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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 7 (Juli 1938)
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Grunow, Gertrud: Natürliche Formentwicklung
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Buch und Bild
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0150

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140

Dedeutung und wichtigkeit dieser Anschauungs- und Auf-
faffungsweise an sich beruht darin, daß durch sie die Mög.
lichkeit gegeben wird, von einem einfachsten natürlichen,
einem maximalen Gleichgewichte aus eine natürlich ein.
fache Entwicklung von Empfindung, wahrnehmung und
Ausdruck praktisch ;u erfahren und sich offenbaren ;u
sehen. (Maximales Gleichgewicht bedeutet eine Bewußt-
seinslage, jenseits welcher cinerseits die Anschaüung an
Lebendigkeit verliert, rein optisch wird, andererseits die
Lebendigkeit an Anschauung verliert, rein körperlich wird.)
Man folgt hier unwillkürlich allgemein giltigen Lebens-
gesetzen, die unserm wrmögen und Tun im Schaffen ;u-
grunde liegen und gelangt wieder in die tiefste lebendige
natürliche Grdnung.

Mlt den punktreihen ist der Erlebnisvorgang jedoch
keineswegs beendet; wcnn man nämlich die erste und dritte
punktreihe (hori;ontal von links nach rechts, die vertikale
von oben nach unten) an cinem punkte enden läßt, ohne
die geistige,Zaltung ;u ändern, dann voll;icht
sich eine schnelle, leichte Bewegung rückwärts ;um
ersten der punkte, und bei unmittelbar darnach auftreten-
der Besinnung entsteht eine Bewegungslinie in ur-
sprünglicher Richtung, links-rechts oder vertikal von
oben nach unten, von der Hagd in Festigkeit ge;eichnet.
Die Länge der Linie entspricht genau der Länge der
punktreihe. was diejenige Bewegung, punktreihe be-
trifft, in der die punkte sich nach links hin entwickeln,
so tritt hier die Rückläufigkeit natürlich von links nach
rcchts ein; bei eintretender Besinnung aber entsteht eine
weitere Linie, welche nicht wieder in der ursprünglichen
punktrichtung, von rechts nach links verläuft, sondern,
abbiegend nach anderec Richtung, vom ursprünglichen
ersten punkte rechts aus nach unten, also vertikal
läuft. Das Längenmaß ist genau dasjenige der hori;ontalen
punktreihe. Ist bei Endung der punktreihe die geistige
Haltung ;u wenig, ungenügend oder überhaupt nicht ge-
wahrt worden, dann gleitet die Bewegung unwillkürlich
ab auf schräger Bahn direkten weges nach rechts unten
;u. Es sei hier daran crinnert, daß man in der psycholo-
... '

Bruno Schmialek. Gestaltender Unterricht in der

Volksschule. Theocie — praxis. Arbeitsplan. 64 S.

Mit ry Abb. auf 0, dabei 5 farbigen Tafeln, und im Lext.

Lrüwell, Dortmund-Breslau. io;y.

Betrachtet man die Bilder dieses Buches, so ist man
iibcrrascht von dcr Gegensätzlichkeit, die sich in der Hal-
tung der cin;elnen Arbeiten ausdrückt. iAeben erfülltcn
Formungen, wie sie in den Stoffdrucken und, den Fischen
(Malerei, Gberstufe) uns entgegentreten, begegnen uns ent-
seelte Stempeldrucke und leere Landschaften. Es könnte sich
um die beabsichtigte Gcgenüberstellung von Beispiel und
Gegenbeispiel handeln, vom Verfasser wird aber offcnbar
alles als glcichwcrtig empfunden. Diese Unsicherheit, die
sich in der Auswahl der Bilder ;eigt, spiegelt sich auch im
Tcxt.

Es wcrden eine Rcihe wcsentlicher Erkenntniffe aus
neuercn thcoretischen Untersuchungen sitiert, und man
kann dem Dcrfaffer nur ;ustimmen, wcnn ec in der
Untcrrichtsführung hcrvorhebt, „daß dic untcrrichtlichen
Einwickungcn sich stets im Hinblick auf die jcweils cr.
rcichte gcistige Entwicklungsstufe des Schülers aus;urich<
tcn habcn, aber auch vom Anhalt dcr gestellten Aufgabe
hcr ihre Form crhalten." wo jcdoch diesc Erkcnntniffe in
die praxis umgcsetzt iverdcn sollen und Anweisungcn da-
;u gegcben wcrdcn, ;cigt cs sich, daß dic Einpchtcn nicht

gie links als in enger Be;iehung ;u „unten" stehend an.
nimmt. Diese tatsächlich enge Be;iehung ist im Natür.
lichen begründet. —

wir haben ;weimal eine Richtung vertikal, von oben
nach unten. Die ;wei Bewegungen gehen von verschiedenen
natürlichen Höhen aus und sind in ihrem Gehalte verschie-
den. wie die Reihen von punkten Zeichen von Bewegtheit
in Maßen, Abschnitten, Absätzen sind, so wird die ein-
heitliche Bewegung, die Linie, hier das sichtbare Zeichen,
dcr Ausdruck einer Geistigkeit und ;war der Ausdruck einer
feineren, höheren, in der von Anfang an vertikalen Linie
und das Bild ciner tieferen, natürlich betonteren Gei-
stigkeit in der Vertikalen, die von einer hori;ontalen Höhe
nach unten senkrecht verläuft.

wenn wir abwechselnd lichte Fläche und punkt in der
angegebenen Art empfinden, öffnet sich das Auge ;um
Schauen und schaut am einfachsten natürlich auf den obe-
ren Deil der Fläche, also „hinauf", oberhalb des punktes
und empfindet den punkt dann unwillkürlich etwas tiefer
liegend, es fällt dann quasi auf den punkt. Nehmen wir
jetzt statt des punktes für die Anschauung lichte Fläche
und hori;ontale Linie. wie beim punkte mehr und
mehr punkte, erleben wir jetzt mehr und mehr Linien.
Diese Linien, alle von gleicher Länge, entstehen Uber-
ei 11 ander und ;war in gleicher Entfernung, in glcichem
Zwischenraumsmaße wie bei den punkten, nämlich ctwa 1 cm.
was die Anschauung und das Erleben von lichtem Flä-
chenraum und vertikaler Linie angeht, so hängt die
Richtung nach rechts oder links, in dcr die immer neuen
vertikalen Linien hervortreten, davon ab, ob, wie beim
punkte, eine mehr ruhige oder mehr intensive geistige
Lcbendigkeit in der Erfaffung waltet und die Linien
rechts oder links hin entstehen läßt.

Es sei kur; bemerkt, daß auch die hori;ontale punkt-
reihe und Linie sich in der Mehrheit von oben nach unten,
d. h. untereinander fortsetzt; hiervon wird bei der Bewe-
gung, der Entfernung in Maßen und deren tieferer Be-
deutung die Rede scin.

wirklich erlebt, sondern nur äußerlich angeeignet worden
sind. 2lus einer verengten Bildauffaffung hcraus wird cinc
Unterrichtsmethode entwickelt, did nicht Gestalt werden
läßt, sondern das wachsen ursprünglicher Form hemmt.

Die Geschloffenheit in der naiven Buntheit der Früh-
stufe wird nicht erkannt als crste starke Grdnung der Far-
ben, sondern aks „planlose Aneinandcrreihung von Farb-
tönen". Von da aus kommt man allerdings folgerichtig;u
Farbtreff- und pinselübungen und ;u der gefährlichen Äe-
wertung des Buntpapiers als weg ;ur farbigcn Gestal-
tung. „Die Vorbereitung auf das eigentliche Malen", so
heißt es bei Schmialek, „vollsieht sich durch die 2lrbcit
mit buntem Papier. wir erstreben damit eine Umstcllung
der linearen Verwirklichung ;ur flächigen, die Rontur ver-
schwindet, die Vor;eichnung fällt später weg. Die Gcgebcn-
heiten der Gestaltungsmittel (Papier, Schere) ;wingen ;ur
Abstraktion und ;um vcr;icht auf die wiedcrgabe von
Rleinigkeitcn, wie sie bisher durch die graphische Form
noch möglich war. Dcr bildnerischc wille des Schülcrs,
der solche in die Arbeit aufnchmen möchte, scheitert an
den sich crgebenden manuellen Schwierigkeitcn". Das hcißt
doch nichts anderes, als daß der wille des Schülcrs ;um
ordnenden Zusammenfügen von Ein;clheiten gebrochcn wer-
den soll durch dcn Zwang der Dechnik. Das Ergcbnis ;ci-
gen die beidcn farbigen Landschaften, in denen nur noch
spärliche Reste von Gestaltung ;u spüren sind. Dcr cchtc
wcg ließe sich auf;eigcn, wenn die beidcn abgcbildcten
Dusch;eichnungen von Fischen mit dem wüchsigen Fort-
schritt in der Farbigkcit ;u cinandcr in Bc;ichung gcsctzt
würdcn. Ach vcrstchc allcrdings nicht gan;, ivic der Amts-
 
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