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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 6 (Juni 1938)
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Rinderer, Leo: Welche Schulungsarbeit ist an der Grund- und Landschule zu leisten?
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0118

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Welche Schulungsarbejt ist an öer Grunö- unö Lanöschule zu lejsten^

Von Leo Rinderer-Feldkirch in Vorarlberg

Nachdcm die gr'oßen/Ereigniffc dcs Um- und Aufbruches,
-es Zusammcnschluffes dcr bcidcn Brüdervölker vollzogcn
und jeder Einzelne wiedcr an seine stille Arbeit gegangen,
war bei uns Augendbildnern die erste Frage: was war
drüben und hüben bisher an Ausbauarbeit geschehen; wie
wird nun die Zusammenarbeit crsolgen;

Aus dcm Gcbiete der bildncrischen Erziehung sehlte es
in «Vcsterreich nicht an ernsten Führern und Mahnern,
auch nicht an zeitgemäßen Lehrplänen und am willen
vieler ernstlich Strebcnder. Besonders in der Vberstuse, in
Haupt- und Mittelschulen waren ost rccht gute Ansätze
sestzustellen.

Die größten HeminungeN standcn dem rechten Schaffen
in der Grundschule entgegcn.

Die Erlösung des Rindes aus den Fcffeln eines technisch
intcllektuell orientierten Unterrichtes war besonders für
die Gebiete der Runsterziehung in der Schule so um-
wälzend, daß es für jeden einzelnen Volksschullehrer, desscn
.Rräste sür seine allgemein erzieherische 2lrbeit stark in
Anspruch genommen sind, beinahe unmöglich war, sich aus
eigenem die nötige neue Einsicht ;u erarbeiten. Seine Aus-
bildung war cben grundverschieden und die Sorgen in der
Schulstube ;u vielseitig, um sich der Neuausrichtung auf
diesem einen Gebiete gründlich genug widmen ;u können.
Verhängnisvoll war auch, daß die Methodenkämpse all;u-
sehr in der Schulstube ausgetragen wurden. Viele ehrlich
wollende versuchten das angepriesene „Gestalte n" aus
dem Eigenschassen der Schüler, wußten aber mit den
Ergebniffen mangels geschulten Urteils nichts an;ufangen;
so kehrtcn sie nach erlebten Enttäuschungen ;um gewohn-
tcn Nützlichkeitsstandpunkte, ;um Ab;eichnenlaffen und ;um
„elementaren" Zeichnen;urück.

wer nach Schristtum langte, wurde umhergeworfen
von einer Meinung ;ur andern. Da;u kam die unheilvolle
Inflation von Gechniken; doch gerade das oberflächliche
Naschen an allen möglichen, wenn auch oft berückenden
2lusdrucksmöglichkeiten konnte das bildnerische Urteils-
vermögen nicht ersetzen. Das größte Unheil verursachten
bei uns jene Methoden und Lehrgänge, die ein neu;eit-
liches Aeußere annahmen, sich dabei aber weniger um das
Rind, um sein ehrliches wachsen und werdcn bemühten,
als um „begehrte" Wegweisungen, die dem Lchrer —
ohne Rücksicht auf echtc Erfolge — den Zeichenunterrichts-
bctricb möglichst angenehm und leicht machen könnten; sic
sollten jede Vorbereitung und Verticfung, jede seelische
Verausgabung ersparen. Diese Re;eptbücher, aus Tag und
Stunde eingestellt und schcinbar aller Verantwortung cnt-
hebend, konntcn nur die Bequemen und Gberslächlichen
eine weile besriedigcn: Ersiehung und Rrastbildung ge-
lingt ja »ur jcncn, die sich mit vollcm Einsatz an die
2lrbeit machen. —

Auch war ein Großteil dcr Grundschullchrer mutlos,
weil sie meintcn, ctwas bcsondercs im „Vor;eichnen" lei-
sten ;u müffen und sich dafür nicht befähigt sahen.

Die Landschule blieb überhaupt lange cin Stieskind;
dort sollen die Rindcr rechnen, lcsen und schreibcn lerncn,
> das genügt! Dabei übersah man, daß gcrade dort, durch
die engc V7atur-, ^cimat- und Volksvcrbundcnhcit, durch
^ die „och lebendcn Restc altcn Brauchtums und srüherer
p Volkskunst vicl 2lnknüpsungspunkte ;u echtem Augcnd-
lchafse» gegeben sind. rZier fällt cs viel lcichtcr, Ausgaben
N>r das bildnerische Gcstaltcn ;u findcn, dic mit dem Lcben
in Vcrbindung stchen. Gerade von der Land-

,ule konnen die wcrtvollsten Rrastströme ;ur Erneuerung
i ""l^res Volkstums ausgchcn.

Fachlehrcr dcr Gberstuse abcr, insbcsonderc jenc an der
'Saupt- und lNittclschttlc klagen iinmcr wicdcr, dafi die

aufsteigendcn Schüler keine gesunden Grundlagen mit-
bringen.

Es ward immer klarer, daß der Aufbau
von unten beginnen müsse und wir niemals
ans crsehnte Ziel gelangenkönnen, wenn
die Bausteine nicht untcn i m Fundament,
in der allgcmeinen Schule des Volkes, ins-
besondere inderGrundschule richtig liegen.

Da galt es — und das machte ich auch mir in der Gst-
mark ;ur Lebensausgabe — mit bescheidenen, leichtsaßlichen
Mitteln vorerst die ernstlich Suchcnden in der Volksschulc
;u betreuen. Die Rraft des Volksschullehrers, insbesondere
jene des Landlehrers mit Abteilungsunterricht, wird durch
sein vielseitiges wirken so sehr in Anspruch gcnommen,
daß cr die Dinge einfach und klar sehen will. Verschonen
wir ihn also mit jeder problematik; es kommt cin;ig dar-
auf an, daß der Lehrer des Volkes die richtige
Grundhaltung;um Rinde und seinen bildncrischen
Aeußerungen gewinnt und seine Führung darnach ein;u-
richten weiß.

Vorerst die bekannte Scheidung, an der wir hier in
Gesterreich festhielten:

). Die sach- und;weckbetonte darstellende Arbeit hat die
Erfüllung der Forderungcn des praktischen Lebens im
Auge; dafür muß hier nicht geworben werden; ihre Vüütz-
lichkeit wird oft mehr als nötig hervorgcstrichen. Abge-
sehen davon, gehört das verstandesmäßige Zeichnen haupt-
sächlich nur Gberstuse.

r. Das gestaltende Schasfcn aus eigengesetzlicher Rraft
hat dagegen mehr er;ieherischen Lharaktcr und be-
;weckt neben der pslege der Ausdrucksentfaltung die Fördc-
rung des inneren wachsens und werdens unserer Schüler.
Gestalten ist nicht nach Nützlichkeit;u meffen, cbensowenig
wie Dichtung und Musik; es ist gleichwohl cin lebensnot-
wendiger Bereich der Bildung.

Hier einige Entscheidungen, die wir in der Schulung
herbeiführen müssen:

wir rüsten uns aus mit einer Auslese wüchsiger Bilder,
;. B. von schönen Bäumen. wir ;eigen daran, daß sie
allesamt kein Abklatsch der Natur sind, sondern eine cigne
geistige ^oheit ausstrahlen als Gestaltprägungen aus lebcn-
diger Empfindung und ordnender Formung, dic uns als
Schaffen anspricht, in das wir uns vertiesen können, wic
in die urheberischen Sätze eincr Dichtung; durch das wir
Rlärung ersahren über Gesicht und wesen der Natur.

Dieser Auslese stellcn wir photos gegenüber, welche alle
diese Schassens;ügc nicht ;eigen können. Und wir stellen
ihnen weiter jene „Typcn;eichnungen" gcgenüber, die kalt
crdacht sind, die nur konstruicrcn wollcn oder nur aus
drittcr Hand von cigcntlich wüchsigcn Bildcrn ;chren, kur;:
cin Ersatz für echte Gcstalt sind.

wir sühren also von Naturabklatsch und von Schemata
und bloßen „Bildcrchcn" ;u cigentlichcn Bildquellen und
bemühcn uns, dicsc einsichtig ;u machen, daß sie aus wuchs
und Gcstalt gelcscn wcrden.

Erst wcnn wir uns in dicser cchtcn wclt wieder ctwas
;uhausefühlcn — jedcr Mensch hat noch die Empsäng-
lichkcit dafür, die wcnigstcn abcr pslegtcn sie crnst ;u nek-
men, ;u üben und ;u schärscn —, stellcn wir ;u unsercr
Auslcse auch Lcispielc dcs Augen.dschassens uiid Rinder-
arbcitcn, dic „in Grdnung" sind.

Ww lernen, auch daraus das Urteil au;uivcndcn: echt,
wüchsig und gestalthast; wir lerncn, daß cs hicr nicht mit
„richtig und salsch" gcschafst ist, cinsach, weil cs ivider-
sinnig blcibt, etwa einc mit über;cugcnder Liebc geschaf-
sene Baiiernstickcrei „falsch" ;u nennen, weil ctwa Dürer
Blumen und Bäunie „vicl richtigcr" gc;eichnet l,ättc.

^ist eist einmal erreicht, daß die Rinderarbeiten mit
 
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