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geworden ist. Die 2lrbeit des eigenen schöpferischen wil-
lens dient außerdem niehr der Bildung des ästhetischen
Sinnes als ein theoretischer „Runstunterricht". Auch ist
Zeichnen allein deshalb ungenüelend, weil es dem Ausdrucks-
willen des Rindes nicht cntfernt ausreichend entgegen-
kommt. Die Werkerziehung müßte als wichtiger Erzie«
hungsfaktor gleichberechtigt neben die intellektuelle und
körperliche Erziehung treten. Es sind innerhalb der „pro-
duktiven" Erziehung ;ur Bildung des ästhetischen Sinnes
alle Formcn der Bearbeitung von Material wichtig. Eine
richtig betriebene werkarbeit wird das Verständnis für
dcn Wert und die Echthert des Materials wecken und so
eine unentbehrliche Grundlage für die bildnerische Er-
ziehung werden. Dieses Ziel wird aber nicht durch ge-
werbliche Facherziehung erreicht, sondern auf einem weg,
der dem Lernenden auf Schritt und Dritt das Erlebnis
der stofflichen Gestalt' bei seiner Gestaltung vermittelt.
Der Iunge soll weder zum ^andwerker noch zum Rünstler
erzogen werden, sondern seine Erziehung soll durch eine
Schulung seines gestaltenden wollens vervollständigt
werden. Arbeit am Material erzicht ;u strenger Sachlich-
keit. Durch die Mühe des Formens wird Verweichlichung
des Geschmackes hintangehalten und Feingefühl gegen
jederlei Runst- und Rulturkitsch gefördert.
Der werkstättenunterricht hat stärkste Be;iehung ;um
Der wer
Diesem fällt die Aufgabe ;u, die schlummernden, schöpfe-
rischen Rräfte des jungen Menschen ;u lösen. Ahm allein
ist die Möglichkeit gegeben, jeden Schüler ;um Bewußt-
sein seiner ureigenen Begabung und damit ; u sich
selbst ;u führen, ihm fällt die Aufgabe ;u,
dem Schuljungen über leicht vergeßbares
Deilwissen hinaus tiefen Einblick ;u geben
in den Ernst schaffendcrArbeit, ihm Verständ-
nis für handwerkliche, technische und künstlerische Rultur
;u vermitteln. Eine FUlle schwerster 2lusgaben, die mit
Hilfe der Freude jedes gesunden Rindes an gestaltender
Arbeit gelöst werden können. Der werkunterricht kann
;u den beglückendsten Erlebnifsen im Leben des jungen
Menschen gehören und darum hat der werklehrer es in
der ^and, der beste Freund seiner Schülcr ;u sein. Da;u
gehört aber von seiten des Lehrers Verständnis für die
Begabung und die Bedürfniffe jeden Rindes und reich-
liches, gründliches, technischcs und handwerklichcs Rünnen,
Beherrschung aller gccigneten werkstoffe und werkver-
fahren. Verständnis und Liebe ;um Rind muß wohl an-
geboren sein. wer nicht beides besitzt, sollte nicht Lehrer
werdcn. ^andwcrkliches und technisches Rönnen kann er-
Lcben. Ein gesundes, bubenhaftes „Raufen"
mit dcm „Stoff" ist er;iehlich sehr wert-
voll. Die oft überraschenden Ergebnisse
solchen Tuns wirken sich im Gesamtbilde
des werdenden Menschen aus, dem solcher
produktivcr Rampf mit dem Material
neben intellektueller und körperlicher
Schulung alle gestaltenden Möglichkeitcn
eröffnet. Eine Schädigung des Selbstvertrauens für
dcn manuell Unbegabten ist nicht ;u fürchten, denn eine
vollständige Ergebnislosigkeit der Arbeit kommt nicht vor
und schon die bescheidenste Ueberwindung
desMaterials löst ein glückhaftes Gefühl
aus. Aeder Iunge, der mit dem Stoff „ge-
rauft" hat, wird Ehrfurcht vor der größe-
ren Leistung eines anderen haben. Durch die
Förderung des natürlichen Gestaltungstriebes wird letzten
Endes auch eine Milderung der seelischen Rrisen des Ent-
wicklungsalters er;ielt. Ich bin der Meinung, daß cin
richtig betriebener werkunterricht tausendmal mehr lAut-
;en stiftet, als alle theoretisierende Iugendpsychologie ;u-
sammenbrächte. Es kann daher nicht oft genug betont wer-
den, daß der werkunterricht als wesentlichcr Bestandteil
jeder lebensgerechten Er;iehung eine bleibende Stätte an
allen „höheren Schulen" finden muß.
er;ieher.
lecnt werden. Die heutige Ausbildung des werklehrers
vermittelt allerdings von diesen Dingen sehr wenig. Es
sollten Seminare geschaffen werden, in denen neben wissen-
schaftlicher Bildung die schulisch richtigen werkverfahren
verschiedenster Art vermittelt würden.
Es müßte ;u diesem Zwecke die kategorische Forderung
gestcllt werden, dcm werkunterricht dasselbe Recht ein;u-
räumen wie allen wiffenschaftlichen Fächern, also ihn vcr-
bindlich ein;uführen. Es ist nicht ein;usehen, daß dieser
Unterricht, der dieselben bildenden, schulenden und er;ieh-
lichen werte hat wie jeder andere Gegenstand, immer nur
als wahlfreier Gegenstand gewertet wird. Die Ausbildung
des werklehrers muß von allem Anfang an handwerklich
und bildnerisch sein. Der ;ugleich künstlerisch befähigte
Lehrer wird besonders geeignet sein, weil er größeres
verständnis für die frei gestalteten, kindlichen Arbeiten
haben wird und die künstlerisch begäbten Schüler richtiger
beurteilen kann. von jcdem Schüler und Lehrer aber muß
streng handwerkliches Rönnen gefordert werden. Dcnn
Runst läßt sich nicht lehren und lernen, lehren und lcrnen
läßt sich nur die werkgerechtc Gestaltgebung.
Die Gchulwerkstatt
Eine Schule, die nur
cincn „Zeichensaal" besitzt
und keincn werkraum —
das ist das Gleiche, wie
wenn sie nur einen „Turn-
saal" hätte und vor aller
natürlichen Lcibescrtüchti-
giing in frcier Luft, vor
dem Ausarbeiten dcs Rör-
pers in Fcld und wald und
Berg die 2lugen vcr-
schlöffc. Dic Schulwerk-
statt erst schafft eine lle-
bensberühruiig niid Aus-
weituug, welchc die Schü-
ler selbec als eigcntlich
„wirklich" cinpfinden; denn
das Zeichnen ist cin Dcil
des „wcrkens", nic aber
kann das wcrkcn nur als
Anhängscl ;um Zeichncn
aufgcfaßt wcrdcn! Daruun
crhaltct jcde wcrkstatt
und schafft solche plätzc
au jcdcr Schule, uui dcr
gcsuudcn Ertüchtiguug dcr
Iugcnd ivillcn!
geworden ist. Die 2lrbeit des eigenen schöpferischen wil-
lens dient außerdem niehr der Bildung des ästhetischen
Sinnes als ein theoretischer „Runstunterricht". Auch ist
Zeichnen allein deshalb ungenüelend, weil es dem Ausdrucks-
willen des Rindes nicht cntfernt ausreichend entgegen-
kommt. Die Werkerziehung müßte als wichtiger Erzie«
hungsfaktor gleichberechtigt neben die intellektuelle und
körperliche Erziehung treten. Es sind innerhalb der „pro-
duktiven" Erziehung ;ur Bildung des ästhetischen Sinnes
alle Formcn der Bearbeitung von Material wichtig. Eine
richtig betriebene werkarbeit wird das Verständnis für
dcn Wert und die Echthert des Materials wecken und so
eine unentbehrliche Grundlage für die bildnerische Er-
ziehung werden. Dieses Ziel wird aber nicht durch ge-
werbliche Facherziehung erreicht, sondern auf einem weg,
der dem Lernenden auf Schritt und Dritt das Erlebnis
der stofflichen Gestalt' bei seiner Gestaltung vermittelt.
Der Iunge soll weder zum ^andwerker noch zum Rünstler
erzogen werden, sondern seine Erziehung soll durch eine
Schulung seines gestaltenden wollens vervollständigt
werden. Arbeit am Material erzicht ;u strenger Sachlich-
keit. Durch die Mühe des Formens wird Verweichlichung
des Geschmackes hintangehalten und Feingefühl gegen
jederlei Runst- und Rulturkitsch gefördert.
Der werkstättenunterricht hat stärkste Be;iehung ;um
Der wer
Diesem fällt die Aufgabe ;u, die schlummernden, schöpfe-
rischen Rräfte des jungen Menschen ;u lösen. Ahm allein
ist die Möglichkeit gegeben, jeden Schüler ;um Bewußt-
sein seiner ureigenen Begabung und damit ; u sich
selbst ;u führen, ihm fällt die Aufgabe ;u,
dem Schuljungen über leicht vergeßbares
Deilwissen hinaus tiefen Einblick ;u geben
in den Ernst schaffendcrArbeit, ihm Verständ-
nis für handwerkliche, technische und künstlerische Rultur
;u vermitteln. Eine FUlle schwerster 2lusgaben, die mit
Hilfe der Freude jedes gesunden Rindes an gestaltender
Arbeit gelöst werden können. Der werkunterricht kann
;u den beglückendsten Erlebnifsen im Leben des jungen
Menschen gehören und darum hat der werklehrer es in
der ^and, der beste Freund seiner Schülcr ;u sein. Da;u
gehört aber von seiten des Lehrers Verständnis für die
Begabung und die Bedürfniffe jeden Rindes und reich-
liches, gründliches, technischcs und handwerklichcs Rünnen,
Beherrschung aller gccigneten werkstoffe und werkver-
fahren. Verständnis und Liebe ;um Rind muß wohl an-
geboren sein. wer nicht beides besitzt, sollte nicht Lehrer
werdcn. ^andwcrkliches und technisches Rönnen kann er-
Lcben. Ein gesundes, bubenhaftes „Raufen"
mit dcm „Stoff" ist er;iehlich sehr wert-
voll. Die oft überraschenden Ergebnisse
solchen Tuns wirken sich im Gesamtbilde
des werdenden Menschen aus, dem solcher
produktivcr Rampf mit dem Material
neben intellektueller und körperlicher
Schulung alle gestaltenden Möglichkeitcn
eröffnet. Eine Schädigung des Selbstvertrauens für
dcn manuell Unbegabten ist nicht ;u fürchten, denn eine
vollständige Ergebnislosigkeit der Arbeit kommt nicht vor
und schon die bescheidenste Ueberwindung
desMaterials löst ein glückhaftes Gefühl
aus. Aeder Iunge, der mit dem Stoff „ge-
rauft" hat, wird Ehrfurcht vor der größe-
ren Leistung eines anderen haben. Durch die
Förderung des natürlichen Gestaltungstriebes wird letzten
Endes auch eine Milderung der seelischen Rrisen des Ent-
wicklungsalters er;ielt. Ich bin der Meinung, daß cin
richtig betriebener werkunterricht tausendmal mehr lAut-
;en stiftet, als alle theoretisierende Iugendpsychologie ;u-
sammenbrächte. Es kann daher nicht oft genug betont wer-
den, daß der werkunterricht als wesentlichcr Bestandteil
jeder lebensgerechten Er;iehung eine bleibende Stätte an
allen „höheren Schulen" finden muß.
er;ieher.
lecnt werden. Die heutige Ausbildung des werklehrers
vermittelt allerdings von diesen Dingen sehr wenig. Es
sollten Seminare geschaffen werden, in denen neben wissen-
schaftlicher Bildung die schulisch richtigen werkverfahren
verschiedenster Art vermittelt würden.
Es müßte ;u diesem Zwecke die kategorische Forderung
gestcllt werden, dcm werkunterricht dasselbe Recht ein;u-
räumen wie allen wiffenschaftlichen Fächern, also ihn vcr-
bindlich ein;uführen. Es ist nicht ein;usehen, daß dieser
Unterricht, der dieselben bildenden, schulenden und er;ieh-
lichen werte hat wie jeder andere Gegenstand, immer nur
als wahlfreier Gegenstand gewertet wird. Die Ausbildung
des werklehrers muß von allem Anfang an handwerklich
und bildnerisch sein. Der ;ugleich künstlerisch befähigte
Lehrer wird besonders geeignet sein, weil er größeres
verständnis für die frei gestalteten, kindlichen Arbeiten
haben wird und die künstlerisch begäbten Schüler richtiger
beurteilen kann. von jcdem Schüler und Lehrer aber muß
streng handwerkliches Rönnen gefordert werden. Dcnn
Runst läßt sich nicht lehren und lernen, lehren und lcrnen
läßt sich nur die werkgerechtc Gestaltgebung.
Die Gchulwerkstatt
Eine Schule, die nur
cincn „Zeichensaal" besitzt
und keincn werkraum —
das ist das Gleiche, wie
wenn sie nur einen „Turn-
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natürlichen Lcibescrtüchti-
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statt erst schafft eine lle-
bensberühruiig niid Aus-
weituug, welchc die Schü-
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„wirklich" cinpfinden; denn
das Zeichnen ist cin Dcil
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kann das wcrkcn nur als
Anhängscl ;um Zeichncn
aufgcfaßt wcrdcn! Daruun
crhaltct jcde wcrkstatt
und schafft solche plätzc
au jcdcr Schule, uui dcr
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