöffentlichkeit eine Ausstellung übergeben, von
der er ausdrücklich erklarte, daß sie den Stempel deffen
trage, was künftig von jedem deutschen Rünstler in bezug
auf sein Schaffen gefordert werden müffe. Und er ließ
weiter in einer Sonderschau vor aller welt als „Ent-
artete Runst" das brandmarken, was für das Dritte Reich
nicht mehr tragbar sein kann, weil es in keiner weise den
willen zum Aufbau in sich trägt, sondern nur geeignet ist,
zersetzend und zerstörend sich auszuwrrken.

Diese beiden Münchener Ausstellungen geben also gan;
bewußt das Maß ab für die künftige positive und nega-
tive Bewcrtung von Runstwerken, und insofern hat sich
auch jeder Erzieher mit ihnen auseinanderzusetzen und
ihren Forderungen Achtung entgegenzubringen und zu ver-
schaffen.

Nun ist es aber in letzter Zeit wiederholt geschehen,
daß mir über Schülerarbeiten aus dem werk- und Runst-
unterricht Urteile von Wchtlehrern oder doch von Berufs-
kameraden, die nicht Runsterzieher sind, ;u Ghren kamen,
die als völlig abwegig;u bezeichnen und nur aus der gren-
zenlosen Ahnungslosigkeit kunsterzieherischen Dingen ge-
genübcr ;u erklären sind, die leider auch heute immer noch
in weitesten Rreisen von Erziehern und l^ichterziehern
festgestellt werden muß.

Diese Urteile, die meinem eigenen und auch dem aller
der Runsterzieher entgegenstehen, die über weg und Ziel
unseres Unterrichtes sich nur einigermaßen Rlarheit ver-
schafft haben, laffen sich heute nicht mehr etwa so obenhin
mit den worten abtun: „An Runstdingen kann man nicht
streiten. Der Geschmack ist eben verschieden."

Nein, dieses wort gilt schon für die sogenannte „hohe
Runst" heute nur noch in gan; bescheidenem Umfange, für
die bildnerischen Arbeiten in der Schule können wir ihm
übcrhaupt kcine Berechtigung mehr zuerkennen.

Daß man in der hohen Runst im wesentlichen gan; un-
abhängig von persönlichen Neigungen ;u dieser oder jener
Ausdrucksweise, wie sie etwa im Jmpressionismus, Expres-
sionismus, Naturalismus usw. sich dartut, hier zustimmen
und dort ablehnen kann oder muß, das zeigen uns gan;
dcutlich gerade die beiden Münchener Runstausstellungen,
die mehr als irgendwelche andcren zuvor Aufschluß dar-
über geben, was von einem deutschen bildcnden Rünstler
gcfordert wird und was jede Iury als Entartung oder
doch Nichterfüllung des künstlerischen Auftrages zurück-
weisen muß.

Die Grundforderungen, die danach heute wieder an je-
den Rünstler;u richten sind, und die darüber hinaus auch
für jedes im Runstunterricht schaffende Rind GUltigkcit
haben, beziehen sich sowohl auf den Stoff als auf seine
Gestaltung und verlangen eigentlich nur, daß beide gesund
sind.

Für dcn Stoff heißt cs folgendes:

Da nach einem worte poussins nur der edle Gegenstand
überhaupt fähig ist, die edle Form anzunehmen, so schei-
det rein stofflich allcs aus, was wertlos und unwürdig
künstlcrischer Gestaltung ist, und was darüber hinaus schäd«

liche und zersetzende Einflüffe auf den Volkskörper aus-
üben muß. Die Runst soll das Volk nicht niederdrücken,
soll nicht seine würde mit Füßen treten, indem es ihm die
Fäulnis und den Morast des Untermenschentums in den
kraffesten und widerlichsten Beispielen in brutalster weise
vor Augen führt und damit seine heiligsten Gefühle ver-
letzt. Sie soll im Gegenteil nur solche Gegenstände und
Ideen in Form bringen, die geeignet sind, sein Lebens-
gefühl ;u erhöhen, den kämpferischen willen in ihm ;u
stärken, Heroismus ;u predigen und ihn Uberhaupt wieder
zu binden an sein Blut und an seine Heimat. Und das ist
nur möglich, wenn das Runstwerk sich nur an die guten
und wertvollen Driebe und Anlagen des Menschen wendet
und alles totschweigt, was nicht berufen ist, in den Dienst
des Sittlichen und der Rultur ;u treten.

FUr die Runsterziehung in der Schule ergibt sich daraus,
daß etwa ein Mord oder Selbstmord, Mefferstechereien,
Eisenbahnkatastrophen mit Toten, Verletzten und Ver-
stümmelten, Raubüberfälle usw. nicht Gegenstand der Ge-
staltung sein dürfen. Das gilt jedoch nicht ausnahmslos.
So ist es sehr wohl denkbar, daß eine Arbeit, die im
Dienste der Verkehrserziehung steht, auch solche Latbe-
stände berücksrchtigt. Es ist dann Sache des Feingefühls
des Lchrers, die Grenze zwischen dem Nötigen und Ueber-
flüssigen oder gar Schädlichen ;u erkennen und ;u halten
(Abb. 5).

Auf der anderen Seite muß aber auch vermieden wer-
den, die Iugend damit ;u langweilen, belanglose, für sie
gänzlich gleichgültige Dinge ;u schaffen. Das gilt gan;
besonders für den werkunterricht.

Es ist kaum begreiflich, daß sich imMer noch Verleger
finden, die hundertmal wiedergekäuten, rein technisch orien-
tierten „Normallehrgänge in Papiec und Pappe";u druck-
cken, Lehrgänge, die immer noch da stehen, wo der werk-
unterricht vor einigen Iahrzehnten einmal ansetzte. wie
ein Stück Pappe bezogen, ein Blumenstrauß aus ein paar
Fetzen Buntpapier zusammengeklebt und ein nie in Ge-
brauch genommener „Rammkasten" zusammengebaut wird,
das wiffen wir heute genugsam. Gar nicht davon zu reden,
daß alles, was über das Technische hinausgeht, meist sehr
wenig beispielhaft ist, ja, nicht selten dem kunsterziehe-
rischen wollen ins Gesicht schlägt. Aber wir wiffen auch,
daß diese Dinge nur am Rande unserer Arbeit liegen und
die kunsterzieherischen probleme der Zeit nicht einmal
streifen.

weit wichtiger ist in stofflicher Hinsicht unser eifriges
Bemühcn, die Verbindung mit dem Leben, so wie es bei
der Iugend heute abläuft — nicht wie es schulmeisterlich
trocken für v?ormallehrgänge zurechtkonstruiert wird —,
nach jeder Richtung hin ;u suchen und durch lebensechte
Aufträge im Unterricht ;u festigen. Gott sei Dank finden
wir dafür in alten Schwarten keine Musterbeispiele, die
man gedankenlos abschreiben lassen könnte. Da hilft nichts
anderes, als daß man selbst mitten drin steht im Leben und
in der nationalsozialistischen Bewegung.

weit schwieriger als beim Inhalt liegen die Dinge bei
der Gestaltgebung. So sind denn auch die Einsprüche, von
denen vorhin die Rcde war, immer gegen die Form er-
hoben worden. Der Führer habe ausdrücklich crklärt, so
heißt es da, daß schön sein müffe, was dargcstellt werde,
und so lchnt man also jede menschliche Figur, jedcn Ropf,
der nicht „richtig" gezeichnct wurde, in der Schülerzeich-
nung gleicherweisc wie in dec hohen Runst ab und bcgreift
nicht, daß man mit den worten des Führers Mißbrauch
treibt.
 
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